Montag, 31. Oktober 2022

Eine Sensation?

Im Oktoberheft von Vinum gab es einen grossen Bericht über Chablis. Aus der Reihe der dort vorgestellten Weine erregte einer meine besondere Aufmerksamkeit, der 2020er Premier Cru "Fourchaume" von Nathalie und Gilles Fèvre. Von diesem Haus (das man nicht mit dem sehr viel grösseren und bekannteren Haus William Fèvre verwechsaeln sollte), hatte ich noch nie etwas gehört. Die Beschreibung hatte es aber in sich: "... erreicht das Niveau eines Grand Cru. ... Eine echte Sensation!" 

Nach kurzem Gugeln fand sich ein Händler, der nicht nur den 2020er, sondern auch den 2018er und 2019er (letztere in probierfreundlichen halben Flaschen) führte.


 

2018 Nathalie & Gilles Fèvre Chablis Premier Cru Fourchaume 

Mittelgelb
In der Nase von mittlerer Intensität, weniger Zitrus als mehr gelbfruchtige Aromen,
Am Gaumen schlank mit wenig Frucht, präsente, aber unaufdringliche Mineralik, pikantes, mittellanges Finale 

88-90+, wird wohl noch etwas zulegen, bis 2030 

 

2019 Nathalie & Gilles Fèvre Chablis Premier Cru Fourchaume

Mittleres Gelb mit Goldschimmer
In der Nase recht zurückhaltend, reintönig, nussig, dezente Zitrusnoten, die aber mit mehr Luft (und etwas höherer Temperatur) deutlich intensiver werden
Am Gaumen eher schlank, mineralisch mit gut integrierter, pikanter Säure und schönem Schmelz, lang.
Derzeit wenig Frucht, aber nachhaltig mit sehr schöner Struktur und Länge. Da dürfte mit weiterer Lagerung noch mehr kommen. 

89-91+, sollte wohl eher noch zwei bis drei Jahre im Keller ruhen, dann sicher bis 2030


2020 Nathalie & Gilles Fèvre Chablis Premier Cru Fourchaume 

Mittelgelb
In der Nase zunächst verhalten mit nussigen Noten. Mit mehr Luft auch dezent gelbfruchtig. Die Frucht wirkt am zweiten Tag deutlich präsenter.
Der Gaumen wird sofort von unaufdringlich-gelbfruchtigen Aromen ausgekleidet. Sie werden begleitet von einer lebhaften reifen Säure und einer unaufdringlich-präsenten Mineralik. Am zweiten Tag tritt die Mineralik etwas stärker in den Vordergrund. Sehr nachhaltig und endet lang und pikant. Macht Lust auf den nächsten Schluck.
Der Wein läßt sich schon sehr gut trinken, wird aber mit weiterer Lagerung sicher noch zulegen. Das ist richtig gut und legt auf die (ja nicht schlechten) 2018er und 2019er eine ordentliche Schippe drauf. 

92-94, idealerweise wohl 2025-2030+

Fazit: Sehr schöne Chablis, vor allem natürlich der 2020er. Als "Sensation" würde ich den nicht bezeichnen, aber als ganz hervorragenden Chardonnay, der zudem ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis aufweist - ich habe unter 30 Euro bezahlt. Von der Art her sind die Weine charmanter und weniger bissig-mineralisch als die Weine des Chateau de Béru (guckstu hier).

 

Samstag, 29. Oktober 2022

Nomen est omen

Vor ein paar Monaten bekam ich zwei Flaschen Chateau Montus Cuvée Prestige geschenkt. Sie befanden sich als kostenlose Beigabe bei einer Sendung von vier Flaschen Bordeaux, die ich bei Ebay ersteigert hatte. Es handelte sich um einen 1995er und einen 1997er. Die passten prima zum 1996er, den ich selber noch im Keller hatte - gekauft vor langen Jahren in einer Phase, in der es um die Weine von Alain Brumont (Chateau Bouscassé und eben Chateau Montus) einen kleinen Hype gab.

Der Montus wird aus der Rebsorte Tannat gekeltert, aus der - wie der Name bereits andeutet - sehr tanninreiche und langlebige Rotweine  erzeugt werden. Daher hatte ich mir auch um die Trinkbarkeit der drei Oldies wenig Sorgen gemacht.

