Freitag, 10. April 2020

Frühling in Flaschen

Trockener Muskateller ist bestimmt kein Modegetränk. Aber an den ersten warmen Frühlingstagen eines Jahres ist mir oft nach einer Flasche Muskateller zumute weil diese Art Wein perfekt zum Frühling passt. Ich glaube, wenn man Frühling in Flaschen füllen könnte, würde er so schmecken.

Heute war es wieder soweit. Als ich jedoch den 2018er Muskateller von Salwey aus dem Keller geholt habe, bekam ich erst einen Schreck, stand doch "feinherb" auf der Flasche. Das war mit bislang nicht aufgefallen. Kurzes Gugeln ergab dann, dass der Wein mit 8,1 Gramm Restzucker und 7,9 Gramm Säure auf die Flasche kam. Mit diesen Werten dürfte der Wein weingesetzlich als trocken deklariert werden. Vermutlich hat das Weingut darauf verzichtet, weil das "Zuckerschwänzchen" dem üblichen Geschmacksbild der trockenen Weine des Hauses nicht entsprechen würde. Wichtig sind aber natürlich nicht Analysedaten, sondern "im Glas".





2018 Salwey Muskateller feinherb
Sehr helles Gelb mit grünen Reflexen
In der Nase ausgeprägter und sehr rebsortentypischer Duft mit prägnanter Muskatnote
Am Gaumen saftige, "traubige" Frucht, wieder Muskataroma. Die 8 Gramm Restzucker werden durch die kräftige Säure und eine herbe Note im Finale soweit abgepuffert, dass ein eher trockenes Geschmacksbild resultiert.
Sehr schöner Vertreter der Sorte und genau das, was ich mir erhoffe, wenn ich eine Flasche Muskateller öffne.
86-88, bis Ende 2020

Und der Vollständigkeit halber: Im Winter habe ich (wohl in Vorfreude auf den nächsten Frühling) den 2018er Muskateller von Tement getrunken, der mir ebenfalls hervorragend gefallen hat:

2018 Tement Gelber Muskateller
Animierender, sehr reintöniger Muskatellerduft
Am Gaumen knackig-frisch, dezente Herbe, schöne Frucht. Macht Spaß.
86-88




Mittwoch, 1. April 2020

In bester Frühform

Eigentlich neige ich nicht dazu, sofort nach der Lieferung Kartons mit (zu) jungen Weinen aufzureissen und den Inhalt zu probieren. Es gibt dafür den Ausdruck "Babymord". Den Ausdruck habe ich noch nie gemocht, aber seitdem ich Vater geworden bin, mag ich ihn noch viel weniger.
Im Falle der 2018er Abtserde von Keller hat mich aber eine begeisterte Verkostungsnotiz des Wineterminators auf Facebook so neugierig gemacht, dass ich einfach eine Flasche probieren musste. Die Abtserde ist eine Parzelle (bis 1971 eine eigenständige Lage) innerhalb des Westhofener Brunnenhäuschens mit Böden aus Lehm und Kalkstein (guckstu hier). Seit 2006 produziert das Weingut Keller hier ein Grosses Gewächs, das regelmässig Höchstnoten bekommt (guckstu etwa hier), aber sehr schwer zu bekommen ist. Vom Jahrgang 2018 konnte ich zum Glück einige Flaschen ab Weingut erwerben. Und was soll ich sagen? Das ist grosse Riesling-Kunst.



2018 Keller Westhofener Brunnenhäuschen Abtserde Riesling GG
Sattes Gelb
In der Nase (natürlich) noch ganz am Anfang der Entwicklung, dominante Mineralik, dahinter ein kompakter Fruchtkern mit Noten von Zitrusfrüchten, Orangenschale und Zitronengras
Am Gaumen eine zupackende, fast beissende kalkige Mineralik, enorme Intensität und Komplexität, ein noch nicht aufgefächertes Aromenknäuel, sehr lang.
Das ist ganz grosses Riesling-Kino. Der Wein gibt jetzt einen kurzen Blick frei auf das was er kann, aber "eigentlich" sollte er für besser 10 als 5 Jahre im Keller verschwinden.
95-97+, ab 2025 und ein klarer Fall für meine Riesling Hall of Fame

