Freitag, 19. April 2019

Believe the Hype


Das Weingut Peter Jakob Kühn in Oestrich kenne ich seit vielen Jahren. Der erste Wein, den ich dort vor Ort gekauft habe, war eine (sehr schöne) 1997er Spätlese. Damals war (jedenfalls mir) das Weingut als Erzeuger hervorragender (aber zumindest ab "Auslese" auch ziemlich teurer) edelsüßer Weine ein Begriff. Es folgte die Umstellung auf Biodynamie (seit 2004 ist das Gut zertifiziertes Demeter-Mitglied).

In den letzen Jahren hat das Gut verstärkt durch seine trockenen Weine auf sich aufmerksam gemacht. Ich kenne nicht alle Jahrgänge, erinnere mich aber an sehr schöne Rieslinge aus 2010 und 2013. Ein regelrechter Hype brach dann aus, als die Großen Gewächse des Jahrgangs 2014 vorgestellt wurden. Ich habe mir damals drei Flaschen "Sankt Nikolaus" gekauft und hatte immer vor, mal eine davon zu probieren, um mitreden zu können. Irgendwie ist es dazu aber nie gekommen. Bis heute Abend.

Ich kenne übrigens kein anderes deutsches Weingut, das seine Privatkunden im Internet so zuvorkommend behandelt: Im Onlineshop kann man alle Weine bestellen und ab dem Mindestbestellwert von 30 Euro wird frei Haus geliefert. Meiner letzten Lieferung lag zudem eine Karte mit einem netten handgeschriebenen(!) Text bei. (Und bevor jetzt jemand eine Nachtigall trapsen hört: Nein, ich habe keinerlei Beziehung zum Weingut ausser der, dass ich gelegentlich dort zu den normalen Konditionen Wein kaufe.)






2014 Peter Jakob Kühn Mittelheimer Sankt Nikolaus Riesling GG
Recht dunkles, reif wirkendes Goldgelb
In der Nase intensiv und vielschichtig, Kräuter, kandierte Zitrusfrüchte. Mit mehr Luft treten die Fruchtnoten stärker in den Vordergrund und es ist ein Hauch von Kamille(?) wahrnehmbar. 
Am Gaumen sehr komplex und tiefgründig, straff, ausgeprägte Mineralik trifft auf eine ausgeprägte, aber hervorragend integrierte Säure. Aromatisch dominieren Kräuter und wieder Zitrusfrüchte, feiner Schmelz, sehr lang. Trotz seiner Komplexität und Mineralität wirkt der Wein "warm" und macht nicht satt.
Das ist sicher kein archetypischer Rheingauer Riesling (ich weiß nicht, wo ich den Wein hingesteckt hätte, wenn man ihn mir blind serviert hätte), aber ebenso sicher ist das ein grosser Wein.
95-97, bis 2030 aufgenommen in meine Riesling Hall of Fame

Nachtrag: Im Mai zufällig entdeckt, dass ein österreichischer Händler den Wein noch im Programm hat, bei Abnahme von 6 Flaschen für weniger als 40 Euro frei Haus. Da warens wieder acht :-)

Schon vor einiger Zeit haben wir die erste von ebenfalls drei Flaschen 2013er Doosberg probiert:

2013 Peter Jakob Kühn Oestricher Doosberg Riesling GG
Sehr reife wirkendes Golgelb, das einen deutlich älteren Wein vermuten läßt
In der Nase ausgeprägte Frucht, sehr reintönige Aprikosenfrucht, unterlegt von kräutrigen Noten, dabei in sich ruhend, mit mehr Luft auch Teeblätter. Auf Basis des Geruchs hätte ich hier einen restsüßen Wein erwartet.
Am Gaumen dann aber betont trocken, wieder ausgeprägte Aprikosennote, mit mehr Luft kräutrig, spürbarer Gerbstoff, harmonisches Zusammenspiel aller Komponenten, lang.
Hervorragender, eigenständiger Riesling mit einem quasi meditativen Chrakter.
92-94, bis 2023+

Fazit: Das sind hervorragende und sehr eigenständige Weine. Grosses Kino.



Dienstag, 16. April 2019

Lidl lohnt sich?

