Sonntag, 26. August 2018

Back to the Roots

Der erste wirklich gute deutsche Spätburgunder, an den ich mich erinnere, war eine 1989er Ihringer Winklerberg Spätlese*** von Dr. Heger. Gekauft 1991 für 40 DM. Das war damals ein Haufen Geld, nicht nur absolut, sondern auch relativ zu anderen Weinen: Für den im gleichen Jahr subskribierten 1990er Chateau Montrose habe ich etwas weniger bezahlt. Wie dem auch sei, der Wein war wirklich gut. Trotzdem habe ich in den nachfolgenden Jahren, obschon mir die Weine hie und da begegnet sind, kaum noch Rotweine von Dr. Heger gekauft. Auf einer Veranstaltung im März ("Grosse Winzer Grosse Weine") habe ich dann das 2010er Ihringer Winklerberg GG probieren können. Der Wein hat mir hervorragend gefallen, deutlich besser etwa, als der daneben probierte 2012er. Ich habe mich danach auf die Suche nach dem 2010er gemacht und bin tatsächlich bei einem bayerischen Autotuner fündig geworden. Heute war die erste Flasche "dran".




2010 Dr. Heger Ihringer Winklerberg Spätburgunder GG
Mittleres Rot mit erkennbaren Reifenoten
In der Nase recht intensiv, Noten roter Früchte (Erdbeere) werden überlagert von kräutrigen und würzigen Noten. Darüber liegt eine dezente ätherische Note (ein Hauch Eukalyptus?).
Kraftvoller Auftritt am Gaumen, rotfruchtig, eine dezente Säure und reife Tannine verleihen dem Wein eine tolle Struktur und eine wiederum ätherische Note verleiht ihm Frische. Dadurch wirkt der Wein insgesamt kühl und elegant. Im Abgang dezent schokoladig. Das Holz ist jetzt perfekt integriert und nicht mehr isoliert wahrnehmbar, lang. Jetzt in hervorragender Trinkreife.
92-94, bis 2023

Fazit: Ein hervorragender Spätburgunder und würdiger Nachfolger für den 1989er.

Freitag, 24. August 2018

Gegen Windmühlen...

... kämpft oft, wer sich für Beaujolais einsetzt. Das ist jetzt zwar übertrieben, aber so einen richtig tollen Ruf hat Beaujolais definitiv nicht. Der Meinung war ich auch lange, habe aber in letzter Zeit dazugelernt. Dazu beigetragen hat eine sehr gelungene Beaujolais-Probe vor einem knappen Jahr (guckstu hier). Danach habe ich mit von einigen der dort verkosteten Weine ein paar Flaschen besorgt. Heute kam die erste davon auf den Prüfstand. Der "einfache" Moulin à Vent der Domaine Richard Rottiers hatte seinerzeit voll überzeugt und "liefert" auch mit einem Jahr Abstand.





2015 Domaine Richard Rottiers Moulin à Vent
Kräftiges Rot mit deutlich violettem Einschlag
In der Nase ausgeprägter und recht komplexer Duft mit Noten von Veilchen und Kirsche. Mit mehr Luft setzen sich die Kirschen stärker durch und es kommt ein Hauch Marzipan hinzu.
Kraftvoller Auftritt am Gaumen, noch spürbares Tannin und eine deutliche Säure geben Struktur, viel Kirschfrucht kleidet den ganzen Gaumen aus, mittlere Länge.
Sehr guter Wein mit weiterem Reifepotential.
89-91, bis 2025

Fazit: Ein Wein, der sich hervorragend dazu eignen dürfte, Vorurteile gegen Beaujolais abzubauen. Zudem mit einem Preis diesseits von 20 € ein guter Wert, der auch die Neugier auf die beiden höherwertigen (oder zumindest etwas höherpreisigen) Weine der Domäne, "Dernier Souffre" und "Champ de Cour", weckt.

Donnerstag, 9. August 2018

Das Un-Wort

Es gibt ein neues Un-Wort. Trinkfluss heißt es, und Jens Priewe hat es hier geprägt (oder gebrandmarkt, das passt wohl besser). Tatsächlich wird das Wort zunehmend häufig gebraucht, und zwar sowohl bei dem Versuch, die Eindrücke beim Trinken eines Weines zu beschreiben, als auch beim Versuch, Wein gewinnbringend zu verkaufen. Der Nutzung des Begriffs in der ersten dieser Verwendungen habe ich mich auch mehrfach schuldig gemacht, wie regelmäßige Leser dieses Blogs (gibt es die?) wissen.

