Donnerstag, 29. Dezember 2022

Wichtelweine

Seit 2014 gibt es das Weinwichteln (guckstu hier). Es wird von Enthusiasten (nichtkommerziell) mit viel Aufwand (mittlerweile über 2000 Teilnehmer) in der Vorweihnachtszeit organisiert und ist genau das, was man unter dem Bewgriff erwarten würde. Wer teilnimmt, bekommt eine Adresse zugeteilt, an die sie bzw. er eine Flasche Wein schickt und erhält dafür eine Flasche von jemand anderem. Die Anforderungen an den Wein werden wie folgt beschrieben: "Es gibt keine preisliche Vorgabe. Aber ab 10€ pro Flasche beginnt es Sinn zu machen. Es geht um handwerklich erzeugte Weine von echten Winzern, die ihre Leidenschaft – die Hege und Pflege der Weingärten, den Herbst, die Weinentstehung – mit Passion leben. Keine anonyme Industrieware."

Ich habe von Beginn an mit einer Ausnahme (2020, weil ich da den ganzen Dezember über im  Ausland war) in jedem Jahr teilgenommen. Mit dem Wichtelwein kann man mehr oder weniger Glück haben. Bei meiner ersten Teilnahme 2014 habe ich gleich eine Hauptgewinn gezogen. Vom Weingut Meierer an der Mosel (guckstu hier) erhielt ich nicht nur gleich zwei Flaschen sehr guten Rieslings, sondern darüber hinaus eine Rieslingrebe. Die wächst und gedeiht seitdem in unserem Garten und produziert regelmäßig erstens sehr viel Laub und zweitens eine ordentliche Menge Trauben. 

In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal dreifach teilgenommen und dem entsprechend auch drei Flaschen Wein bekommen. Die erste Flasche, die ankam, war ein Ingelheimer Sptäburgunder des Weinguts Knewitz. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Knewitz ist ein hervorragender Betrieb, von dem ich bislang aber nur Weißweine (Riesling und Chardonnay) kannte. Auf einen Spätburgunder des Gutes war ich daher sehr gespannt. Der zweite Wein kam vom (mit völlig unbekannten) Weingut Blees-Wallich, ebenfalls in Rheinhessen. Einen restsüßen Kabinett aus Kerner und Ortega hätte ich mir selbst wohl eher nicht gekauft. Insofern war das also eine Möglichkeit, meinen Horizont zu erweitern. Nicht vorenthalten möchte ich den Lesern das Frontetikett des Weines (das große Bild zeigt das Rückenetikett). Der letzte Wein kam kurz vor Weihnachten (begleitet von einem netten Begleittext und weihnachtlichen Süßigkeiten) und war ein Weissburgunder des Thüringer Weinguts Bad Sulza im Anbaugebiet Saale-Unstrut. Dieses Gebiet ist für mich bislang weitgehend Terra Incognita. Insofern bekam also der weisse Fleck auf meiner Weinlandkarte ausgerechnet durch einen Weissburgunder etwas Farbe :-) 

Getrunken haben wir die Weine dann in der umgekehrten Reihenfolge, also den Weissburgunder zuerst und den Spätburgunder (nomen est omen) zuletzt.

 
 
 
2022 Thüringer Weingut Bad Sulza Weissburgunder 

Recht helles Gelb mit leichtem Grünschimmer
In der Nase recht ausgeprägter und sortentypischer nussig-würziger und hellfruchtiger (Birne?) Duft, der allerdings etwas parfümiert und dadurch leicht aufdringlich wirkt
Das setzt sich am Gaumen fort: ausgeprägte, aber eben auch wieder etwas parfümiert-dropsig wirkende Aromatik, dezente Zitrusnote im Abgang
Insgesamt ein von Primäraromen (Aromahefen?) geprägter Wein mit klar erkennbarem Rebsortencharakter. 

82-84, würde ich jung (bis Ende 2023) trinken



2021 Blees-Wallich Jugenheimer Kerner und Ortega Kabinett 

Helles Gelb mit leichtem Grünschimmer
In der Nase sehr verhalten, Anklänge an exotische Früchte
Auch am Gaumen sehr zurückhaltend; "aus der Ferne" wahrnehmbare exotische Fruchtnoten, leichter (aber nicht störender) Bitterton, spürbare, aber unaufdringliche Süße.
Insgesamt ein, um es höflich auszudrücken, sehr neutraler Wein. Da passiert aromatisch nicht viel, es fehlt an Säure und der Wein endet kurz. 