Mehr zufällig hatte ich mitbekommen, dass es im Lidl Online-Shop (der durchaus eine Auswahl seriöser Weine im Programm führt) 40% Rabatt auf französische Weine gab. In solchen Fällen wird das Gehirn aus- und der Schnäppchenjägermodus eingeschaltet. Auf der Webseite fand sich 2010er Chateau Lagrange / Saint Julien. Lagrange ist ein Chateau, das ich schätze, 2010 ein sehr guter Jahrgang und 40% Rabatt sind ein starkes Argument. Daher habe ich ein paar Flaschen bestellt.

Die Freude über die Neuerwerbung wurde jedoch kurz darauf getrübt, als in einem Weinforum Berichte darüber auftauchten, die Weine aus der Lidl-Aktion seien schlecht (insbesondere: zu warm) gelagert worden (guckstu hier). Angeblich zeige sich das an vergleichsweise niedrigem Füllstand, durchnässtem Korken und einem für Alter und Jahrgang fortgeschrittenen Entwicklungsstand.

Diese Meldungen riefen den Wissenschaftler in mir auf den Plan - ich wollte es genau wissen. Neben den Lidl-Lagranges haben wir nämlich noch drei Flaschen aus anderer Quelle, die schon einige Zeit in unserem Keller lagern. Also habe ich zwei Flaschen geöffnet, beziehungsweise erst einmal von aussen begutachtet:

Der Lidl-Wein (immer rechts im Bild) ist anders etikettiert, möglicherweise war der Wein für einen Exportmarkt bestimmt und ist dann entweder nie dort hingeliefert worden oder wieder zurückgekommen.



Der Füllstand des Lidl-Weins ist etwas niedriger als der der anderen Flasche. Allerdings habe ich auch von meinen Lidl-Flaschen die mit dem niedrigsten Füllstand rausgesucht.


Einen sehr deutlichen Unterschied sah man beim Korken. Links der (perfekte) Korken der Vergleichsflasche, rechts der Lidl-Korken: Der ist schon recht weit durchfeuchtet. Ausserdem ragte er 1-2 Millimeter aus der Flasche heraus, so dass er am oberen Ende (im Bild ist das das untere Ende) etwas geweitet war.


Was letztlich zählt ist aber natürlich das, was in der Flasche ist. Also:

2010 Chateau Lagrange, Saint-Julien - Lidl
Dunkles Purpurrot ohne Reifenoten
Direkt nach dem Öffnen sehr präsente Nase, dunkle Früchte, Waldboden. Mit mehr Luft gesellt sich eine leicht rauchige Note zu den dunklen Früchten. Am zweiten Tag recht ausgeprägte dunkelfruchtige Nase. Darüber liegt ein schwer definierbarer (metallischer?) Duft, der die Klarheit der Frucht beeinträchtigt.
Am Gaumen ist zwar noch viel (und leicht trocknendes) Tannin spürbar, aber der Wein wirkt durchaus schon zugänglich. Dunkelfruchtig, mittlere Länge.
86-88, bis 2025+

2010 Chateau Lagrange, Saint-Julien - Vergleichsflasche
In der Farbe ähnlich dunkel, aber mit einem ausgeprägteren Violettschimmer
In der Nase deutlich zurückhaltender, dunkelfruchtig, sehr dezente Holznote. Mit mehr Luft wird die Nase intensiver und vielschichtiger, Brombeeren, Kräuter und eine ätherische, frisch wirkende Note.
Auch am zweiten Tag noch vergleichsweise zurückhaltend, aber distinguiert wirkend, Cassis, Brombeeren. Wirkt deutlich transparenter als bei dem anderen Wein. 
Am Gaumen ausgeprägte Cassis-Note, viel reifes Tannin, der Wein wirkt insgesamt noch recht verschlossen, aber auch tiefgründig mit klarem Potential. Am zweiten Tag ein wenig zugänglicher, aber der Wein sollte wohl besser noch ein paar Jahre im Keller verbringen.
Insgesamt verschlossener, aber auch tiefgründiger und eleganter wirkend.
90-92, 2021-2030+


Fazit: Hier hat sich Lidl nicht gelohnt. Der Lidl-Wein ist zwar nicht fehlerhaft, aber weiter entwickelt als die andere Flasche und auch qualitativ nicht auf dem gleichen Niveau. Meine Frau (die nicht wusste, was es mit den beiden Weinen auf sich hat), hat nur gerochen und den Unterschied sofort wahrgenommen.






