Donnerstag, 22. April 2021

Der Wunderwein

Während der Primeurkampagne des Jahrgangs 2018 wurde ein Wein von den professionellen Verkostern ganz hoch gehandelt. Chateau Laroque, ein Grand Cru Classé aus Saint Emilion wurde mit Punkten bis hinauf zu 95-97 (Lisa Perotti-Brown im Wine Advocate) bedacht. Dabei war der Wein für unter 25 Euro zu haben. Das wäre ein veritables Schnäppchen, wenn der Wein denn wirklich so gut ist, wie die Bewertungen es suggerieren. Nun, ich habe die Probe aufs Exempel gemacht und ein paar Flaschen gekauft. Gestern und heute war dann Stunde der Wahrheit.

 

 

2018 Chateau Laroque 

Sehr dunkle Farbe mit opakem Kern und Violettschimmer
In der Nase intensiv, florale Noten, dezente Vanillenote vom Barriqueausbau, Rauch, dunkle Früchte, Orangen 
Am Gaumen kraftvoller, gaumenauskleidender Auftakt, dunkelfruchtig, viel reifes und dadurch unaufdringlich wirkendes Tannin. Nach dem Auftakt erwartete ich spürbare Fruchtsüße, aber der Wein ist betont herb, langer Nachhall. Mit (dem sehr warmen Jahr geschuldeten) 14,5% Alkohol ist das kein Leichtgewicht, aber der Alkohol ist hervorragend verpackt. Klares Entwicklungspotential.

91-93+, bis 2035+ 

 

Fazit: Auch wenn ich mit meiner Bewertung etwas unter den "Vorgaben" bleibe: Das ist ein ausgezeichneter Wein mit sehr gutem Preis-Leistungsverhältnis. Mit etwas Suchen ist er derzeit noch für Preise um 30 Euro zu bekommen

Donnerstag, 8. April 2021

Hopeless Case

Am letzten Wochenende haben wir eine vergessene 12er-Holzkiste endlich geöffnet, die ich 2003 gemeinsam mit meinem Vater in Subskription gekauft habe. 2002 Château Haut-Bages Libéral, kostete seinerzeit 16 Euro. Nun ist 2002 sicher einer der kleineren Jahrgänge des Jahrzehnts und Château Haut-Bages Libéral ist auch nicht der hellste Stern am Bordeaux-Firmament. Daher waren meine Erwartungen eher gedämpft. Soweit die Theorie. Die Praxis sah dann durchaus erfreulich aus.

 


 

2002 Château Haut-Bages Libéral 

Mittleres Rot mit leichten Reifenoten am Rand
In der Nase mittlere Intensität, dunkle Früchte, etwas Cassis, erdige Noten
Am Gaumen durchaus kraftvoll, wieder dunkelfruchtig, leicht trocknendes Tannin. Baut auch nach einem Tag in der geöffneten Flasche nicht ab.
Wirkt zwar etwas rustikal, ist aber (insbesondere auch angesichts von Jahrgang und Herkunft) überraschend gut und mit Freude trinkbar. Bei guter Lagerung sicher noch Potential für einige Jahre. 

88-90, bis 2025

 

Donnerstag, 25. März 2021

Durch die Blume

Natürlich weiß ich "im Prinzip", dass man an der Loire hervorragende Süßweine macht. Nur trinke ich die sehr selten. In unserem Keller dominieren Riesling und eine (deutlich kleinere) Auswahl an Sauternes. Kürzlich habe ich aus Neugier eine Flasche Montlouis "Les Lys" von Francois Chidaine gekauft. Grund dafür war erstens die Tatsache, dass mit 2009 ein gereifter Jahrgang verfügbar war und zweitens die sehr positive Bewertung im Wine Advocate (95-96+).

Der "Les Lys" ist eine Pazellenselektion, die nicht in jedem Jahr hergestellt wird. Tatsächlich war 2009 anscheinend der (bislang?) letzte Jahrgang, in dem es sie gab. Der Wein stammt aus biodynamischer Bewirtschaftung, hat 103 g/L Restzucker und trägt stolz die königlichen Lilien auf dem Etikett. Zu Recht.

 

 

2009 Francois Chidaine Montlouis "Les Lys"

Kräftiges Goldgelb mit leichter Tendenz zu Orange
In der Nase ebenso ausgeprägt und tiefgründig wie animierend, da ist zunächst etwas Honig, gefolgt von Kräuternoten und gelben Früchten (Quitte, Aprikose)
Am Gaumen sehr süßer Antrunk, dann kleidet die Frucht den Gaumen aus, gelbe Früchte und Quitte mit einer herben Note, die zusammen mit der Säure einen gelungenen Kontrapunkt zu der Süße setzt. Das Ganze wird umrahmt von einer unauffällig-präsenten Mineralik. Sehr lang.
Großartiger edelsüßer Wein 

94-96, bis 2030+

Fazit: Wunderbarer Süßwein, der mit seinem Alkoholgehalt von 11,5% zwischen den meisten deutschen Süßweinen einerseits und Sauternes & Co andererseits steht - sich dort aber nun wirklich nicht verstecken muß.

