Donnerstag, 5. Juni 2025

Ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk

Prädikate von J.J. Prüm jenseits der Auslese stehen normalerweise nicht auf meinem Einkaufszettel, weil ihr Preis in der Regel weit nördlich meines Budgets liegt. Diese Beerenauslese konnte ich aber sehr günstig (ein zweistelliger Preis für eine ganze Flasche) ersteigern. Eigentlich wollte ich sie an meinem Geburtstag öffnen, aber dazu kam es dann nicht. Daher habe ich mich nun ein paar Tage später beschenkt. 



2006 J.J. Prüm Bernkasteler Badstube Riesling Beerenauslese 

Reifes Goldgelb
Zunächst verhaltener, mit mehr Luft intensiverer Duft nach gelben Früchten (Aprikose), Nüssen und einem Hauch Zitrus
Am Gaumen viskose Textur, sauber gezeichnet mit satter gelber Frucht, kräftiger aber harmonisch eingebundener Süße und langem, fruchtbetontem Abgang 

92-94, bis 2040+


Fazit: Auch wenn das ein sehr schöner Wein ist, hatte ich mir doch mehr versprochen. So, wie er sich hier darstellt, würde ich zum Beispiel die vor einige Zeit getrunkene 2017er Graacher Himmelreich Auslese (guckstu hier) vorziehen, da ist einfach mehr Zzzing.

Samstag, 31. Mai 2025

Ein ungleiches Paar

Diese beiden Weine haben auf den ersten, zweiten und dritten Blick nichts miteinander zu tun. Nur wenn man noch genauer hinschaut, erkennt man eine Gemeinsamkeit: den Preis. Beide Weine haben knapp 20 Euro gekostet. Allerdings hat der Graacher die knapp 20 Euro Anfang des Monats gekostet, der Montrose dagegen 1991 in der Subskription. Will man ihn heute kaufen, so zahlt man einen Preis, für den man mindestens vier Sechser-Kisten des Graacher Rieslings bekäme. Was besser ist, muss wohl jede/r für sich entscheiden...


 

 

2024 Willi Schäfer Graacher Riesling feinherb 

Helles Gelb mit leichtem Grünschimmer
Ausgeprägter Duft mit deutlicher Pfirsischnote und floralen Elementen, das wirkt fast schon ein wenig parfümiert 
Auch am Gaumen viel Frucht, wieder Pfirsisch, der deutlich wahrnehmbare Restzucker wird durch die prägnante, reife Säure gut balanciert. Im Abgang spielt dann der Pfirsisch wieder die erste Geige. 

88-90, wird sicher bis ins nächste Jahrzehnt Freude machen 


1990 Chateau Montrose 

Mittleres Rot, am Rand orange Reifenoten
Ausgeprägter Duft nach roten Früchten, Leder. Mit sehr viel Luft (5 bis 6 Stunden in der Karaffe) wird der Duft "ruhiger" und dunkle Früchte dominieren jetzt, begleitet von Eisen und getrockneten Kräutern
Baut am Gaumen sofort Druck auf, da ist wieder etwas rote Frucht, viel Leder, Waldboden, schöne Fruchtsüße, durchaus noch präsentes Tannin, langes Finale. Auch am Gaumen ändert sich das Bild nach ein paar Stunden Luftkontakt deutlich. Der Wein wird dunkelfruchtig, sehr harmonisch mit einem Hauch mentholischer Frische und feinsandigem Tannin.
Erinnert etwas an den vor etwa anderthalb Jahren getrunkenen 1982er Montrose - auch der veränderte sich mit längerer Luftzufuhr sehr deutlich (guckstu hier).
Das ist ein sehr schöner Bordeaux, aber bei 100 Punkten sehe ich ihn dann doch nicht. 

94-96, dürfte seinen 40. Geburtstag noch in guter Verfassug erleben 

Ein Klassiker

Von keinem anderen Bordeaux haben wir so viele Jahrgänge im Keller wie von Leoville Barton. Das heißt nun allerdings (leider) nicht, dass jeder Wein des Gutes uns begeistert (guckstu zum Beispiel hier). Heute gab es den 2004er. In pauschalen Jahrgangsbewertungen wird der Jahrgang nicht sehr gut beurteilt, er landet eher im hinteren Mittelfeld seines Jahrzehnts. Das hat den Verantwortlichen bei Leoville Barton aber zum Glück niemand erzählt, denn die haben einen Volltreffer gelandet.