Jens Priewe stößt sich offenbar daran, dass sich der Begriff Trinkfluss nicht gut definieren läßt, und dass er für alle möglichen Arten von Wein verwendet wird. Und dass er, obschon eigentlich positiv besetzt, auf viele Spitzenweine nicht zutrifft. Hohen Trinkfluß haben "bra­ve Spass­wei­ne wie die von Emil Bau­er, Chris­toph Ham­mel und ihrer Nach­ah­mer". Und weiter: "Wein­chen, die sich easy trin­ken las­sen, die jeder ver­steht, die man not­falls auch mit Eis­wür­feln küh­len kann, die selbst Bier­trin­ker lecker fin­den. Stoff für Wein­fu­na­ti­ker, von denen ernst­haf­te Wein­gie­ßer nicht ein­mal ein ein­zi­ges Glas run­ter­krie­gen wür­den."

Sehen wir mal davon ab, dass ich nicht weiß, was "ernsthafte Weingießer" sind (das steht da wirklich so; wahrscheinlich sind das die Menschen, die Wein aus Flaschen in Gläser befördern) und nehmen an, dass das "Weingenießer" heissen soll. Dann habe ich jetzt gelernt, dass ich kein Weing(en)ießer bin, denn ich habe tatsächlich mehr als ein einziges Glas der "braven Spaßweine" von Christoph Hammel getrunken. Und zwar mit Genuß, guckstu hier. Und Trinkfluß hatten die auch.

Was mir an dem Beitrag von Jens Priewe mißfällt ist weniger seine Ablehnung eines von mir und anderen gerne verwendeten Begriffs als vielmehr die Attitüde, die da zum Ausdruck kommt. "[B]rave Spassweine ...  von denen ernst­haf­te Wein­g[en]ie­ßer nicht ein­mal ein ein­zi­ges Glas run­ter­krie­gen wür­den". Wer hochwertige und entsprechend teure Weine trinkt, darf nicht gleichzeitig Spaß an einfachen, handwerklich sauberen Weinen haben. Wer im Drei-Sterne-Restaurant isst, darf nicht gleichzeitig die Pizza beim Italiener um die Ecke mögen. Das kann man natürlich so sehen, aber meine Sicht der Dinge ist es nicht.

Aber zurück zum Trinkfluss. Gut definieren kann ich den Begriff auch nicht. Er steht für mich für einen Wein, der mir unmittelbar Lust auf den nächsten Schluck und das nächste Glas macht. Der nicht "satt" macht. Bei dem die Chance gering ist, dass am nächsten Morgen noch etwas in der Flasche ist. An Parametern wie Alkoholgehalt, Restzuchergehalt oder Säure kann man das nur bedingt festmachen. In der Fachliteratur meines Berufsstands gibt es das Bonmot "liquidity, like pornography, is easily recognized but not so easily defind" (O'Hara 1997, S. 215). Zwar ist da mit "Liquidity" etwas ganz anderes gemeint als Trinkfluss, aber die Aussage passt. Ob ein Wein Trinkfluss hat, merkt man, wenn man ihn trinkt. So wie bei diesem Wein hier und heute. Und ich werde mir weiterhin das Recht herausnehmen, das dann auch zu sagen bzw. zu schreiben. Ernsthafter Weingießer bin ich ja ohnehin nicht und werde ich wohl auch nicht mehr.




2009 Willi Schäfer Graacher Domprobst Riesling Kabinett
Reifes Goldgelb
In der Nase ausgeprägte Schiefermineralik, reifer Apfel
Am Gaumen perfekte Kombination aus Reife, Süße und animierender Säure. Bei aller Leichtigkeit nachhaltig und lang. Jetzt in hervorragender Trinkreife, die er sicher noch fünf und mehr Jahre halten wird.
Ach ja: Trinkfluss hat er auch. Und zwar sowas von.
89-91, bis 2023+


Mein erster Blogbeitrag mit Literaturverzeichnis:

O'Hara, M. (1997): Market Microstructure Theory, Wiley.