Sonntag, 29. März 2020

Ein nachträgliches Hoch auf den WM-Sieg

Das waren noch Zeiten. Es gab Fussball, und wie. Anlässlich des deutschen WM-Siegs 2014 bot ein Händler aus dem Saarländischen kurzzeitig 24% Rabatt auf deutsche Rieslinge. Von dem Schock, den dieses Ereignis auslöste, hat sich unser Keller bis heute nicht erholt. Zu den Weinen, die ich damals bestellt habe, gehören drei restsüsse 2013er Rieslinge des Weinguts Schäfer-Fröhlich an der Nahe, ein Kabinett, eine "normale" Spätlese und eine goldverkapselte Spätlese. Von dem Kabinett, einem Ortswein aus Bockenau, hatten wir vorher bereits zwei Flaschen getrunken; bei den beiden Spätlesen (beide aus der Bockenauer Lage Felseneck) war es jeweils die erste von drei Flaschen, die hier unter den Korkenzieher kam.


2013 Schäfer-Fröhlich Bockenauer Riesling Kabinett
Goldgelb
In der Nase mittlere Intensität, reife gelbfruchtige Aromen, dezent rauchig
Auch am Gaumen gelbfruchtig, mit schöner Balance zwischen der Süße und der ausgeprägten Säure, mittlere Länge
86-88, bis 2023

2013 Schäfer-Fröhlich Bockenauer Felseneck Riesling Spätlese
Reifes Goldgelb
Schöne Nase mit reifen gelbfruchtigen Aromen
Am Gaumen wieder gelbfruchtig, schöne Harmonie zwischen Süße und prägnanter Säure, recht lang.
87-89, bis 2023

2013 Schäfer-Fröhlich Bockenauer Felseneck Riesling Spätlese Goldkapsel
Goldgelb
In der Nase recht intensiv, klar konturierte gelbfruchtige Aromen, Quitte
Auch am Gaumen intensiv mit wiederum ausgeprägt gelbfruchtiger Aromatik, auch hier wieder Quitte, etwas Kandis. Die Frucht wirkt etwas säuerlich, was zusammen mit der Restsüße und der Weinsäure einen harmonischen Gesamteindruck ergibt.
Der Wein gefällt mir wegen der konturierteren und präziseren Frucht besser als die "einfache" Spätlese.
89-91, bis 2025+

Fazit: Drei schöne und (naheliegenderweise) sehr ähnlich Weine. Der Unterschied zwischen dem Kabinett und der "einfachen" Spätlese ist gering, die Goldkapsel-Spätlese kann sich wegen ihrer präziseren Frucht etwas von den beiden anderen Weinen absetzen.

Donnerstag, 26. März 2020

Freisa

Diesen Wein gabe es hier schon einmal, im Herbst 2016 (guckstu hier). Damals hatte ich mir aufgrund eines Berichts über eine Freisa-Probe (unter anderem) drei Flaschen 2010er Freisa d'Asti des Weinguts Peyrani gekauft. Der Wein gefiel mir damals schn gut, aber die letzte der drei Flaschen geriet in Vergessenheit. Heute war sie dann aber doch fällig. Und siehe da, der Wein gefiel mir heute noch besser als 2016. Die im Piemont heimische Sorte Freisa hat offensichtlich erhebliches Qalitäts- und Alterungspotential.



2010 Peyrani Freisa d'Asti
Mittleres, kaum gereift wirkendes Rot
Sehr schöne Nase mit intensiv rotfruchtiger Aromatik, Johannisbeere, Sauerkirsche, eine Spur Tabak
Am Gaumen die gleiche Dominanz roter Früchte, vor allem wieder Sauerkirsche, präsentes Tannin und eine lebhafte Säure verleihen dem Wein Struktur und Grip.
Das ist ein ausnehmend schöner und eigenständiger Rotwein, der längst nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen ist.
88-90, bis 2022+

Dienstag, 24. März 2020

M

Heute gab es "wieder mal Spaghetti - Carbonara" (guckstu hier). "Una Coco Cola" wollten wir uns dazu aber nicht antun. Bei der Suche nach einem passenden Weisswein fielen mir die zwei Flaschen von Salweys "M" ein, die noch im Keller schlummern. Das ist ein mit längerer Maischestandzeit (quasi "orange") ausgebauter Grauburgunder aus der GG-Lage Henkenberg, der allerdings als Landwein vermarktet wurde, weil ihm (soweit ich weiss) die amtliche Prüfnummer verweigert wurde. Das mag daran gelegen haben, dass der Wein unfiltriert abgefüllt wurde und daher leicht trüb ist oder am Gerbstoffgehalt aufgrund der längeren Maischestandzeit. Entscheidend is aber natürlich auf'm Platz, nicht auf'm Etikett.