2004 Chateau Leoville Barton 

Dunkles Rot mir nur sehr leichter Reifenote am Rand
Ganz klassischer und gediegen wirkender Duft nach roten und dunklen Früchten und einem Hauch Leder. Mit mehr Luft wird der Duft dunkelfruchtiger, es kommt etwas Süßholz und eine ganz dezente mentholische Note hinzu
Am Gaumen ungemein präzise wirkend mit klarem Fruchtausdruck, belebender Säure und spürbarem Tannin. Das ist sehnig, ohne ein Gramm Fett. Ein Klassiker eben. 

93-95, bis 2030+

Mittwoch, 28. Mai 2025

It's weird being the same age as old people

Alle Zahlen und Fakten sprechen dafür, dass ich alt werde. Und es hilft nicht, darüber zu jammern - eine gute Alternative zum Altwerden gibt es nicht. Man kann sich damit trösten, dass es Dinge gibt, die schlechter altern als man selbst. Wein zum Beispiel. Und Wein aus dem Jahrgang 1965 ganz besonders, denn der Jahrgang war legendär schlecht. 

Zwei Flaschen 65er hatten wir im Keller. Den Hochheimer habe ich 1993 vom damaligen Domänenrat von Schloß Schönborn, Robert Englert, bekommen. Für 11,50 DM (10 plus Mehrwertsteuer, die lag damals bei 15%). Den Eiswein habe ich irgendwann mal bei Ebay ersteigert.

 


1965 Schloß Schönborn Hochheimer Kirchenstück Riesling 

Goldgelb
In der Nase deutliche Firne und auch etwas nasser Pappkarton (aber der verschwindet mit etwas Luft); mit viel Phantasie Andeutung von gelber Frucht
Am Gaumen trocken wirkend (obwohl der Wein vermutlich ursprünglich restsüß war), wieder Firne, auch hier kann man sich mit viel Phantasie noch etwas Aprikosenfrucht hinzudenken
Man kann das trinken, aber Freude kommt nicht dabei auf - es ist eher denkwürdig als schön 

Mit Punkten bewerten mag ich das nicht 



 

 



 

1965 Heinreich Braun Niersteiner Unter der Bergkirche Eiswein 

Goldgelb
Im Duft intensiver als der Rheingauer, aber auch hier Firne und nasser Pappkarton
Am Gaumen ist da noch eine "warm" wirkende Süße, die aber von etwas muffigen Noten eingerahmt wird. Etwas bitter im Abgang. Auf die Idee, dass das ein Eiswein ist, wäre ich nie im Leben gekommen. 

Auch hier keine Bewertung 


Fazit: Ich denke, da habe ich mich dann doch besser gehalten als die beiden Weine :-)

Heydenreich

Das Weingut Friedrich Becker aus der Südpfalz gehört, wie ich auch aus eigener Erfahrung (guckstu zum Beispiel hier) weiß, zu den führenden Spätburgunder-Erzeugern in Deutschland. 

Der "Heydenreich" wächst in einer kleinen Parzelle im Schweigener Sonnenberg und ist ein gutes Stück teurer als die offiziellen Grossen Gewächse (KB und Sankt Paul) des Weinguts. Bislang hatte ich den Wein nur auf grösseren Verkostungen und in kleinen Mengen ins Glas bekommen. Heute ging es der ersten eigenen Flasche an den Korken.

 


2017 Friedrich Becker Schweigener Sonnenberg Spätburgunder "Heydenreich"

Mittleres, noch recht jugendlich wirkendes Rot
Kräftiger und vielschichtiger Duft nach dunklen Früchten mit floralen Akzenten, Fleisch, Kaffeebohnen
Am Gaumen sehr konzentriert, der Ausbau im Holz ist noch spürbar, viel dunkle Frucht, Kirsche, etwas Kaffee, das ganze untermalt von hochfeinem Tannin und lebendiger Säure. Der Wein hat Biss und Spannung bis in den sehr langen Abgang.
Läßt erahnen, was in ihm steckt, ist aber noch nicht in der optimalen Trinkreife angekommen

93-95+, 2027-2035+

Mittwoch, 7. Mai 2025

Hab Acht

2008 gilt in Bordeaux als "solider" Jahrgang; im Fußball würde man sagen er befinde sich "im Niemandsland der Tabelle". Eine etwas ausführlichere Darstellung findet man hier. Wir haben den ein oder anderen Wein aus dem Jahrgang und haben uns da mal ein wenig durchprobiert.