 


 

1997 Chateau Montus Cuvée Prestige 

Mittleres bis dunkles Rot mit leichten Reifenoten
Herb wirkender Duft nach dunklen Früchten, ganz dezent (und nicht unangenehm) Pferdestall und überlagert von einer floralen Note (Veilchen?). Am zweiten Tag wirkt das etwas karger mit einer prägnanten Kräuternote. 
Am Gaumen immer noch ein ganzer Teppich von (leicht trocknendem) Tannin, daneben dunkle Früchte und eine belebende Säure, recht lang. Auch hier am zweiten Tag  Kräuter.
Spannender Wein, der durchaus gewisse Ähnlichkeiten zu Old-School Bordeaux aufweist. In seiner Jugend muss das ein regelrechtes Tannin-Monster gewesen sein. 

87-89, hat bei guter Lagerung Reserven bis Ende des Jahrzehnts 


1996 Chateau Montus Cuvée Prestige 

Mittleres Rot mit recht deutlichen Reifenoten
Auch hier Duft nach dunklen Früchten, Cassis, wirkt eine Spur generöser und auch nachhaltiger als beim 1997er. Am zweiten Tag kommen Trockenkräuter hinzu.
Auch hier noch massive Tanninpräsenz am Gaumen, das Tannin dabei wieder leicht trocknend. Daneben konzentrierte dunkle Frucht, recht langes, leicht salziges Finale. Am zweiten Tag wiederum Kräuternoten.
Man könnte fast den Eindruck gewinnen, der Wein brauche noch Zeit... 

88-90, sicher noch Reserven für fünf und mehr Jahre


1995 Chateau Montus Cuvée Prestige 

Mittlere bis dunkles Rot mit nur ganz leichten Reifenoten
In der Nase viel und recht kompakt und konzentriert wirkende dunkle Frucht, etwas Jod, auch wieder etwas Pferdestall, komplexer und tiefgründiger als bei den bei den anderen Weinen
Wieder viel Tannin, das aber etwas reifer und weniger trocknend wirkt als bei den anderen Weinen, konzentriert wirkende und herbe dunkle Frucht, lang
Für meinen Geschmack der beste der drei Weine 

90-92, ebenfalls Potential bis sicher Ende des Jahrzehnts 


Fazit: Die Rebsorte Tannat macht ihrem Namen alle Ehre. Drei gute und spannende Weine, die auch nach 25 Jahren noch mit massiven Tanninen aufwarten und nach einem Steak als Begleitung verlangen. Der 1995er kann am meisten Frucht gegen das Tannin setzen und ist IMHO der klar beste Wein der Serie.





Sonntag, 16. Oktober 2022

Riesling by the glass

Kürzlich las ich über einen Test, bei dem mehrere Weine aus jeweils verschiedenen Gläsern verkostet wurden. Die Probanden trugen blickdichte Brillen und unförmige Gummihandschuhe, damit sie die Gläser weder sehen noch "erfühlen" konnten. Auf dem Prüfstand standen 10 verschiedene Gläser, darunter auch das von mir gern benutzte Gabriel Gold-Glas und das Zalto Universal, das ich ebenfalls gerne mag. Den Vergleichstest gewonnen hat allerdings ein Glas von Riedel (das Veloce Riesling), das insofern ein "Pirat" war, als es das einzige Maschinenglas unter mundgeblasenen Gläsern war. Da es zudem (jedenfalls im Vergleich zu den anderen Gläsern) nicht sehr teuer ist, habe ich mir zwei davon gekauft und habe es einem Vergleichstest unterzogen (allerdings ohne Brille und Handschuh). Konkurrenten waren das Gabriel Gold (siehe Bild) und das Zalto Burgunderglas, das ich sehr gerne verwende, um wirklich gute trockene Rieslinge zu trinken. Ein Wein musste auch noch in die Gläser, und im Kühlschrank fand sich ein 2015er Pfälzer Riesling.