Donnerstag, 4. April 2019

007 - Lizenz zum Trinken

Von der "Lizenz zum Trinken" der (2)007er Bordeaux habe ich bislang praktisch keinen Gebrauch gemacht. Bis vor kurzem besaß ich exakt eine Flasche aus diesem Jahrgang (Domaine de Chevalier, reserviert für eine Vertikalprobe). Kürzlich habe ich jedoch bei einem Händler eine Restflasche (es war die letzte) des 2007er Chateau Rauzan-Ségla zu einem vergleichsweise günstigen Preis entdeckt und konnte nicht wiederstehen.



2007 Chateau Rauzan-Ségla
Mittleres, etwas gereift wirkendes Rot
In der Nase von mittlerer Intensität, rotfruchtig und durchaus animierend. Am zweiten Tag eher dunkelfruchtig (Heidelbeeren), etwas Fleisch, Kräuter, eher "leise".
Am Gaumen vergleichsweise leichtgewichtig (trotz 13,5% Alkohol), spürbare Holzwürze, präzise Frucht, harmonisch und insgesamt sehr "smooth" wirkend, im Abgang etwas Milchschokolade. Nicht sonderlich lang. Am zweiten Tag ist der Holzeinfluß kaum noch wahrnehmnbar. Eleganter Wein und jetzt in guter Trinkreife. Trinkt sich gut und macht Lust auf das nächste Glas.
88-90, bis 2021

Fazit: Das ist ein schöner Wein aus kleinem Jahr, aber in dieser Preisklasse ("vergleichsweise günstig" heisst hier immer noch knapp über 40 Euro) ist man IMHO besser bedient, wenn man kleinere Weine aus besseren Jahrgängen kauft.


Dienstag, 12. März 2019

Drei Duos ergeben ein Trio

Mehr duch Zufall als durch Absicht haben sich in unserem Keller drei Cuvées aus Weißburgunder und Chardonnay angesammelt. Da diese Rebsorten-Duos alle aus dem gleichen Jahrgang (2017) und aus guten Häusern (Dönnhoff, Johner und Keller) stammten, drängte sich ein Vergleich förmlich auf. Der fand dann gestern und heute statt, und zwar zunächst als Blindprobe. 




2017 Dönnhoff Weißburgunder und Chardonnay "Stückfass"
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase kraftvoll, nussige Noten, etwas Orange, auch eine leicht grün-gemüsige (aber nicht unangenehme Note)
Am Gaumen recht kraftvoller Auftritt, schöne Fruchtnoten, anregende Säure. Macht Spaß.
88 bis 2020+

2017 Keller Weißer Burgunder und Chardonnay
Helles Gelb
In der Nase zunächst vergleichsweise verhalten, frisch, Melone(?). Wird mit Luft kräftiger und entwickelt dann auch nussige Aromen 
Am Gaumen recht schlank, animierende Säure, macht Spaß und gewinnt mit Luft
88

2017 Johner Weißer Burgunder und Chardonnay
Helles bis mittleres Gelb
Ebenfalls eher verhaltene Nase, Heu, eine leichte Orangennote, nicht allzu differenziert
Am Gaumen ebenfalls mit eher zurückhaltender Aromatik. Das zeichnet sich durch schönen Schmelz, aber im Vergleich zu den beiden anderen Weinen auch durch eine gewisse Behäbigkeit aus.
Später dann solo (und offen) getrunken ist das ein schöner Wein, aber eben nicht ganz auf dem Niveau der beiden Konkurrenten.
86 

Fazit: Das sind drei schöne Weine. Der Wein von Johner ist teilweise im Barrique ausgebaut, was ihm einen schönen Schmelz verleiht. Trotzdem gefallen mir die beiden anderen Weine etwas besser, sie wirken etwas verspielter und beschwingter.


Samstag, 2. März 2019

Dreimol Null es Null es Null

Karneval ist ja eher nicht die Zeit für gepflegten Weingenuss, da stehen eher Bier und Hochprozentiges im Vordergrund. Um trotzdem eine Verbindung zwischen Wein und Karneval zu schaffen, habe ich drei Nuller-Weine parallel verkostet. Eine alte kölsche Karnevals-Weisheit besagt nämlich, dreimol Null sei Null sei Null (guckstu und hörstu hier).

