Sonntag, 28. April 2019

Warum in die Ferne schweifen?

„Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so Nahe"
(frei nach Goethe, "Erinnerung")

Am Samstag haben wir in vertrauter Runde 14 Rieslinge von der Nahe verkostet - 11 trockene und drei restsüße Weine. Die ersten zehn Weine wurden jeweils paarweise serviert. Die nachfolgenden Notizen stammen von der Nachprobe am folgenden Tag.



Los ging es mit zwei Einstiegs-Rieslingen:

2017 Jakob Schneider Riesling Grauschiefer
Mittleres Gelb
In der Nase recht zurückhaltender, reintöniger Duft nach gelben Steinfrüchten (Aprikose, Pfirsisch)
Am Gaumen ebenfalls gelbfruchtig, spritzige Säure, schön.
85-87

2017 Dönnhoff Riesling Tonschiefer
Mittleres Gelb
In der Nase etwas ausgeprägter, ebenfalls deutlich gelbfruchtig, vor allem Pfirsisch
Am Gaumen etwas voluminöser und nachhaltiger als der Grauschiefer, sehr klare gelbfruchtige Aromatik, lebhafte Säure.
87-89

Das geht gut los. Zwei sehr schöne Rieslinge. Der "Grauschiefer" bietet ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis (7,20 ab Hof). Der "Tonschiefer" ist nachhaltiger, etwas länger und vermutlich auch länger lagerfähig, aber auch ein Stück teurer.


Danach ging es "steil nach oben" - zwei Weine aus der Niederhäuser Hermannshöhle:

2017 Jakob Schneider Niederhäuser Hermannshöhle Riesling Magnus
Sattes Mittelgelb
In der Nase noch recht verschlossen, aber mit erkennbarer Tiefe. Mineralisches Fundament, gelbfruchtig, aber auch Orangen, prägnante Säure, sehr animierend
Am Gaumen viel Volumen, nachhaltig, tief, mineralisch unterlegte Gelbfrüchte, lang
90-92

2017 Dönnhoff Niederhäuser Hermannshöhle Riesling GG
Kräftiges Mittelgelb, aber etwas heller als der Magnus
Im Duft vor allem mineralisch geprägt, dahinter angedeutete gelbfruchtige Aromen, die mit mehr Luft intensiver werden, tief
Am Gaumen wirkt das abgrundtief, prägende Mineralik, dabei von grosser Klarheit. Perfekt integrierte Säure, sehr lang. Braucht Zeit.
95-97 aufgenommen in meine Riesling Hall of Fame

Der Magnus ist ein toller Riesling, der in der GG-Liga locker mitspielen kann. Für 19,50 bekommt man hier ganz viel Wein. Dönnhoffs Hermannshöhle spielt aber eine Liga höher, das ist "Riesling ganz oben". Ich bin froh, beide Weine im Keller zu haben.


Die nächsten Weine stammten aus dem Jahr 2013. Zunächst zweimal Monzinger Frühlingsplätzchen:

2013 Schäfer-Fröhlich Monzinger Frühlingspätzchen Riesling GG
Reifes Goldgelb
In der Nase intensiv, ausladend, reif wirkend, Noten von Apfel, etwas Zitrus, mit mehr Luft auch Erdbeeren(?)
Auch am Gaumen eine volle Breitseite, reifer Apfel, prägnante Säure, schöner Schmelz.
89-91

2013 Emrich-Schönleber Monzinger Frühlingspätzchen Riesling GG
Ebenfalls Goldgelb
In der Nase zurückhaltender, aber auch feiner, ausgeprägte Mineralik, süßer Apfel, reif
Am Gaumen sehr elegant, kräftige, aber gut eingebundene Säure, mineralisch, etwas Apfel, lang
91-93

Schäfer-Fröhlich kommt mit dem Säbel, Emrich-Schönleber mit dem Florett. Beides schöne Weine, aber der filigranere Stil gewinnt hier


Danach, ebenfalls aus 2013, zweimal Schloßböckelheimer Felsenberg:

2013 Schäfer-Fröhlich Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling GG
Goldgelb
In der Nase von mittlerer Intensität, Noten von reifem süßem Apfel (aber weniger intensiv und plakativ als beim Frühlingsplätzchen)
Am Gaumen reife Frucht, auch hier wieder Apfel, gut intrgrierte Säure, Schmelz, lang.
90-92

2013 Dönnhoff Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling GG
Goldgelb
Das ist ganz anders in der Nase: Leise, ungemein delikat, rauchig, gelbfruchtig, tief
Das setzt sich am Gaumen fort: Ein "leiser" Wein von großer Tiefe, mineralisch, etwas Apfel, gelbe Steinfrüchte, ganz dezente (Extrakt?)Süße, sehr lang. Groß.
94-96

Der Felsenberg von Schäfer-Fröhlich gefällt mir etwas besser als das Frühlingsplätzchen. Aber gegen Dönnhoffs Felsenberg ist er chancenlos.


Wir bleiben bei Felsenberg, aber gehen nochmal vier Jahre zurück und eine Klasse tiefer, unterhalb der GG-Liga (2009 gab es bei Dönnhoff neben dem GG auch noch einen trockenen Lagen-Riesling aus dem Felsenberg).

2009 Crusius Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling
Reifes Goldgelb
Reife Riesling-Nase, schwer in Worte zu fassende Aromatik
Am Gaumen zunächst säurebetont, dann delikat, reif
Schön, aber ein klein wenig von der Säure dominiert.
87-89

2009 Dönnhoff Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling
Reifes Goldgelb, ein klein wenig heller als der Wein von Crusius
Nase verhalten, reif, Feuerstein(?)
Am Gaumen wunderbar harmonisch, keinerlei Frucht mehr, aber auch keine Alterstöne. das ist einfach ein wunderbar harmonischer und alterslos wirkender Wein.
89-91

Zwei schöne gereifte Rieslinge.


Als nächstes ein Unikat:

2004 Emrich-Schönleber Monzinger Halenberg Riesling GG
Sehr reifes Goldgelb
In der Nase recht intensiv, deutliche Reifenoten, Aprikose
Auch am Gaumen reif wirkend, vielschichtig, wieder Aprikose, nachhaltig, ganz leicht Bitternote.
Sehr schöner, delikater Wein, der aber wohl nicht mehr lange gelagert werden sollte.
90-92, bis 2020


Und zum Abschluß drei restsüße Weine:

2017 Jakob Schneider Niederhäuser Hermannshöhle Riesling Spätlese
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase kräftige und (noch) etwas aufdringlich wirkende Frucht, Aprikose und Pfirsisch, animierend
Am Gaumen ausgeprägte Süße, die von einer prägnanten Säure gepuffert wird, gelbfruchtig, nicht sehr tief.
87-89


2006 Dönnhoff Norheimer Kirschheck Riesling Spätlese 
Sehr reifes Goldgelb mit Orangeschimmer
Sehr schöne Nase, klare und ausgeprägte Aprikosenfrucht
Am Gaumen wunderbar harmonisch, viel Aprikose, tolle Balance zwischen Süße und Säure, lang
92-94


2006 Crusius Schloßböckelheimer Felsenberg Riesling Auslese Goldkapsel
Sehr reifes Goldgelb mir Orangeschimmer
In der Nase intensiv, Aprikose, Trockenfrüchte
Am Gaumen ausgeprägte Süße, viel Frucht (Aprikose, auch Rosinen), lang
92-94

Die Hermannshöhle ist ein schöner Süßwein, aber im Vergleich zu den beiden anderen Weinen etwas einfacher gestrickt. Die Norheimer Kirschheck besticht durch ihre wunderbare Harmonie, während der Felsenberg sehr wuchtig daherkommt, "zähflüssig-vollfett" sozusagen.


Fazit: Eine schöne Probe mit sehr guten bis grossen Weinen, ohne jeden Ausfall.

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