Abschiedsbild am Altglascontainer :-)

2008 La Fleur de Boüard 

Mittleres bis dunkles Rot mit orange Reifenoten
Recht ausgeprägter Duft mit an Pflaume erinnernder Frucht und Gewürzanklängen, etwas Tabak(?)
Wirkt am Gaumen schon ein wenig ausgetrocknet mit eher wenig Frucht und trocknendem Tannin.
Selbst schuld, denn das ist eigentlich kein Wein, den man 17 Jahre liegen lassen sollte...

80-82, austrinken


2008 Chateau d'Aiguilhe 

Noch ziemlich dunkles Rot mit nur leichter Reifenote
Aus dem Glas springt einen direkt eine ziemlich intensive Frucht (Zwetschke, Kirsche) an, dann Lakritz und auch etwas Jod. Mit mehr Luft kommt eine recht deutliche etherische Note hinzu. Das ist schon ein recht vielschichtiger Duft
Am Gaumen dann ziemlich konzentriert, viel reifes, nur leicht trocknendes Tannin, fast viskose Textur, wieder die Zwetschke. Das ist recht mächtig, aber für Eleganztrinker ist das nichts. Macht auch schnell satt. 

88-90, in den nächsten zwei bis drei Jahren trinken 


2008 Chateau Phelan Segur 

Mittleres Rot mit ganz leichten Reifenoten
Im Duft klassisch mit Cassis, dunklen Früchten, etwas Leder, wirkt herb
Mittelgewichtig, "transparent" wirkende Frucht, unaufdringliches, aber trotzdem präsentes Tannin. Der durchschnittliche Jahrgang macht sich in der (nicht sehr ausgeprägten) Gaumenmitte und dem recht knappen Abgang bemerkbar
Als Essensbegleiter sicher gut geeignet, als Solist etwas uncharmant. 

88-90, Reserven sicher bis 2030


2008 Chateau Lagrange 

Recht dunkles Rot ohne Reifenoten
Schöner Duft nach roten und dunklen Früchten, etwas Graphit
Am Gaumen ist ein leichter Korkschmecker wahrnehmbar (was insofern überrascht, als in der Nase davon nichts zu spüren war). Daher

ohne Bewertung


2008 Chateau Calon Segur 

Dunkles Rot ohne Reifenoten
Sofort nach dem Öffnen eher verhaltener Duft nach dunklen Früchten, etwas Vanille vom Holzausbau, Graphit. Mit mehr Luft etwas intensiver und fokussierter, Rauch, dunkle Frucht, Kirschwasser
Am Gaumen mächtig, aber zunächst noch monolithisch wirkend mit viel Tannin, dann dunkle Frucht.
Den Wein würde ich eher noch liegenlassen. Ich denke, da ist genug Substanz und Frucht für eine positive weitere Entwicklung

90-92+, 2028-2040 


2008 Chateau Leoville Barton 

Dunkles Rot ohne Reifenoten
Im Duft zunächst zurückhaltend, mit mehr Luft und etwas höherer Temperatur etwas kräftiger, Kirsche, rote Früchte, etwas Asche, Andeutung von Waldboden
Am Gaumen mittelgewichtig, schöne, transparent wirkende Frucht, zurückhaltenderes Tannin als beim Calon-Segur, endet kirschfruchtig und recht lang, aber auch mit einem leicht trocknenden Eindruck 
Schöner Wein, der jetzt in der Trinkreife angekommen ist 

91-93, Reserven für mindestens 10 Jahre 

 

2008 Clos Fourtet 

Recht dunkles Rot mit erster Reife am Rand
Eher zurückhaltender, aber feiner Duft nach roten und dunklen Früchten
Auch am Gaumen zunächst recht verhalten, mit mehr Luft dreht die Frucht etwas auf, begleitet von ausgeprägtem Tannin, das im recht langen, kirschfruchtigen Finale dann etwas trocknet.
Das ist schon ein schöner Wein, er bleibt aber doch etwas hinter den Erwartungen zurück, die der Status weckt.