 



 

2015 Reichsrat von Buhl Deidesheimer Mäushöhle Riesling

Gabriel Gold

Goldgelb
In der Nase von mittlerer Intensität, animierende Noten von gelben Früchten (Pfirsisch und Aprikose, aber auch exotische Früchte wie Ananas)
Wirkt am Gaumen zunächst säurebetont, dann spielt sich die Frucht in den Vordergrund: gelbfruchtig, saftig, mittlere Länge, kompromisslos trocken
Das ist Riesling für Fortgeschritene und definitiv kein Crowd Pleaser

 

Riedel Velocity Riesling 

Goldgelb
Wirkt in der Nase etwas intensiver, auch hier primär gelbfruchtig mit vielleicht etwas stärkerer Betonung der exotischen Früchte (Mango, Ananas), leicht rauchig
Der Gaumeneindruck ist sehr ähnlich, auch hier zunächst viel Säure und dann zunehmend gelbe Frucht, vielleicht ein klein wenig fokussierter wirkend als im Gabriel-Glas 


Zalto Burgund 

Goldgelb
In der Nase etwas inensiver wirkend als aus den beiden anderen Gläsern, mineralisch unterlegte gelbe Frucht, die mir hier wieder etwas weniger exotisch erscheint, zudem meinte ich, eine sehr dezente rotfruchtige Note wahrzunehmen
Der Gaumeneindruck ist zunächst ähnlich, aber die Säure steht länger im Vordergrund und wirkt ausgeprägter 

 

Gesamtbewertung:
86-88, hat noch Reserven für einige Jahre


Fazit: Ich kann Unterschiede zwischen den Gläsern erkennen, aber die sind nicht dramatisch. Das Nasenbild gefällt mir tatsächlich im Zalto Burgund am besten, und daher werde ich Große Gewächse und Rieslinge vergleichbarer Qualität wohl weiter aus diesem Glas trinken. Es scheint allerdings auch die Säure am Gaumen etwas stärker zu betonen. Das Riedel Veloce Riesling gefällt mir sehr gut, vielleicht sogar ein klein wenig besser als das Gabriel Gold. Da es zudem etwas preiswerter ist, macht man mit dem Kauf bestimmt nichts falsch. Dass das Riesel Veloce ein Maschinenglas ist, merkt man ihm im übrigen nicht an. Es wirkt leicht und filigran.


Sonntag, 9. Oktober 2022

Bordeaux 2003 (Teil 2)

Im Frühjahr gab es hier einen Post mit einer Verkostung von eingen 2003er Bordeaux. Hier folgt nun der angekündigte zweite Teil, bei dem auch der seinerzeit "auf dem falschen Fuß" erwische Giscours noch einmal in die Gläser kam, daneben Sociando-Mallet aus dem Haut-Médoc und das Pärchen Langoa-Barton und Leoville-Barton aus Saint-Julien. 

Bemerkenswert ist, dass trotz des sehr heissen Jahres die Alkoholwerte (zumindest die auf dem Etikett angegebenen) bei allen vier Weinen bei moderaten 13% liegen.

 


2003 Chateau Giscours 

Noch recht dunkles Rot mit deutlichen Reifenoten am Rand
Nach Belüftung sehr schöner und präsenter Duft nach dunklen Früchnte, Leder und Gewürzen
Zeigt am Gaumen schöne Intensität, ausgeprägte Frucht mit Noten sowohl dunkler als auch roter (Himbeere) Früchte.  Präsente, etwas körnig wirkende Tannine geben dem Wein Struktur. Das Tannin ist allerdings merklich trocknend. Mittellanger Abgang. 

90-92, bei guter Lagerung hat der Wein noch ein paar Jahre vor sich, wird aber sicher nicht mehr besser 

Bei der Nachverkostung am nächsten Tag leider nur noch ein Schatten seiner selbst; der Wein hat extrem stark abgebaut und macht keine Freude mehr.  


2003 Chateau Sociando-Mallet 

Dunkles Rot mit leichten Reifenoten am Rand
Unmittelbar nach dem Öffnen schöner und überraschend jugendlich wirkender Duft nach vor allem dunklen Früchten (Brombeere, Cassis).
Am Gaumen ist die Frucht etwas weniger ausgeprägt und wird ergänzt durch eine schokoladig-holzwürzige Note. Das ganze wirkt kompakt, so, als ob der Wein noch gar nicht voll entfaltet wäre. Noch viel reifes, nur leicht trocknendes Tannin.
Dem Wein merkt man weder seine fast 20 Jahre noch den extrem heißen Jahrgnag an. Starker Auftritt. 