Mittwoch, 8. August 2018

Bad Boy

Heute zufällig am Weinregal von Hofer aka Aldi vorbeigegangen. Nein, zufällig eigentlich nicht. Ich hatte gelesen, dass Hofer/Aldi derzeit einen Orange-Wein vertreibt, und obwohl ich davon eigentlich kein grosser Fan bin, wollte ich den probieren. Gab es aber nicht. Statt dessen fiel mein Blick auf das Etikett des "Bad Boy". Das kam mir bekannt vor. In der Tat ist dieser Wein, eine Negociant-Abfüllung von Thunevin SAS (derselbe Thunevin, dem Chateau Valandraud gehört - und mit diesem Garagenwein-Image kokettiert auch das Etikett des Bad Boy) durchaus bekannt und wird (obwohl keine Erzeuger-Abfüllung) üblicherweise im Fachhandel vertrieben und auch von den "üblichen Verdächtigen" wie dem Wine Advocat regelmäßig bewertet. 

Im Fachhandel ist diese Merlot-dominierte Bordeaux-Cuvée zu Preisen um 16,50 € zu haben. Da konnte ich diese Flasche zu 11,49 € nicht stehenlassen (zumal es die letzte war). So kam ich denn zu meinem ersten Aldi-Wein seit vielen, vielen Jahren.



2014 "Bad Boy" Bordeaux AC, Thunevin SAS 
Kräftiges, noch jugendlich wirkendes Purpurrot
In der Nase recht ausgeprägte Noten von roten und schwarzen Früchten,Süßkirsche, Heidelbeere, etwas Schokolade
Auch am Gaumen recht ausgeprägte Frucht, etwas Teer, genug Tannin, um dem Wein Grip zu geben. Not on the shy side. Im Finale leicht bitter und von mittlerer Länge. 
86-88, bis 2020 

Fazit: Ein schöner kleiner Bordeaux, der sein Geld wert ist, Hofer/Aldi hin oder her.

Sonntag, 29. Juli 2018

Ein hoffnungsloser Fall?

Wohl weniges in der Welt des Weines hat einen so schlechten Ruf wie die Liebfraumilch. Ursprünglich aus einem eng abgegrenzten Gebiet in Worms stammend und mit einer ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Tradition, wurde "Liebfrau(en)milch" zu einem Synonym für lieblichen (und in jeder Beziehung billigen) deutschen Weißwein aus der untersten Kategorie. Verkauft wurden und werden diese Machwerke vor allem im Ausland, und da vor allem in Supermärkten. Dort tragen sie nachhaltig zur Schädigung des Rufs deutscher Weine bei.

Die Anforderungen an Liebraumilch sind schnell zusammengefaßt: "Liebfrauenmilch oder Liebfraumilch ist ein lieblicher weißer Qualitätswein aus den Anbaugebieten Nahe, Pfalz, Rheingau und Rheinhessen, der mindestens zu 70% von Trauben der Rebsorten Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau oder Kerner hergestellt und von der Geschmacksart dieser Rebsorten bestimmt ist. Die Angabe der Rebsorte und der Name einer kleineren geografischen Einheit als das Anbaugebiet sind nicht zulässig." (https://www.deutscheweine.de/wissen/wein-probieren/typenweine/)

Ich habe noch nie bewußt Liebraumilch getrunke. Dabei wäre es wohl auch geblieben, wenn nicht das Weingut Hammel in der Pfalz vor zwei Jahren den Versuch eines Relaunchs unternommen hätte. Hoffnungslose Sache, sollte man denken. Aber mit Begeisterung betrieben. Die erste Auflage (800 Flaschen) wurde 2016 zur Prowein vorgestellt. Bald waren Mitstreiter zur Stelle (es gibt mittlerweile beispielsweise Liebfraumilch von Lukas Kraus aus der Pfalz und Balthasar Ress aus dem Rheingau, wobei bei letzterer die Trauben allerdings aus Rheinhessen stammen) und seit 2017 gibt es auch die Liebfraumilch Wine Society mit eigenem Facebook-Auftritt.

Das Weingut Hammel hat mittlerweile zwei Versionen der Liebfraumilch im Programm. Die "einfache" Version wird aus Müller-Thurgau, Kerner, Silvaner und Scheurebe gekeltert, hat knapp 20 Gramm Restsüße und 11,5% Alkohol. Sie ist für knapp 6 Euro zu haben.Die Premiumversion "Schwarze Madonna", ausgebaut in großem Holz, besteht aus Riesling, Müller-Thurgau und Scheurebe, hat etwa 20 Gramm Restsüße und ebenfalls 11,5% Alkohol. Sie kostet etwa das Doppelte.

