Samstag, 10. September 2022

Hundert

Nun ist es also passiert. Ein trockener deutscher Riesling ist im Wine Advocate mit 100 Punkten ausgezeichnet worden. Obwohl der Wine Advocate viel von seinem Nimbus eingebüsst hat, seit Robert Parker nicht mehr selbst verkostet und das Unternehmen von Michelin übernommen wurde, ist er (in meiner Wahrnehmung zumindest) doch noch diejenige Publikation, die insgesamt die grösste Aufmerksamkeit auf sich zieht. 100 "Parker-Punkte" (die natürlich gar keine Parker-Punkte mehr sind, aber von Händlern weiter gerne so bezeichnet werden) sind ein Wort.

Tatsächlich ist es gar nicht das erste Mal, dass ein trockener deutscher Riesling 100 Punkte erhält. Bereits voriges Jahr wurde der 2019er G-Max des Weinguts Keller mit der Höchstnote ausgezeichnet. Der G-Max ist aber ab Weingut nur in der streng limitierten "Keller-Kiste" erhältlich, und wer ihn am Sekundärmarkt kaufen will, muss einen vierstelligen Betrag hinlegen. So ein Wein kann 100 Punkte bekommen, ohne dass das grosses Aufsehen erregt oder viel Widerspruch herausfordert. Jetzt aber das 2021er Dellchen von Dönnhoff. Dieser Wein ist (bzw.: war) mit 54 Euro ab Weingut nicht direkt billig, aber doch in einer Preisklasse, die für viele Weinfreunde erschwinglich ist. Also ging der Run sofort los und der Wein war binnen kürzester Zeit überall ausverkauft (oder vielleich auch nur ausgelistet, um dann irgendwann mit einem dreistelligen Preis wieder im Angebot zu sein). Was auch sofort losging, war die Diskussion. Einige freuten sich einfach, dass ein trockener deutscher Riesling mit 100 Punkten geadelt und damit quasi in den Weinolymp aufgenommen wurde. Andere verwiesen auf die "Punkteinflation". Tatsächlich ist die Zahl der Weine, die von professionellen Verkostern mit sehr hohen Punktzahlen bedacht werden, in den letzten Jahren deutlich angestiegen. 

Am Ende geht Probieren über Studieren, und da wir in der glücklichen Lage sind, ein paar Flaschen des 2021er Dellchens zu besitzen, haben wir eine aufgemacht und (über vier Tage aus Burgundergläsern) geprüft.

 


2021 Dönnhoff Norheimer Dellchen Riesling GG 

Kräftiges Strohgelb
Zwar noch etwas monolithisch wirkender, aber intensiver und sehr reintöniger Duft mit deutlich wahrnehmbaren Noten von Zitrus und gelben Früchten (Pfirsisch), daneben auch Gewürznoten (Kurkuma?). Mit etwas mehr Luft kommen frische Pflaumen hinzu.  Der Duft wird intensiver und bekommt eine strahlende Anmutung. Am zweiten und dritten Tag weitgehend unverändert; ich bildete mir ein, einen Hauch Kokos wahrgenommen zu haben.
Am Gaumen wirkt der Wein noch sehr unfertig. Er baut sofort Druck am Gaumen auf, die Frucht ist aber noch nicht entfaltet. Hervorragend intrgrierte reife Säure, unaufdringlich-präsente Mineralik, sehr langes Finale. Am zweiten und dritten Tag sind klare gelbfruchtige Noten wahrnehmbar.
Ohne Zweifel ein großer Riesling, der, wenn man ihm Zeit und Luft gibt, jetzt schon andeutet, was er kann, der aber eigentlich noch reifen muss. Und ausserdem ein klarer Fall für meine Riesling Hall of Fame

95-97, die restlichen Flaschen sollten noch drei bis fünf Jahre im Keller ruhen und werden danach bis weit ins nächste Jahrzehnt Freude bereiten.



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