91-93, dürfte bei guter Lagerung das nächste Jahrzehnt noch in guter Verfassung erreichen

Bei der Nachverkostung am zweiten Tag etwas schwächer, baut aber bei weitem nicht so dramatisch ab wie der Giscours


2003 Chateau Langoa-Barton 

Recht dunkles Rot mit Reifenoten am Rand
In der Nase recht ausgeprägt und gut entwickelt, dunkle und rote Früchte (Cassis, Himbeere), florale Noten, Milchschokolade
Auch am Gaumen gut entfaltet, fleischig mit viel dunkler Frucht, ein Hauch Tabak. Noch präsentes, leicht trocknendes Tannin, recht langes, salziges Finale
Schöner Saint Julien, der aber wohl jetzt auf dem Höhepunkt ist und nicht mehr zu lange gelagert werden sollte 

90-92, in den nächsten Jahren trinken

2003 Chateau Leoville-Barton

Recht dunkles Rot mit leichten Reifetönen
Duftet direkt nach dem Öffnen noch etwas monolithisch nach dunklen Früchten (Cassis). Mit etwas Luft wird das tiefer und vielschichtiger und sehr fein; nach wie vor Cassis, aber auch Brombeeren, Holzkohle und eine dezent florale Note. Am zweiten Tag wirkt der Duft reifer und ähnlicher dem des Langoa-Barton
Am Gaumen sehr konzentriert, noch nicht voll entfaltete Frucht. Noch sehr präsentes Tannin und deutliche Mineralik. Lang. Am zweiten Tag auch am Gaumen reifer wirkend, generös, sehr lang, mit feiner (Extrakt)Süße und langem Abgang. 
Hervoragender Wein, der am ersten Tag den Eindruck machte, eigentlich noch gar nicht bei seiner optimalen Trinkreife angekommen zu sein. 

93-95, bei guter Lagerung sicher bis 2040 


Fazit: Im Vergleich zur ersten Verkostung hat der Giscours sich etwas rehabilitiert. Das ist ein sehr guter Bordeaux mit präsenter Frucht. Die trocknenden Tannine stehen einer besseren Bewertung dann aber doch im Weg. Die sehr schlechte Performance am zweiten Tag floss nicht mit in die Bewertung ein, ist aber ebenso bedenklich wie ungewöhnlich. Der Sociando-Mallet ist dem Giscours qualitativ leicht überlegen und dürfte zudem klar der langlebigere Wein sein. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Sociando-Mallet, obschon kein Grand Cru Classé, seinerzeit in der Subskription soger etwas teurer war als der Giscours. Zu Recht, wie ich jetzt weiß. Der Langoa-Barton (über dessen Subsktiptionspreis ich nichts weiss, weil ich den Wein erst viel später gekauft habe) ist qualitativ auf vergleichbarem Niveau, aber weiter entwickelt und macht jetzt viel Spaß. Der "grosse Bruder" Leoville-Barton legt qualitativ noch eine gute Schippe drauf, ist weniger weit entwickelt und voraussichtlich langlebiger.

Sonntag, 18. September 2022

Vier Pfälzer und ein Franke (Riesling 2014 Teil 2)

Kürzlich begegnete mir im Keller eine Kiste mit der Aufschrift "Pfalz GG 2014". Aus der Begegnung erwuchs der spontane Entschluß, die mal zu probieren - mit nur einer Ausnahme war das nämlich jeweils die erste Flasche, die ich davon geöffnet habe. Im Kühlschrank lag noch ein fränkischer 2014er, den habe ich dann mit einbezogen. 

Ausserdem habe ich beschlossen, eine Serie daraus zu machen. Nach dem Überblick über 2014er Rieslinge von der Mosel (guckstu hier) werden noch Nahe, Rheingau und Rheinhessen folgen.

 


 

2014 Horst Sauer Escherndorf Am Lumpen 1655 Riesling GG

Reifes Goldgelb
Recht ausladender Duft nach gelben Früchten (Pfirsisch), einem Hauch Kokos und auch exotischen Fruchtnoten (Mango?) 
Das setzt sich am Gaumen fort mit einer etwas ins Barocke gehenden Stilistik, wieder gelbe Früchte mit exotischen Einschlag. Wirkt insgesamt sauber, aber auch (auf hohem Niveau) etwas behäbig mit nicht ganz perfekt integrierter Säure und einer ganz dezenten (und (noch) nicht unangenehmen) Bitternote im recht langen Finale. Auch nach einer ganzen Woche in der geöffneten Flasche noch in guter Verfassung. 

