Freitag, 21. April 2023

Unter dem Radar gesegelt

Clos Floridene gehört der Familie des 2016 verstorbenen Denis Dubourdieu, der gelegentlich als bester Weissweinerzeuger von Bordeaux bezeichnet wird. Auf Clos Floridene, gelegen in der "etwas unter dem Radar" segelnden Appelation Graves, werden (im Bordeaux-Kontext preiswerte) Rot- und Weissweine erzeugt, wobei die Weissen wohl etwas bekannter und auch etwas teurer sind. Von den Rotweinen haben wir in der Vergangenheit ab und an ein paar Flaschen gekauft. Zwei davon, beide aus hervorragenden Jahgängen, kamen gestern und heute auf den Tisch.


2005 Clos Floridene 

Mittleres Rot mit dezenten Reifenoten am Rand
Duftet eher verhalten nach roten Früchten (Johannisbeere) sowie Tabak und etwas Jod
Am Gaumen mittelgewichtig mit kühler Anmutung, von eher klassischer Statur mit präsentem Tannin, einer belebenden Säure und vergleichsweise zurückhaltend-rotfruchtiger Aromatik
Schöner "kleiner" Bordeaux, der für die seinerzeit bezahlten knapp 10 Euro guten Gegenwert bietet. Jetzt in bester Trinkreife mit noch eingen Jahren vor der Brust.

86-88, bis 2025+ 


2010 Clos Floridene 

Mittleres Rot mit allenfalls erahnbaren Reifenoten
In der Nase wiederum eher zurückhaltend, am ersten Tag rotfruchtig mit einer mentholig-frischen Note. Am zweiten Tag eher dunkle Früchte (Heidelbeeren / Brombeeren)
Kommt am Gaumen etwas voluminöser daher (hat auch 13,5% Alkohol) und wirkt in der Aromatik "dunkler" als der 2005er (Pflaume?). Noch recht robustes Tannin, ordentliche Länge und Zukunft.

86-88, bis 2030+


Fazit: "Objektiv" (wenn es das gibt) sind die beiden Weine etwa gleich gut. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich aber dem 2005er den Vorzug geben. Er wirkt transparenter und charmanter als der 2010er und insgesamt "klassischer". Der 2010er kontert das mit mehr Kraft, Länge und voraussichtlich auch Langlebigkeit, und es ist wohl eher eine Frage des Geschmacks, was man da vorzieht.


Donnerstag, 6. April 2023

Mein lieber Saffredi

Der "Saffredi" der Fattoria le Pupille im Südwesten der Toskana ist ein "Bordeaux-Blend" aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot (in früheren Jahren wohl auch mit etwas Sangiovese). Trotz regelmässig sehr guter Bewertungen ist er im Vergleich zu anderen sogenannten Super-Tuskans preislich noch einigermassen im Rahmen (zumindest sind die Preise noch zweistellig). Obwohl wir einige Jahrgänge im Keller haben, habe ich noch nie einen Saffredi ganz jung getrunken - und das, obwohl ich schon mehrfach ziemlich begeisterte Berichte genau darüber gelesen habe. Heute habe ich mein Versäumnis nachgeholt und eine Flasche des 2020ers geöffnet.

 


2020 Fattoria le Pupille Saffredi

Sehr dunkles, jugendliches Rot mit Violettschimmer
Intensiver und vielschichtiger Duft mit sehr ausgeprägten Fruchtnoten; Himbeeren, Cassis, Brombeeren, etwas Lakritze.
Am Gaumen kraftvoll mit viel herb-saftiger Frucht, unterlegt mit kräftigem Tannin, dabei sehr lang.
Macht jetzt in der Fruchtphase viel Spaß, sollte aber "eigentlich" eher fünf als drei Jahre im Keller reifen und macht dann sicher bis Ende des nächsten Jahrzehnts Freude 

93-95, 2028-2040+

Sonntag, 2. April 2023

Rheinhessen (Riesling 2014, Teil 5)

Im letzten Teil der "Rundreise" durch den Riesling-Jahrgang 2014 waren vier Grosse Gewächse von Top-Betrieben aus Rheinhessen an der Reihe, verkostet in zwei Zweier-Paaren an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden. Ich fand die Weine qualitativ sehr homogen - vier ausgezeichnete Rieslinge, wobei mir der Hubacker von Keller nicht nur jetzt schon am besten gefiel, sondern m.E. auch noch Potential für eine weitere Verbesserung hat. 


2014 Battenfeld-Spanier Nieder-Flörsheimer Frauenberg Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Der recht ausgeprägte Duft wird dominert von (teils frischen, teils kandiereten) Zitrusfrüchten, dazu etwas Wachs und dezent kräutrige Noten
Am Gaumen dominiert reife, herbe Zitrusfrucht, die zusammen mit der sehr gut integrierten Säure trotz der Reife der Frucht für einen animierend-frischen Gesamteindruck sorgt. Kalkige Mineralik. Endet lang auf (wen wundert's?) Zitrusnoten 

90-92, bis 2025+ 

 

2014 Gunderloch Nackenheimer Rothenberg Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Startet in der Nase eher verhalten mit Feuerstein, Kräuternoten und dann dezenter gelber Frucht (Pfirsisch), vielschichtig und tiefgründig
Am Gaumen dann unaufdringlich gelbfruchtig; sehr griffiges Mundgefühl mit etwas Tannin und gut verwobener Säure. Im langen Abgang übernehmen dann herbe Zitrusnoten das Kommando.
Das ist ein sehr feiner, leiser Wein, der in Ruhe genosen werden will. Hat noch Zukunft. 

91-93, bis 2028+

Zu diesem Wein gab es hier schon einmal einen Post (guckstu hier). Die seinerzeit beschriebene Zitrusfrucht hat sich quasi in den Abgang zurückgezogen, aber die Charakterisierung als "eher subtiler Wein, der nach etwas Beschäftigung verlangt" stimmt nach wie vor. Die damalige Trinkreifeeinschätzung "bis 2025" war zu konservativ. 


2014 Wittmann Westhofener Morstein Riesling GG 

Goldgelb
Mittelkräftiger Duft, zum Entrée Zitrusnoten, dann kommen Kräuter und etwas Limettenschale hinzu, mit mehr Luft gelbe Früchte und etwas Rauch
Wirkt am Gaumen vergleichsweise schlank, wieder mit viel Zitrusfrucht, frisch mit sehr gut integrierter Säure und recht langem, wieder zitrusdominiertem Abgang. 

91-93, bis 2028+ 


2014 Keller Dalsheimer Hubacker Riesling GG
Mittleres Gelb mit Goldschimmer
Unmittelbar nach dem Öffnen ist die Nase völlig verschlossen. Mit Zeit und Luft öffnet sie sich und gibt Noten von gelben Früchten, Orangenschale und Zitrus sowie kalkige Mineralik frei.
Am Gaumen von dunkler Mineralik geprägt, zudem Zitrus, ganz leicht Karamell, sehr gut integrierte Säure, langer, zitrusgeprägter Abgang

92-94, braucht m.E. noch etwas Zeit bis zum Höhepunkt und wird sicher noch 10 und mehr Jahre Spaß machen