Samstag, 20. März 2021

Heatwave

Wer alt genug ist, wird sich an den Sommer 2003 mit seinen Rekordtemperaturen erinnern. Die Weine des Jahrgangs wurden ob des heißen Wetters mit vielen Vorschußlorbeeren versehen. Allerdings haben sie dieses Versprechen oft nicht einhalten können. Viele Weine des Jahrgangs haben mich enttäuscht, so dass ich um die Restbestände im Keller meistens einen großen Bogen gemacht habe. Gestern hatte ich aber Lust auf etwas Süßes zum Nachtisch und habe ganz bewußt zu einem 2003er gegriffen.

 


2003 Dönnhoff Oberhäuser Brücke Riesling Auslese 

Reifes Goldgelb
In der Nase intensiv mit Noten von frischen und getrockneten Aprikosen und Nüssen, etwas Honig , schwarze Teeblätter
Am Gaumen ausgeprägte Süße, aber auch viel Frucht (wieder Aprikose), sehr lang. Hält seine Form über drei Tage in der geöffneten Flasche.
Sehr schöne Auslese aus heißem Jahr, die (bei guter Lagerung) noch lange Freude machen wird.

90-92, bis 2030

Fazit: Sehr schöne Auslese. Gut, dass ich bislang einen Bogen darum gemacht habe, sonst hätte ich jetzt nichts mehr davon im Keller

Die Mosel sieht doch besser Riesling

Kürzlich war hier die Rede (oder eigentlich ja die Schreibe) von Spätburgunder von der Mosel (guckstu hier). Die Weine waren gut, aber es stellt sich (mir jedenfalls) trotzdem die Frage, ob man mit Riesling an der Mosel nicht besser fährt. Gestern und heute kamen drei trockene 2019er des Weinguts Fritz Haag ins Glas und punkteten pro Riesling. Unter den Weinen befand sich der im Wine Advocate mit 94(!) Punkten geadelte trockene Gutsriesling und ausserdem der Brauneberger Ortsriesling "J" und das Grosse Gewächs aus der Juffer-Sonnenuhr. 



 

2019 Fritz Haag Riesling

Schöne, ausgeprägte und frische Rieslingnase mit deutlich mineralischer Prägung, gelbfruchtig (Pfirsisch)
Auch am Gaumen mineralisch geprägt, lebhafte Säure, gelbfruchtige Aromatik, sehr klar und transparent, gute Länge 

87-89, bis 2025


2019 Fritz Haag Brauneberger Riesling "J"

In der Nase recht ausgeprägt, gelbfruchtig, etwas süße Ananas
Am Gaumen noch etwas verschlossen, herb, gelbfruchtig-kräutrige Aromatik, präsente, aber gut integrierte Säure, recht kraftvolles Finale 

89-91, bis 2025+


2019 Fritz Haag Brauneberger Juffer- Sonnenuhr Riesling GG

In der Nase etwas rauchig, komplex, ausgeprägt gelbfruchtig, tief
Baut am Gaumen viel Druck auf, wieder gelbfruchtige Armomatik, sehr präzise, ausgeprägte und salzig wirkende Mineralik. Sehr nachhaltig und lang.
Schöner Wein mit großem Potential. 

92-94, bis 2030+ 


Fazit: Das sind drei in ihrer jeweiligen Klasse hervorragende Rieslinge. Der Gutsriesling bietet in seiner Kategorie (und damit ist ausdrücklich auch die Preiskategorie gemeint - der Wein kostet knapp 10 Euro) ungewöhnlich viel. Die 94 Punkte im Wine Advocat sind dabei möglicherweise eher belastend, denn sie wecken meiner Meinung nach Erwartungen, die der Wein weder erfüllen kann noch (vermutlich) will. Der Ortswein (€ 15,50) legt da nochmal eine Schippe drauf. Das Große Gewächs macht seinem Namen alle Ehre und ist ein hervorragender Riesling mit großem Potential. 

Das Weingut Fritz Haag spielt IMHO in der Champions League des Rieslings, und entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Weine. Schön zu sehen, dass diese hohen Erwartungen dann (anscheinend mühelos) erfüllt werden.

 

 


Freitag, 19. März 2021

So trinkt der Gaucho

Argentinische Weine kommen bei uns nicht sehr oft ins Glas. Vor einiger Zeit habe ich ein paar Flaschen des Altos las Hormigas (s.u.) erstanden, eines Malbec aus Gualtallarey. Da der Wein mir sehr gut gefiel, habe ich mir drei weitere argentinische Malbecs gekauft, um einen etwas besseren Eindruck zu bekommen.

