Sonntag, 13. September 2020

Der Lack ist ab?

Vor den Weinen von Schloß Johannisberg habe ich immer großen Respekt gehabt, zum einen wegen der großartigen Lage des Gutes, zum anderen, weil ich in den ersten Jahren meiner Weintrinkerkarriere sehr gute Weine von hier getrunken habe (guckstu hier).

Die Weine unterschiedlicher Qualitätsstufen sind an Kapseln unterschiedlicher Farbe erkennbar. Der Qualitätswein etwa wird als "Gelblack" bezeichnet, der Kabinett als "Rotlack" und so weiter. Das seit 2012 nach VdP-Regeln produzierte Große Gewächs (zuvor gab es ein "Erstes Gewächs" nach den Regeln des Rheingauer Weinbauverbands) trägt die Bezeichnung "Silberlack". Davon habe ich mir vor einiger Zeit je eine Flasche 2014er und 2015er gekauft, um die Weine in Ruhe zu probieren.

 


2014 Schloß Johannisberg Riesling GG 

Goldgelb
In der Nase recht ausgeprägt mit Noten von Kräutern (Thymian?) und kandierten Zitrusfrüchten
Am Gaumen recht ausladend, auch hier wieder kandierte Zitrusfrüchte, lebhafte Säure gepaart mit dezentem Schmelz, harmonisch und recht lang.
Schöner Riesling, der sich jetzt sehr gut trinkt.

90-92, bis 2023+

 

2015 Schloß Johannisberg Riesling GG 

Recht reif wirkendes Goldgelb
In der Nase sehr verhalten mit Noten reifer gelber Früchte
Auch am Gaumen eher unauffällig. Da ist zwar ein solider Rohbau mit gut abgestimmter Säure und dezenter Phenolik, aber es fehlt völlig an Frucht. Das macht so keinen Spaß und man kann nur hoffen, dass das ein Flaschenfehler war, vielleicht ein "Korkschleicher". 

80-82???, wegen der Möglichkeit eines Flaschenfehlers aber mit Vorsicht zu interpretieren


Fazit: Der 2014er ist ein schöner Wein und wird seinem Status als Großes Gewächs ohne Zweifel gerecht. Der 2015er ist in dieser Verfassung eine ziemliche Katastrophe. Normalerweise würde man in einer solchen Situation eine zweite Flasche öffnen um zu prüfen, ob ein Flaschenfehler vorlag. Da das beides Einzelflaschen waren, ging das leider nicht.

 

Donnerstag, 10. September 2020

Closer Encounter

Kürzlich hatte ich hier über meine erste Begegnung mit den Weinen von Carsten Saalwächter geschrieben (guckstu hier) und dabei eine eingehendere Beschäftigung mit seinen Weinen angekündigt. Zwischenzeitlich habe ich vier weitere Weine probiern können, einen Chardonnay und drei Spätburgunder. Bei letzteren handelt es sich zum einen um den Wein, den das Gut auf der anderen Rheinseite in Assmannshausen erzeugt, zum anderen um die Alten Reben und den "R" aus den rheinhessischen Stammlanden des Ingelheimer Gutes.




 

 

2018 Saalwächter Chardonnay
Strohgelb
In der Nase etwas Zitrus, Haselnuß, dezenter Holzeinfluss
Am Gaumen mittelgewichtig, wieder nussig, Zitrus, hervorragend eingesetztes Holz. Ein Tick mehr Säure hätte gutgetan. Schöner Wein, aber es fehlt die Mineralik und Spannung des Weissburgunders.
87-89. bis 2023+

2017 Saalwächter Assmanshausen Pinot Noir La Premiere
Mittleres Rot, zum Rand hin Rosa
In der Nase mittlere Intensität mit Aromen von vor allem Kirschen und Kirschkernen, etwas Lakritz, dezente Holzprägung
Auch am Gaumen kirschfruchtig, ein Hauch Bittermandel, auch hier wahrnehmbarer Holzeinfluss. Die Frucht wird von einer gut portionierten Dosis Tannin und feiner Säure in der Spur gehalten. Sehr feiner Spätburgunder mit Potential für einige Jahre.
89-91, bis 2025

2017 Saalwächter Spätburgunder Alte Reben
Mittleres Rot, am Rand ins Rosa übergehend
In der Nase recht ausgeprägt, Trockenkräuter, etwas Kirsche, Wacholder und eine dezent etherische Note. Spürbare, aber dezente Holznote (Kokos?)
Am Gaumen holz- und kräuterwürzig, noch leicht bitter, dahinter fleischig und mit guter Länge.
Gut, deutlich weniger kirschfruchtig als der "einfache" Spätburgunder und der Assmannshäuser, braucht aber noch etwas Zeit um das Holz besser einzubinden.
87-89+, 2022-2026+

2017 Saalwächre Spätburgunder "R"
Mittleres Rot, am Rand rosa
In der Nase recht intensiv und komplex, Sauerkirsche, dunkle Fruchtnoten, ein Hauch Lakritz
Am Gaumen klar strukturiert, Melange von roten und dunklen Früchten, zurückhaltendes aber strukturgebendes Tannin, passende Säure. Perfekt dosierter Holzeinsatz, lang. Im übrigen mit 12,5% auch wohltuend moderat im Alkohol.
91-93, bis 2027+

Fazit: Bei den Weißweinen gefiel mir der Weißburgunder aus meiner ersten Begegnung mit den Weinen des Gutes besser als der Chardonnay. Die Spätburgunder sind durch die Bank gut, wobei der im Juni verkostete "einfache" Spätburgunder das vielleicht beste Preis-Leistungsverhältnis aufweist. Auf jeden Fall sollte man das Gut im Auge behalten.