88-90, sollte m.E. in den nächsten zwei bis drei Jahren getrunken werden


2014 Ökonomierat Rebholz Siebeldinger im Sonnenschein Ganz Horn Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Mittelkräftiger und reif wirkender Duft nach tropischen Früchten; Mango, Ananas; mit mehr Luft auch Teeblätter. Nach drei Tagen deutliche Aprikosennoten. 
Am Gaumen eher verhalten, wiederum reife und eher exotische Frucht, die von einer kräftigen Säure begleitet wird, mittellanger Abgang. Angenehm niedrig im Alkohol (12%).
Das ist sauber und stimmig, aber doch etwas unterhalb dessen, was ich mir von einem GG der gehobenen Preisklasse (38 Euro in 2015) erwarte. 

87-89, solte m.E. recht bald getrnken werden


2014 Reichsrat von Buhl Forster Jesuitengarten Riesling GG 

Einmal mehr reifes Goldgelb
In der Nase zunächst verhalten, überraschend frisch wirkend, Zitrus, etwas Wachs. Mit mehr Luft etwas intensiver und mit exotischen Fruchtnoten
Am Gaumen praktisch fruchtfrei (etwas Zitrus vielleicht), aber mit großartiger Struktur: Druckvoll und mit hervorragend integrierter Säure. Sehr langes und ausgeprägt salzig-mineralisches Finale mit minutenlangem Nachhall. Die 13,5% Alkohol sind nicht spürbar.

90-92, jetzt und in den nächsten drei bis fünf Jahren 


2014 von Winning Forster Ungeheuer Riesling GG

Goldgelb
In der Nase auch nach Belüftung recht verhalten, kandierte Zitrusfrucht, etwas süßer Apfel
Am Gaumen wenig Frucht, dafür schöner Schmelz und sehr gut integrierte Säure, recht langer Abgang
Ich vermute, dass der Wein in seiner Jugend eine deutliche Holzprägung hatte. Das Holz ist jetzt sehr gut integriert. Insgesamt schöner, präziser Riesling. 

89-91, zunächst hatte ich auch an "Trinken in drei bis fünf Jahren" gedacht, aber nach zwei Tagen in der offenen Flasche hatte der Wein stark abgebaut - vielleicht sollte man sich doch etwas damit beeilen. 


2014 Christmann Königsbacher Idig Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Recht intensiver Duft nach gelben, auch exotischen Früchten (Mango), Petrol
Am Gaumen schön gereift, schöner Schmelz, wieder gelbfruchtig und mit feiner, den Wein marmorierender Säure, langer, mineralisch unterlegter Abgang.

91-93, jetzt in schöner Trinkreife; würde ich in den nächsten drei bis fünf Jahren trinken


Fazit: Im Vergleich zum "Lumpen" ist der Ganz Horn zurückhaltender, dafür ist die Säure besser integriert. Trotzdem sehe ich den Lumpen knapp vorne. Interessant ist, dass der Wein mir nach einer Woche in der geöffneten Flasche fast besser gefällt, als am ersten Tag. Der Jesuitengarten ist "a different animal". Der Wein lebt von seiner Struktur, das aber ganz hervorragend. Leider zeigt der Wein in der Nase weniger als am Gaumen, was einer noch höheren Bewertung entgegensteht. Das ist bei von Winnings Ungeheuer ähnlich, auch da ist der Duft verhalten, der Wein am Gaumen aber sehr schön. Allerdings fehlt ihm die packende Mineralik des Jesuitengartens und er läßt nach zwei Tagen in der geöffneten Flasche sehr stark nach. Der Idig ist der insgesamt für mich beste Wein. Zwar hat auch er nicht die packende Mineralik des Jesuitengartens, kann das aber durch den sehr schönen Duft, die präzise Frucht und die gut eingebundene Säure mehr als kompensieren. 