2012 Salwey Grauburgunder "M"
Reifes Goldgelb mit etwas Zwiebelschale
Sehr schöne Nase mit reifen gelben Früchten, Butterscotch
Am Gaumen ausladend, gelbfruchtig und mit viel Schmelz, etwas Gerbstoff, lang. Eine feine Säureader verhindert, dass der Wein breit wirkt.
Das ist von der Art her anders, "fetter" als die jüngeren Grauburgunder von Salwey, aber es ist ein überzeugendes Gesamtpaket. Passte auch hervorragend zu den Spaghetti Carbonara.
89-91, bis 2021


Sonntag, 23. Februar 2020

Der Gegenentwurf

Nach einer umfangreichen Verkostung von 2009er Bordeaux gestern (Bericht folgt) war mir heute nach einem Gegenentwurf zumute. Die 2009er gestern waren von dem sehr warmen Jahrgang geprägt, alkoholreich, mit teilweise pflaumiger Frucht und machnmal auch (zu) starkem Holzeinsatz.
Heute gab es einen Wein aus dem eher schwachen Jahrgang 1997, der zudem von Anfang an darunter litt, dass er zu viel zu hohen Preisen auf den Markt kam. Das heißt nicht, dass es keine ordentlichen Weine gegeben hätte. Einen davon hat Chateau Poujeaux gemacht. Robert Parker bewertete im Wine Advocat den 1997er besser als die Weine der eigentlich höher eingeschätzten Jahrgänge 1995 und 1996. Poujeaux ist der einzige 1997er, den ich seinerzeit in der Subskription gekauft habe. Heute war die letzte Flasche "dran".



1997 Chateau Poujeaux
Mittleres Rot mit verhaltenen orange Reifenoten am Rand
In der Nase schon kurz nach dem Öffnen recht ausgeprägt, Leder, etwas Cassis, eine ganz leichte Minznote
Am Gaumen recht schlank mit einem eher ins rotfruchtige gehenden Geschmackseindruck, wieder etwas Leder und noch recht präsentes Tannin, herbes Finale.
Das ist in der Tat ein Gegenentwurf zu den 2009ern: Kein Charmebolzen, sondern Old-School-Bordeaux, der nicht als Solo-Wein gedacht ist. Und der Wein bestätigt den "Verdacht", dass Poujeaux im schwierigen Bordeaux-Jahr 1997 einen sehr ordentlichen und offensichtlich auch durchaus langlebigen Wein auf die Beine gestellt hat.
87-89, wird bei guter Lagerung durchaus noch das ein oder andere Jahr durchhalten  

Mittwoch, 19. Februar 2020

Auf der Sonnenseite

Napanook ist der Zweitwein des Dominus und wird aus den gleichen Reben (hauptsächlich Cabernet Sauvignon, etwas Cabernet Franc und Petit Verdot) gekeltert. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die Rebzeilen des Weinguts sind nämlich in Ost-West-Richtung ausgerichtet (üblich ist Nord-Süd). Die Ost-West-Ausrichtung führt dazu, dass die Reben eine "Sonnenseite" und eine "Schattenseite" haben, nämlich die Süd- bzw. Nordseite. Das erlaubt eine Selektion nach der Sonneneinstrahlung. Soweit ich weiß werden die Trauben für den Dominus primär auf der kühleren Nordseite, die für den Napanook eher auf der sonnigen Südseite geerntet. Der Preis für den Dominus liegt leider ausserhalb meines Budgets, aber für einen Napanook hat es gereicht.



2016 Dominus Estate "Napanook"
Dunkles Rot mit leichtem Violettschimmer
In der Nase recht intensiv, dunkle Früchte, Cassis, erdige Noten
Am Gaumen intensiv mit etwas alkoholischer Wärme, ein noch nicht aufgefächerter Kern dunkler Fruchtaromen, Zartbitterschokolade, viel reifes Tannin, recht lang
90-92, bis 2025+