Der Wein des Anstosses

2017 Hammel & Cie. Liebfraumilch
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase von mittlerer Intensität, Noten gelber und exotischer Früchte.
Am Gaumen ein erfrischender Wein mit dezenten exotischen Fruchtnoten, die Süße ist deutlich wahrnehmbar aber unaufdringlich, weil von einer dezenten Säure begleitet. Endet recht kurz.
Das ist (natürlich) kein sonderlich komplexer Wein, aber einer, den man mit Vergnügen trinken kann (und sicher auch eher jung trinken sollte). Schorle-tauglich (ich hab's ausprobiert).
83-85, bis 2019

2016 Hammel & Cie. Liebfraumilch Premium Edition
Mittleres Gelb
In der Nase recht zurückhaltend, dezente gelbfruchtige Noten, der Rieslinganteil in der Cuvee macht sich bemerkbar
Am Gaumen ein sehr angenehmer Wein, wieder dezente Frucht mit erkennbarem Riesling-Touch, die unaufdringliche Süße ergibt ein Geschmacksbild knapp über halbtrocken.
Insgeamt komplexer und länger  als die "Standard Edition" und ein Wein, der wirklich Spaß macht.
86-88, bis 2020+


Fazit: So lasse ich mir Liebfraumilch gefallen

Sonntag, 15. Juli 2018

Verbrannte Erde

In letzter Zeit gefallen mir die Rotweine der nördlichen Rhone sehr gut. Kürzlich habe ich bei Ebay diesen Wein hier ersteigert. Von dem Weingut hatte ich noch nie vorher etwas gehört, aber das hat nichts zu sagen, da ich mich in der Region nicht wirklich auskenne. Mittlerweise weiß ich, dass die Domaine Lionnet ein kleines (4 Hektar), traditionsreiches (auf der Web-Seite heisst es "seit 1575")  und bio-zertifiziertes Weingut mit Besitz in Cornas und Saint Joseph ist. Und dass sie sehr gute Weine macht. Der "Terre Brûlée" hat mir ausserodentlich gut gefallen, und wenn der Ebay-Preis (etwas 30 €) repräsentativ ist, ist er auch fair bepreist. Ausgebaut wurde er übrigens in großen, gebrauchten Holzfässern. In der Tat sind keinerlei Holznoten wahrnehmbar.



2015 Domaine Lionnet Cornas "Terre Brûlée" 
Sehr dunkle, deutlich ins Violette gehende Farbe
In der Nase intensiv und vielschichtig, dabei sehr charmant wirkend, Himbeeren, Kirschen, Gewürznoten
Am Gaumen tiefgründig, viel sehr reifes Tannin gepaart mit saftiger Frucht, erst im langen Abgang wird das Tannin etwas trocknend, schöne Frucht
Das ist richtig gut, macht jetzt schon Spaß und hat trotzdem Potential für viele Jahre
92-94, bis 2028+

Samstag, 7. Juli 2018

KabiNETT

Ein guter restsüßer Riesling Kabinett ist etwas richtig feines.Vorausgesetzt es ist ein richtiger Kabinett (und nicht eine verkappte Spät- oder gar Auslese) ist das im Idealfall ein wunderbar leichter Wein, bei dem die Süße nicht aufdringlich wirkt, weil sie von der Säure in Schach gehalten wird. Man kann das wunderbar solo trinken. Es gibt zwar auch in anderen Anbaugebieten hervorragende restsüße Kabinettweine (guckstu zum Beispiel hier), aber die eigentliche Hochburg des Kabinetts ist doch die Mosel (nebst Saar und Ruwer, versteht sich). Heute gab es einen prototypischen Mosel-Kabinett von einem der Shooting-Stars des Anbaugebiets, Julian Haart aus Piesport.





2014 Julian Haart Wintricher Ohligsberg Riesling Kabinett
Mittleres Gelb
In der Nase recht ausgeprägt, enorm animierend, Stachelbeeren, Kräuter, ein Hauch Limette
Auch am Gaumen Kräuter und Stachelbeeren, ich hätte den Wein in einer Blindprobe vermutlich an der Ruwer verortet. Tolle Harmonie zwischen dezenter Süße und Säure, unverschämter Trinkfluß. Das ist ein prototypischer Mosel-Kabinett, leicht (7,5% Alkohol), delikat und erfrischend. Die Phrase "klar wie ein Gebirgsbach" ist ziemlich abgedroschen, aber hier paßt sie.
89-91, bis 2025+ (aber warum warten?)

Fazit: Ich könnte drin baden. Die Punkte geben den Trinkspaß nicht ansatzweise wieder, man kann einfach nicht aufhören.