Sonntag, 30. Juni 2019

Das Gute an der Werbung

Nachdem mit letzte Woche einiges an Werbung für österreichische Weißweine in den virtuellen Briefkasten flatterte, mußte es heute ein Österreicher sein. Die Werbung beeinflußt einen halt doch.

Meine Wahl fiel auf den 2015er Zöblinger Heiligenstein des Weinguts Bründlmayer aus dem Kamptal. Dieser Wein geht mit einigen Vorschußlorbeeren in Form hoher Punktbewertungen durch andere Verkoster an den Start. Man durfte also gespannt sein.




2015 Bründlmayer Zöblinger Heiligenstein Riesling Alte Reben
Strohgelb.
In der Nase recht ausgeprägt, komplex und tief, mineralisch geprägt, viel Kräuter, aber auch Noten von Steinfrüchten.
Am Gaumen straff wirkend, viel Zug, eindeutig auf der kräutrigen Seite, lang.
Hervorragender Riesling mit viel Zukunft. Allenfalls am Anfang der Trinkreife.
92-94+, 2020-2030+

Da hat die Werbung also doch ihr Gutes gehabt. Ohne sie hätte ich diesen Wein nämlich heute nicht getrunken. Die beiden restlichen Flaschen bleiben allerdings noch etwas im Keller.

Freitag, 14. Juni 2019

Grosses Tennis

Zum Glück halte ich es mit dem Riesling nicht so wie mit dem Tennis. Ich muss da jetzt wohl etwas weiter ausholen, um das zu erklären. Im Sommer 1991 habe ich ein Praktikum in London gemacht. Es war ein ziemlich regnerischer Sommer. Die Wetten (Engländer wetten auf alles), dass es im Juni jeden Tag regnen würde, wurden erst am 29. verloren. Die Gesetzmäßigkeit schien zu sein "je blauer der Himmel am Morgen, desto eher setzt am Nachmittag der Regen ein". Das Wetter führte dazu, dass beim Tennisturnier in Wimbledon sehr viele Matches ausfielen. Daher wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Turniers am mittleren Sonntag gespielt. Der Tag wurde "Peoples' Sunday" getauft. Für diesen Tag gab es keinen normalen Ticket-Vorverkauf, sondern alle Tickets gingen in den freien Verkauf am Sonntagmorgen. Man musste also nur früh genug aufstehen und sich anstellen. Das habe ich gemacht und für 10 Pfund ein Ticket erworben. Und eine einzigartige Stimmung erleben dürfen. Das Durchschnittsalter des Publikums war etwa 30 Jahre geringer als sonst. Es gab La Ola und Standing Ovations auf dem Centre Court. Und es gab einige der ganz grossen Tennisspieler. Unter anderem Ivan Lendl (der nach 2:0 Satzrückstand noch gegen MaliVei Washington gewann) und Martina Navratilova. Höhepunkt war am späten Nachmittag der Auftritt von Jimmy Connors. Er verlor zwar (gegen Derrick Rostagno, just for the record), aber das Publikum hätte jeden einzelnen seiner Bälle übers Netz geschrien, wenn es gekonnt hätte. Es war ein grossartiger Tag (guckstu auch hier). Danach habe ich beschlossen, nie wieder ein Tennisturnier zu besuchen. Ich war überzeugt, das beste erlebt zu haben, was dieser Sport zu bieten hat und wollte mir daher Enttäuschungen ersparen.

Wenn ich das mit dem Riesling genau so halten würde, hätte ich am 30. Mai mit dem Rieslingtrinken aufhören müssen. An diesem Tag habe ich erstmals bei den Keller Open mitgespielt. Nein, das ist kein Tennisturnier, sondern die Jahrgangspräsentation des Weinguts Keller in Flörsheim-Dalsheim. Angesichts der Reputation des Weinguts (und der Qualität der Weine - die Reputation fällt ja nicht vom Himmel) war das natürlich eine sehr gut besuchte Veranstaltung (wenn es auch weniger Besucher waren als beim Peoples' Sunday). An drei verschiedenen Ständen gab es Nicht-Rieslinge, trockene Rieslinge und restsüße Weine zu verkosten. Detaillierte Notizen habe ich mir nicht gemacht. Der 2018er "von der Fels" hat mir ausserordentlich gut gefallen, ausserdem der halbtrockene Riesling RR sowie (natürlich) die beiden GGs aus Kirchspiel und Hubacker.

Am Stand mit den restsüßen Weinen konnte man (gegen Entgelt, das in diesem Fall aber mehr als angemessen war) einige Weine probieren, deren Marktpreise weit ausserhalb meines Beuteschemas liegen. So kamen dann also drei Trockenbeerenauslesen aus der Abtserde zunächst in mein Glas und danach auch in meine Riesling Hall of Fame.




2013 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
In der Nase sehr intensiv, Rosinen, Früchtebrot, Feigen.
Am Gaumen dickflüssig, Tee, Trockenfrüchte, minutenlanger Nachhall.
95-97

2011 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
Wieder sehr intensive Nase mit Noten von Rosinen, Trockenfrüchten und Schwarzbrot
Am Gaumen viskose Textur, getrocknete gelbe Früchte, ewig lang.
94-96

2009 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
In der Nase intensive Noten gelber Früchte, viel Aprikose
Am Gaumen eine perfekt gereifte TBA, großartige Fruchtintensität mit dominierenden gelbfruchtigen Aromen
Wirkt trotz der enormen Süße nie schwer, ewig lang.
98-100

Ich kann mir schwer vorstellen, wie Riesling besser gehen soll als mit der 2009er TBA. Aber, anders als beim Tennis, werde ich versuchen, es herauszufinden.