Sonntag, 29. Juli 2018

Ein hoffnungsloser Fall?

Wohl weniges in der Welt des Weines hat einen so schlechten Ruf wie die Liebfraumilch. Ursprünglich aus einem eng abgegrenzten Gebiet in Worms stammend und mit einer ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Tradition, wurde "Liebfrau(en)milch" zu einem Synonym für lieblichen (und in jeder Beziehung billigen) deutschen Weißwein aus der untersten Kategorie. Verkauft wurden und werden diese Machwerke vor allem im Ausland, und da vor allem in Supermärkten. Dort tragen sie nachhaltig zur Schädigung des Rufs deutscher Weine bei.

Die Anforderungen an Liebraumilch sind schnell zusammengefaßt: "Liebfrauenmilch oder Liebfraumilch ist ein lieblicher weißer Qualitätswein aus den Anbaugebieten Nahe, Pfalz, Rheingau und Rheinhessen, der mindestens zu 70% von Trauben der Rebsorten Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau oder Kerner hergestellt und von der Geschmacksart dieser Rebsorten bestimmt ist. Die Angabe der Rebsorte und der Name einer kleineren geografischen Einheit als das Anbaugebiet sind nicht zulässig." (https://www.deutscheweine.de/wissen/wein-probieren/typenweine/)

Ich habe noch nie bewußt Liebraumilch getrunke. Dabei wäre es wohl auch geblieben, wenn nicht das Weingut Hammel in der Pfalz vor zwei Jahren den Versuch eines Relaunchs unternommen hätte. Hoffnungslose Sache, sollte man denken. Aber mit Begeisterung betrieben. Die erste Auflage (800 Flaschen) wurde 2016 zur Prowein vorgestellt. Bald waren Mitstreiter zur Stelle (es gibt mittlerweile beispielsweise Liebfraumilch von Lukas Kraus aus der Pfalz und Balthasar Ress aus dem Rheingau, wobei bei letzterer die Trauben allerdings aus Rheinhessen stammen) und seit 2017 gibt es auch die Liebfraumilch Wine Society mit eigenem Facebook-Auftritt.

Das Weingut Hammel hat mittlerweile zwei Versionen der Liebfraumilch im Programm. Die "einfache" Version wird aus Müller-Thurgau, Kerner, Silvaner und Scheurebe gekeltert, hat knapp 20 Gramm Restsüße und 11,5% Alkohol. Sie ist für knapp 6 Euro zu haben.Die Premiumversion "Schwarze Madonna", ausgebaut in großem Holz, besteht aus Riesling, Müller-Thurgau und Scheurebe, hat etwa 20 Gramm Restsüße und ebenfalls 11,5% Alkohol. Sie kostet etwa das Doppelte.

Der Wein des Anstosses

2017 Hammel & Cie. Liebfraumilch
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase von mittlerer Intensität, Noten gelber und exotischer Früchte.
Am Gaumen ein erfrischender Wein mit dezenten exotischen Fruchtnoten, die Süße ist deutlich wahrnehmbar aber unaufdringlich, weil von einer dezenten Säure begleitet. Endet recht kurz.
Das ist (natürlich) kein sonderlich komplexer Wein, aber einer, den man mit Vergnügen trinken kann (und sicher auch eher jung trinken sollte). Schorle-tauglich (ich hab's ausprobiert).
83-85, bis 2019

2016 Hammel & Cie. Liebfraumilch Premium Edition
Mittleres Gelb
In der Nase recht zurückhaltend, dezente gelbfruchtige Noten, der Rieslinganteil in der Cuvee macht sich bemerkbar
Am Gaumen ein sehr angenehmer Wein, wieder dezente Frucht mit erkennbarem Riesling-Touch, die unaufdringliche Süße ergibt ein Geschmacksbild knapp über halbtrocken.
Insgeamt komplexer und länger  als die "Standard Edition" und ein Wein, der wirklich Spaß macht.
86-88, bis 2020+


Fazit: So lasse ich mir Liebfraumilch gefallen

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