 


 

2018 Zuccardi Malbec San Pablo Poligonos, Valle de Uco

Sehr dunkles, jugendliches Violettrot 
In der Nase recht intensiv, dunkle Früchte, leicht likörig wirkend, nicht sehr differenziert
Kraftvoller Gaumenauftritt, aber eine recht ausgeprägte Säure hält den Wein in der Spur. Wieder dunkelfruchtige Aromatik, das Tannin ist reif und bleibt im Hintergrund. Ein durchaus schöner, aber doch auch etwas beliebig wirkender Wein. 

86-88+, bis 2025+ 


2017 Gen del Alma Malbec "Crua Chan Gualta"

Recht dunkles Purpurrot
Recht ausgeprägter Duft, dunkle Früchte und eine kräutrige Note, die für Frische sorgt
Kommt am Gaumen üppig daher, mit kraftvoller, dabei leicht säuerlich wirkender Frucht. Viel reifes und nur ganz leicht trocknendes Tannin, gute Länge, Potential. Legt in der geöffneten Flasche über Tage zu.
89-91+, bis 2026+


2015 Trapiche Terroir Series Malbec "Finca Coletto", Mendoza

Sehr dunkles, jugendlich wirkendes Rot mit Purpurrand
In der Nase dunkle Früche (Holunder?), vanillige Würze vom Holz, das Ganze aber sehr ausgewogen wirkend und mit einer gewissen Komplexität
Am Gaumen vollmundig ohne überladen zu wirken, wieder Noten von dunklen Früchten, spürbarer, aber sehr gut dosierter Holzeinsatz, schöne Säure, zugänglich 
Das ist ein sehr guter, modern vinifizierter Wein, der ein recht breites Geschmacksprofil ansprechen dürfte. 

91-93, bis 2030


2017 Altas Las Hormigas

Sehr dunkles, ins Violette spielendes Rot
In der Nase ausgeprägte Noten nach dunklen Früchten (Brombeeren) mit einem leicht säuerlich-herben Fruchteindruck, der Frische verleiht
Am Gaumen recht viel reifes Tannin, dahinter wieder dunkelfruchtig, frische Säureader, nachhaltig und lang.
Insgesamt sehr gut proportionierter Wein mit Potential. Dürfte mit zwei bis drei Jahren Lagerung noch zulegen. Sehr schön.

92-94, bis 2030 


Fazit:

Der Poligonos ist angesichts seines Preises von über 30 Euro eine Enttäuschung. Der Crua Chan Gualta ist ein schöner Wein mit klarem Potential und sein Geld (knapp 30 Euro) eindeutig wert. Der Wein von Trapiche ist sehr gut. Wenn man ihm etwas vorwerfen will dann, dass er nicht sonderlich individuell ist, sondern eher ein crowd pleaser. Aber ein Wein ist ja nicht deshalb schlecht, weil er vielen schmeckt.  Die Bewertung im Wine Spectator (88 Punkte, bis 2022) finde ich im übrigen doch etwas zu niedrig. Der Altos Las Hormigas gefällt mir aus der Serie am besten, da er der meiner Ansicht nach individuellste und charaktervollste Wein ist. Die im Wine Advocat vergebenen 96+ würde ich allerdings nicht unterschreiben. 

Insgesamt eine Serie schöner Weine mit (vom Poligonos einmal abgesehen) gutem Preis-Leistungsverhältnis.

Sonntag, 28. Februar 2021

Eine Entdeckung aus den Abruzzen

Auf der Suche nach etwas ganz anderem bin ich zufällig auf diesen Wein gestossen und habe aus Neugier eine Flasche bestellt. Er stammt aus den Abruzzen und wird aus der authochtonen Rebsorte Pecorino gekeltert, die außer in Italien anscheinend nur noch in Peru angebaut wird (guckstu hier). Ein Glücksgriff, denn das ist ein wirklich guter und eigenständiger Wein.

 


 

2018 De Fermo Pecorino Colline Pescaresi "Don Carlino"

Kräftiges Goldgelb
In der Nase recht intensiv, primär mit Kräuteraromen, Hefe, etwas Apfelschale
Spannende Textur am Gaumen, griffiger Gerbstoff, gut integrierte Säure, salziges Mundgefühl, ganz dezenter Schmelz (Holzausbau?). Aromatisch auch hier wieder kräutrig, ohne wahrnehmbare Fruchtnoten. Gute Länge.
Das ist ein ausgesprochen spannender Wein, bei dem (so vermute ich) mit längerer Maischestandzeit gearbeitet wurde. Das passt hier hervorragend und ergibt einen ebenso interessanten wie "trinkigen" Wein. Wie lange das lagerfähig ist, vermag ich nicht zu sagen, aber ein paar Jahre sollten da sicher noch "drin" sein.

90-92, bis 2025?