Auf "Null" habe ich natürlich nicht gehofft, sondern auf möglichst hoch in den Neunzigern. Die drei Weine auf dem Verkostungstisch waren drei Cru Classés aus Saint Julien, nämlich Saint-Pierre, Branaire Ducru (der seinerzeit noch als Branaire (Duluc-Ducru) bezeichnet wurde) und Lagrange. Ich habe zunächst blind verkostet und dann über zwei Tage offen weiter verkostet.




2000 Chateau Saint-Pierre
Mittleres Rot mit deutlichen orange-braunen Reifenoten
In der Nase zunächst etwas unangenehm, Schweiß. Mit etwas Luft verschwindet die schweißige Note und es bleibt ein etwas gedeckter Duft von dunklen Früchten und Cassis. Mit weiterer Belüftung kommt die Cassisnote immer deutlicher hervor, dann kommt Waldboden hinzu. Am zweiten Tag wirkt die Nase leicht gezehrt, mit Noten von Pilzen und Waldboden.
Am Gaumen recht herb, verhalten dunkelfruchtig, aber gute Struktur, die den Wein durchaus animierend wirken lässt - schöne reife Tannine und eine lebendige Säure. Am zweiten Tag macht sich auch am Gaumen die fortgeschrittene Reife bemerkbar, das Tannin wirkt trocknender. Old-school Bordeaux, der noch gut trinkabar ist (zu einem Steak dürfte das gut passen), den ich aber nicht mehr lange lagern würde.
86-88, bis 2020

2000 Chateau Lagrange
Noch recht dichtes Rot mit ganz leichten bräunlichen Reifetönen
In der Nase sofort sehr präsent, kernig wirkend, dunkle Früchte, Cassis, Zedernholz. Auch am zweiten Tag recht intensiv, Cassis und dunkle Früchte.
Am Gaumen sehr schön, kräftige, maskulin wirkende Frucht, ein feiner Säureschleier und strukturgebende (aber reife) Tannine. Am zweiten Tag kommt eine leichte Teernote hinzu.
Sehr schöner Wein, ebenfalls eher Old-School und mit Potental für weitere Jahre.
89-91 (und klar am oberen Ende dieser Kategorie), bis 2025

2000 Chateau Branaire-Ducru
Mittleres Rot mit leichten Orangenoten
In der Nase verhalten und im ersten Eindruck gezehrt wirkend. Mit mehr Luft wird das intensiver mit Noten von Laub und Gewürzen. Mit noch mehr Luft kommt eine etwas portig wirkende Frucht hinzu, auch etwas Lakritz. Nach etwa drei Stunden dann eher verhalten, aber sehr fein nach dunklen Früchten (Heidelbeeren und Brombeeren) duftend. Am zweiten Tag dann recht unverändert, dunkle Früchte, vor allem Heidelbeeren.
Am Gaumen zunächst wenig Frucht, dafür tertiäre Aromen, herb, etwas trocknendes Tannin. Mit Belüftung zeigt der Wein etwas mehr, aber das leicht trocknende Finale bleibt und trübt das Vergnügen etwas. Am zweiten Tag kommt eine leichte Bitternote im Finale hinzu. Auch hier würde ich nicht mehr allzu lange warten wollen.
86-88, bis 2020

Fazit: Der Lagrange hat hier klar die Nase vorn. Ein kompletter, sehr schöner Bordeaux, der noch einige Jahre vor sich hat. Der Saint-Pierre und der Branaire kommen da nicht mit. Beide Weine sind zwar noch gut trinkbar, aber wohl doch schon etwas über den Zenit. Damit bleibt vor allem der Branaire unter den Erwartungen und Vorschußlorbeeren (94 Punkte von Robert Parker himself und 92 von Neil Martin, jeweils mit der Prognose "bis 2030"). Möglicherweise war diese Flasche (erst kürzlich bei Ebay gekauft) nicht optimal gelagert.