76-79, jung trinken (if at all) 


2019 Knewitz Ingelheimer Spätburgunder

Mittleres Rot mit leichtem Violettschimmer
In der Nase noch etwas ungestüm, dezente Holzwürze, Kirschen, Himbeeren,
Am Gaumen holzwürziger Auftakt, viel reifes Tannin, eher dunkelfruchtig-trockenkräutrige Art, mittlere Länge, schöne Säure.
Guter Spätburgunder, dem ich aber noch ein bis zwei Jahre Flaschenreife gönnen würde. 

86-88, 2024-2027+


Samstag, 17. Dezember 2022

Schwäbische Reste

Im Jahr 2015 waren wir zum ersten und bislang einzigen Mal in Württemberg und haben dort bei dem ein oder anderen Winzer eingekauft. Die meisten dieser Weine sind zwischenzeitlich den Weg alles Irdischen gegangen. Von drei Rotweinen war jedoch noch jeweils eine Flasche (beim Ypsilon zwei) übrig. Die kamen in der vorigen Woche an die Reihe.



2011 Dautel Zweigelt "S" 

Mittleres Rot mit nur ganz dezenten Reifenoten
In der Nase recht wenig (an Pflaumen erinnernde) Frucht, eher Trockenkräuter, eine Spur Tabak, etwas Gummi
Das setzt sich am Gaumen fort: Wenig Frucht und auch ansonsten wenig Ausdruck (vor allem die Gaumenmitte schwächelt), recht wenig Tannin, mittlere Länge.
Insgesamt enttäuschend, insbesondere auch angesichts des Preises (23,90 in 2015)

83-85, bald trinken 

Man mag einwenden, dass der Wein zu lange gelagert worden sei, aber erstens schmeckt er nicht überlagert und zweitens waren die schon vor Jahren getrunkenen anderen Flaschen auch nicht besser. 


2011 Dautel Bönnigheimer Sonnenberg Spätburgunder GG "Kalkschupen"

Mittleres bis helles Rot mit leicht bräunlichen Reifenoten am Rand
In der Nase recht verhalten, rote Früchte (Erdbeeren) und eine leicht pfeffrige Note
Am Gaumen verhaltene Aromatik mit wenig Frucht. Das ist schade, denn die sehr feinen Tannine, die dezente Säure und der recht lange Nachhall hätten den passenden Rahmen für einen grösseren Auftritt im eleganten Stil geboten. 

85-87, in den nächsten zwei bis drei Jahren trinken

Auch hier ist anzumerken, dass die beiden vorherigen Flaschen dieses Weines nicht besser waren


2012 Karl Haidle Cuvée "Ypsilon" (Lemberger , Cabernet Franc , Cabernet Sauvignon)

Dunkles Rot mit jugendlich wirkendem Violettschimmer
In der Nase recht kompakt wirkend mit viel dunkler Frucht, etwas Schokolade und ein Eindruck von Lakritze
Am Gaumen recht kraftvoll, viel dunkle Frucht, verhaltenes Tannin und eine recht ausgeprägte Säure geben dem Wein Struktur, mittlere Länge
Schöner Wein, allerdings wirkt die Frucht etwas monolithisch und wenig ausdifferenziert, was einer besseren Bewertung entgegensteht. 

87-89, dürfte sicher noch einige Jahre in Form bleiben 


Fazit: Insgesamt doch eher enttäuschend. Der Ypsilon ist zwear ein guter Rotwein, aber bei einem (damaligen) Ab-Hof-Preis von 29,90 ist das sicher kein Schnäppchen. Die beiden Rotweine von Dautel enttäuschen auf ganzer Linie. Und bevor hier jetzt ein Verdacht aufkommt: Nein, ich habe nichts gegen das Weingut. Ich habe schon ganz hervorragende Weine des Gutes getrunken, aber diese beiden hier zählen definitiv nicht dazu.