Nachtrag: Im Mai und Juni 2023 habe ich dann diese beiden hier noch im Keller wiederentdeckt und probiert: 

2014 Daniel Aßmuth Dürkheimer Fuchsmantel Riesling Alte Reben 

Goldgelb
Duft zunächst verhalten, nach etwas Belüftung reife gelbe Früchte, auch etwas nasser Kieselstein
Am Gaumen mineralisch, gelbe Früchte und rote Beeren, betont herb und trotzdem saftig, lang.
Starker Auftritt; bräuchte sich im Konzert der Pfälzer Großen Gewächse des Jahrgangs nicht zu verstecken. Mit seinerzeit €13,90 unter Wert verkauft. 

88-90, hat noch Reserven für sicher weitere drei bis fünf Jahre


2014 von Winning Ruppertsberger Reiterpfad Riesling

Nach etwas Belüftung schöner und recht kraftvoller Duft nach süßen gelben Früchten
Am Gaumen dann ebenfalls gelbfruchtig, auch etwas kandierte Zitrusfrucht, aber insgesamt etwas diffus wirkend. Gewisser Süßeeindruck, herbe Note im Finale. 

84-86, würde ich in den nächsten zwei bis drei Jahren trinken


Nach-Nachtrag: Im Herbst habe ich im Rahmen eines Pakets eine Flasche 2014er Kalmit von Kranz gekauft, einem Wein, den ich aus anderen Jahrgängen kenne und schätze (guckstu hier):  

 

2014 Kranz Ilbesheimer Kalmit Riesling GG

Reifes Goldgelb 
Recht ausgeprägter und ausladender Duft nach exotischen Früchten (reife Ananas) und einem Hauch Karamell
Das setzt sich am Gaumen fort: Ausladend mit ausgeprägter Frucht, recht langes und leicht salziges Finale, endet auf eine dezente Bitternote
Das erinnert mich stilistisch eher an den Escherndorfer Lump als an die anderen Pfälzer Rieslinge

90-92, bald trinken

Samstag, 10. September 2022

Hundert

Nun ist es also passiert. Ein trockener deutscher Riesling ist im Wine Advocate mit 100 Punkten ausgezeichnet worden. Obwohl der Wine Advocate viel von seinem Nimbus eingebüsst hat, seit Robert Parker nicht mehr selbst verkostet und das Unternehmen von Michelin übernommen wurde, ist er (in meiner Wahrnehmung zumindest) doch noch diejenige Publikation, die insgesamt die grösste Aufmerksamkeit auf sich zieht. 100 "Parker-Punkte" (die natürlich gar keine Parker-Punkte mehr sind, aber von Händlern weiter gerne so bezeichnet werden) sind ein Wort.

Tatsächlich ist es gar nicht das erste Mal, dass ein trockener deutscher Riesling 100 Punkte erhält. Bereits voriges Jahr wurde der 2019er G-Max des Weinguts Keller mit der Höchstnote ausgezeichnet. Der G-Max ist aber ab Weingut nur in der streng limitierten "Keller-Kiste" erhältlich, und wer ihn am Sekundärmarkt kaufen will, muss einen vierstelligen Betrag hinlegen. So ein Wein kann 100 Punkte bekommen, ohne dass das grosses Aufsehen erregt oder viel Widerspruch herausfordert. Jetzt aber das 2021er Dellchen von Dönnhoff. Dieser Wein ist (bzw.: war) mit 54 Euro ab Weingut nicht direkt billig, aber doch in einer Preisklasse, die für viele Weinfreunde erschwinglich ist. Also ging der Run sofort los und der Wein war binnen kürzester Zeit überall ausverkauft (oder vielleich auch nur ausgelistet, um dann irgendwann mit einem dreistelligen Preis wieder im Angebot zu sein). Was auch sofort losging, war die Diskussion. Einige freuten sich einfach, dass ein trockener deutscher Riesling mit 100 Punkten geadelt und damit quasi in den Weinolymp aufgenommen wurde. Andere verwiesen auf die "Punkteinflation". Tatsächlich ist die Zahl der Weine, die von professionellen Verkostern mit sehr hohen Punktzahlen bedacht werden, in den letzten Jahren deutlich angestiegen. 

Am Ende geht Probieren über Studieren, und da wir in der glücklichen Lage sind, ein paar Flaschen des 2021er Dellchens zu besitzen, haben wir eine aufgemacht und (über vier Tage aus Burgundergläsern) geprüft.

