Sonntag, 30. Juli 2017

Ein Bordeaux zwischendurch



Derzeit werden die 2014er Bordeaux ausgeliefert. Den veröffentlichten Bewertungen nach zu urteilen ein sehr ordentlicher Jahrgang, der aber etwas im Schatten der ziemlich gehypten (und teureren) 2015er und 2016er steht. Unsere Subskriptionsweine sind noch nicht vollständig ausgeliefert. Um mir trotzdem schon mal ein Bild zu machen, habe ich aus Neugier eine Probeflasche des 2014er Chateau Labegorce aus Margaux besorgt. Ich gebe zu, dass die sehr gute Bewertung im Wine Advocate (93 Punkte von Neal Martin) dabei eine Rolle gespielt hat.



2014 Chateau Labegorce
In der Nase intensiv, deutliche Holznote, Heidelbeeren und Himbeeren
Am Gaumen recht ausladend, reifes Tannin, spürbares und derzeit noch leicht bitteres Holz, gute Länge. Schöner Bordeaux mit Potential, braucht aber noch etwas Zeit, damit sich das Holz einbinden kann.
89-91+, 2019-2025+


Dienstag, 4. Juli 2017

Regionalliga


Bei Bordeaux denkt man mittlerweile leider oft an "teuer". Für die Spitzen-Crus trifft das auch unzweifelhaft zu. Aber es gibt eben nicht nur eine erste Liga, sondern auch eine zweite, eine dritte, eine Regionalliga etc. Da geht es ziemlich weit bergab, auch in Bordeaux. Aber bleiben wir mal bei der Regionalliga. Da wird nämlich auch guter Fußball gespielt (das muß ich so schreiben, ich bin Anhänger von Alemannia Aachen). Beziehungsweise guter Wein gemacht. Um den geht es heute. Chateau Lanessan im Haut-Medoc ist so ein Regionalliga-Gut, ein Traditionsverein sogar (um bei der Analogie zu bleiben). Schon sehr lange im Geschäft und für durchaus langlebige Weine bekannt. Einige Jahrgänge haben wir im Keller, und nach der jüngsten Aufräumaktion in eben diesem Keller standen heute drei etwas betagte Regionalligisten zur Probe an.


1988 Chateau Lanessan
Recht helles Rot mit orange-braunen Reifenoten
In der Nase anfangs etwas staubig, dahinter noch recht ausgeprägte Frucht,mit mehr Luft auch Liebstöckel
Am Gaumen macht sich sofort eine präsente Frucht bemerkbar, mittelgewichtig, kernig und in keinster Weise gezehrt wirkend. Das ist kein Charmebolzen, aber ein solider und hervorragend gereifter Cru Bourgeois.
86-88

1990 Chateau Lanessan
Wieder recht helles Rot mit orange Rand, wirkt leicht trüb
In der Nase dominieren Tertiäraromen; Fleisch, Waldboden, Pilze
Am Gaumen gradlinig, Graphit, präsente Säure, Teer, durchaus elegant wirkend. Wirkt nicht gezehrt, gefällt mir anfangs weniger gut als der 1988er, legt mit Luft aber zu. Dürfte noch einige Jahre durchhalten.
86-88

1998 Chateau Lanessan
Mittleres Rot mit angedeuteter Reife am Rand
In der Nase von mittlerer Intensität, deutlich rotfruchtig 
Am Gaumen verhalten rotfruchtig, noch (zu) präsentes Tannin. Erinnert aromatisch an den 1988er, ohne ihn aber zu erreichen. Das ist noch in bestens trinkbarem Zustand, aber das Tannin trübt den Trinkspaß dann doch etwas.
83-85, bis 2020




Fazit: Seinen Ruf, langlebige Weine zu erzeugen, hat Chateau Lanessan eindrucksvoll bestätigt. Obwohl in allen Fällen das prognostizierte Trinkfenster längst abgelaufen ist (bei Parker bis 2008/2005/2015 für 1988/1990/1998) stehen alle drei Weine gut da. Der 1988er und 1990er sind vom Charakter her sehr unterschiedlich, aber beide sehr gut. Das waren aber natürlich auch hervorragende Bordeaux-Jahrgänge, wobei 1988 sicher "klassischer" ist als 1990. Der 1998er aus kleinerem Jahr fällt etwas ab und vermittelt nicht den großen Trinkspaß. 

Und vielleicht noch ein Wort zur Preisentwicklung: Die Preissteigerungen in Bordeaux werden ja gerne kritisiert, und für die Top-Chateaux sind die Erhöhungen ja tatsächlich in vielen Fällen exorbitant. Aber bei Chateau Lanessan (das hier nur stellvertretend für eine Vielzahl von soliden Weingütern ohne Glamour-Faktor steht) sind wir in einer ganz anderen Welt. Der 1988er hat 1990 14,40 DM gekostet, der 1990er zwei Jahre später 15,50 DM und den 1998er habe ich 1999 für 22 DM gekauft. Letzten Monat habe ich 2016er Lanessan subskribiert - ein dem Vernehmen nach hervorragender Bordeaux-Jahrgang mit exzellenten Bewertungen für Lanessan (90-92 von Neil Martin bei Parker). Der Preis? 13.30 €. Macht im Vergleich zum (vermutlich schwächeren) 1998er eine jährliche Preissteigerung von unter 1% und im Vergleich zum 1988er von gut 2%. Da ist nix orbitant - das ist klar unterhalb der Inflationsrate.