Geschichtsstunde

1975. Helmut Schmidt ist seit nicht einmal einem Jahr Kanzler, der Vietnamkrieg endet, die Roten Khmer übernehmen die Macht in Kambodscha, in Spanien stirbt Franco und Juan Carlos wird zum König proklamiert und die Briten stimmen in einer Volksabstimmung für den Verbleib in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. In diesem Jahr wuchs dieser Wein im Aßmannshäuser Höllenberg. 1975 gilt als sehr guter Jahrgang; die Weine haben mehr Säure als die des nachfolgenden Hitzejahres 1976. Und edelsüße Spätburgunder Weißherbste gelten als Spezialität der hessischen Staatsweingüter. Daher habe ich, vor nun auch schon mehr als 10 Jahren, zwei halbe Flaschen dieses Weines ersteigert und im Keller vergraben. Aus irgendeinem Grund fiel mir wieder ein, dass es die noch gibt, und so habe ich dann die erste Flasche geöffnet. Der Korken war durchnäßt, aber intakt und der Füllstand einwandfrei. Gute Voraussetzungen also für ein schönes Altweinerlebnis.



1975 Hessische Staatsweingüter Aßmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Weißherbst Beerenauslese
An Mahagoni erinnernde braune Farbe
In der Nase intensiv, Rosinen, Trockenfrüchte 
Am Gaumen intensive Süße, die aber durch eine noch präsente Säure nicht aufdringlich wirkt, wieder Aromen von Rosinen und Trockenfrüchten, allerdings nicht sehr diferenziert, lang. Wirkt noch sehr präsent und dürfte bei guter Lagerung noch viele Jahre vor sich haben.
Ich hätte den Wein bei einer Blindprobe sicher nicht als Spätburgunder Weißherbst identifiziert. Insgesamt ein sehr schönes Altweierlebnis.
89-91, bis 2025+ (verkostet im November 2018)


Donnerstag, 28. Februar 2019

Wo ist Becker?

In Margaux gibt es eine ganze Menge klassifizierter Gewächse, an der Spitze natürlich Chateau Margaux, gefolgt von Palmer, Rauzan-Ségla und anderen. Neben diesen (und weiteren, hier nicht genannten) zuverlässigen und bekannten Gütern gibt es aber auch einige eher unbekannte, um nicht zu sagen obskure, Cru Classés in Margaux. Eines davon war (in meiner Wahrnehmung jedenfalls) Chateau Marquis d'Alesme-Becker. 1855 als drittes Gewächs klassifiziert, habe ich doch eher selten etwas davon gehört (und noch nie etwas getrunken).

Das Chateau gehörte bis 2006 der Famile Zuger, der auch Malescot St. Exupery in Margaux gehört. 2006 wurde es an die Familie Perrodo verkauft. Der wiederum gehört auch das Cru Bourgeois Chateau Labegorce, dessen 2014er ich sehr schätze. Ab dem Jahrgang 2009 wurde ein neues Etikett verwendet, auf dem der Name "Becker" nicht mehr erscheint (auf dem Rückenetikett taucht er aber nach wie vor auf). Einen vollständigeren Überblick über die Geschichte des Chateaus gibt es hier.

Die Weine sind, wenn man den Kritikern glauben darf, in letzter Zeit besser geworden. Im Wine Advocate etwa haben die Weine in der Vergangenheit selbst in grossen Jahren wie 2005, 2009 oder 2010 nie die 90-Punkte-Grenze geknackt. Der 2015er hat dagegen (verkostet nach der Abfüllung) 94 Punkte bekommen. Von eben diesem 2015er hatte ich in der Subskription bei einem Händler die letzten zwei Flaschen bestellt. Ich wollte nun wissen, ob ein Nachkauf angebracht ist und habe daher eine Flasche geöffnet.




2015 Chateau Marquis d'Alesme
Sehr dunkles Purpurrot
Der erste Eindruck unmittelbar nach dem Öffnen der Flasche sind intensive Noten roter und violetter Früchte. Die Intensität bleibt, mit ein wenig Luft sind dann Himbeeren identifizierbar. Am zweiten Tag wenig verändert, Himbeeren, etwas Cassis.
Am Gaumen sehr kraftvoll, dunkelfruchtig, eine geballte Ladung sehr reifes Tannin, auch der hohe Alkohol (14,5%) ist durchaus spürbar. Am zweiten Tag weitgehend unverändert.
Einerseits eindrucksvoll, durch den hohen Alkohol fehlt allerdings etwas an Harmonie.
89-91, 2022-2030+ 

Und - wie sieht es jetzt mit dem Nachkauf aus? Ich werde es wohl lassen. Wenn überhaupt, dann würde ich lieber den kürzlich probierten (guckstu hier) und etwa gleich teuren 2015er Chateau Lagrange aus Saint Julien kaufen. Der gefiel mir insgesamt besser und wirkte harmonischer.