 


2021 Dönnhoff Norheimer Dellchen Riesling GG 

Kräftiges Strohgelb
Zwar noch etwas monolithisch wirkender, aber intensiver und sehr reintöniger Duft mit deutlich wahrnehmbaren Noten von Zitrus und gelben Früchten (Pfirsisch), daneben auch Gewürznoten (Kurkuma?). Mit etwas mehr Luft kommen frische Pflaumen hinzu.  Der Duft wird intensiver und bekommt eine strahlende Anmutung. Am zweiten und dritten Tag weitgehend unverändert; ich bildete mir ein, einen Hauch Kokos wahrgenommen zu haben.
Am Gaumen wirkt der Wein noch sehr unfertig. Er baut sofort Druck am Gaumen auf, die Frucht ist aber noch nicht entfaltet. Hervorragend intrgrierte reife Säure, unaufdringlich-präsente Mineralik, sehr langes Finale. Am zweiten und dritten Tag sind klare gelbfruchtige Noten wahrnehmbar.
Ohne Zweifel ein großer Riesling, der, wenn man ihm Zeit und Luft gibt, jetzt schon andeutet, was er kann, der aber eigentlich noch reifen muss. Und ausserdem ein klarer Fall für meine Riesling Hall of Fame

95-97, die restlichen Flaschen sollten noch drei bis fünf Jahre im Keller ruhen und werden danach bis weit ins nächste Jahrzehnt Freude bereiten.



Freitag, 2. September 2022

Zweimal Beaujolais

Wir brauchten einen Wein zum Kochen, für ein Schmorgericht. Da er wenig Tannin haben sollte, fiel meine Wahl auf einen Beaujolais, den 2018er Fleurie vom Clos de la Roilette. 

Zum Essen sind wir dann bei Beaujolais geblieben, allerdings ein paar Jahre zurückgegangen. Den 2009er Clos de Rochegrès hatte ich 2014 bei einer Beaujolais-Probe (wo er der für mich beste Wein war) kennengelernt und danach sechs Flaschen gekauft.


 

2018 Clos de la Roilette Fleurie

Recht dunkles Rot mit leichtem Violettschimmer
Schöner Duft mit Noten von Veilchenpastillen und Kirschen
Am Gaumen schöner, fruchbetonter und lebhafter Wein mit zurückhaltendem, dezent stützendem Tannin
Das ist ein schöner, wenn auch irgendwie harmloser Wein, der für seinen moderaten Preis (ca. 14 Euro) einen guten Gegenwert bietet. Bewertungen von 94 Punkten wie im Wine Advocate kann ich allerdings nicht nachvollziehen.

86-88, sollte m.E. in den nächsten zwei bis drei Jahren getrunken werden


2009 Chateau des Jacques Clos Rochegrès Moulin-à-Vent

Dunkles Rot mit bräunlichen Reifenoten
Recht intensiver und komplexer Duft mit Schwarzkirsche, einer an Fleisch oder Blut erinnernden Note, die an Syrahs von der Nordrhone erinnert, und einem mentholartigen Oberton
Sehr kraftvoller Gaumenauftakt, das ist ein schwer zu entwirrendes Aromengeflecht, in dem auf jeden Fall Kirsche und Trockenkräuter eine Rolle spielen, stützendes Tannin und etwas Säure geben dem Wein ein gutes Gerüst, im recht langen Finale wiederum eine mentholartige Note, die einen frischen Eindruck hinterläßt
Das ist ein bemerkenswert guter Wein, komplex und durchaus mit Potential für weitere Jahre Lagerung. Und ich habe keine Ahnung, wo ich das einsortiert hätte, wenn man mir das blind vorgesetzt hätte. 

92-94, bis 2025+


Was haben wir hier gelernt?
Erstens, traue keinen Bewertungen ausser Deinen eigenen. Der Clos de la Roilette ist ein schöner Wein, der für seinen Preis einen guten Gegenwert bietet. Aber 94 Punkte? Nie im Leben.
Zweitens, Beaujolais kann komplex und Beaujolais kann reifen. Der Clos Rochegrès ist ein hervorragender Rotwein, der auch nach 13 Jahren noch nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen ist. Für 25 Euro (aktuelle Jahrgänge eher um 30) bekommt man hier einen hervorragenden Rotwein.