89-91  

 

2008 Chateau Haut Bailly 

Dunkles Rot mit ganz leichten Reifenoten
Sehr intensiver und vielschichtiger Duft nach Cassis, Pflaume, Tabak, etwas Gewürz und einer mentholischen Note, die Frische verleiht
Am Gaumen erinnert die Frucht eher an Pflaume, die mentholische Note findet sich hier wieder. Das Tannin wirkt zunächst weich, aber zum (ansonsten überzeugenden und langen) Abgang hin macht sich doch eine gewisse Härte bemerkbar.
Für den Duft alleine hätte ich mindestens 95 Punkte vergeben, aber am Gaumen hält der Wein dann leider nicht ganz das, was der Duft verspricht.

92-94, Reserven für 5 bis 10 Jahre


Fazit: Da sind schöne Weine dabei, aber die ganz große Begeisterung kommt nicht auf. Phelan-Segur und Leoville-Barton sind vom Stil her eher klassisch, d'Aiguilhe und Calon-Segur (jeweils auf ihre eigene Art) dagegen eher mächtig. Der Clos Fourtet fliegt etwas unter dem Radar, und beim Haut Bailly blitzt echte Größe zumindest im Duft auf.

Montag, 5. Mai 2025

Der Süßwein der Woche (13)

Nachdem es in der letzten Ausgabe des Süßweins der Woche eine ziemlich wilde Mischung verschiedenster Weine gab (guckstu hier), war es diesmal sehr fokussiert: Alles aus 2002 und alles weniger als 100 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt. 

Den Anfang machte eine Wehlener Sonnenuhr Spätlese von J.J. Prüm.



2002 J.J. Prüm Wehlener Sonnenuhr Riesling Spätlese 

Goldgelb
Sehr präziser Duft nach gelben Früchten mit etwas Vanille und Schiefermineralik
Auch am Gaumen finden sich gelbe Früchte, daneben etwas Tee. Sehr schöne Süße-Säure-Balance.
Sehr schönes Beispiel für eine gereifte Mosel-Spätlese. 

90-92, dürfte sich noch einige Zeit auf diesem Niveau halten 


Es folgte ein Abstecher an die Ruwer, wo 2002 unter anderem diese wunderbare goldverkapselte Auslese entstand.


2002 Karthäuserhof Eitelsbacher Karthäuserhofberg Riesling Auslese Goldkapsel Nr. 53 (aus halber Flasche)

Reifes Goldgelb mit leichtem Rotschimmer
Nach etwas Belüftung ausgeprägter und sehr sauberer Duft nach gelben Früchten (Aprikose, Quitte) und etwas Vanille
Auch am Gaumen sehr präziser Fruchtausdruck, hervorragende Süße-Säure-Balance, sehr langes, fruchtbetontes Finale 
Hervorragende Auslese - leider die letzte Flasche 

94-96, würde ich wohl zum baldigen Trinken vormerken, wenn ich noch welche hätte 


Dann gab es einen kleinen Abstecher an die Nahe und zum Abschluß ging es nochmal zurück an die Mittelmosel mit zwei Auslesen vom Weingut Fritz Haag,


2002 Dönnhoff Niederhäuser Hermannshöhle Riesling Auslese  (aus halber Flasche)

Bernsteinfarben
Im Duft Karamell, Butter, daneben getrocknete Aprikose
Am Gaumen unaufdringliche, harmonische Süße, recht zurückhaltende Frucht (wieder Richtung Aprikose), die im Finale dann noch einmal etwas aufdreht
Schöne Auslese, aber vielleicht doch schon etwas "past its prime" 

89-91, recht bald trinken 

 

2002 Fritz Haag Brauneberger Juffer-Sonnenuhr Riesling Auslese #10 (aus halber Flasche)

Goldgelb
Reintöniger, allerdings nicht sehr intensiver Duft nach reifen gelben Früchten
Am Gaumen wunderbare Harmonie zwischen unaufdringlicher Süße und Säure, wieder gelbe Früchte, sehr saftig und trinkanimierend, lang
Sehr schöne Auslese in hervorragendem Zustand.

92-94, bis 2030 

 

2002 Fritz Haag Brauneberger Juffer-Sonnenuhr Riesling Auslese Goldkapsel #12 (aus halber Flasche)

Goldgelb
Im Duft reife gelbe Früchte (Aprikose, Pfirsisch)
Am Gaumen wieder gelbe Früchte, saftig, aber mit weniger Spiel und Spannung als bei der Auslese #10
Vielleicht keine optimale Flasche (der Korken war etwas aus der Flasche herausgedrückt und der Füllstand weniger gut als bei der #10). Allerdings wurden beide Flaschen 2003 beim gleichen Händler gekauft und seitdem identisch gelagert. 

90-92, bis 2030