Freitag, 21. Mai 2021

Muskateller 2.0

Ich mag trockenen Muskateller, das ist für mich der Frühlingswein par excellence (guckstu hier). Praktisch alle Muskateller, die ich bislang getrunken habe, waren aus der Kategorie "Gutswein" und damit preislich in der Liga zwischen 10 und 15 Euro. Daran ist natürlich nichts auszusetzen, im Gegenteil - gute Muskateller in diesem Segment machen viel Spaß. Als Beispiele seien die von Rebholz, Salwey und Tement genannt, die ich alle aus mehreren Jahrgängen getrunken und für gut befunden habe. Trotzdem stellt sich die Frage, ob Muskateller auch in der Liga darüber mitspielen kann. Die folgenden zwei Weine waren Teil des Versuchs, eine Antwort auf diese Frage zu finden.

"Nunn" (24,30 Euro) heißt der letztjährige Wein der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft. Er stammt vom fränkischen Spitzenweingut Luckert und ist (wie immer bei der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft) ein einmaliges Projekt. Motiviert wird es (guckstu für ausführliche Informationen zum Wein und für das folgende Zitat hier) wie folgt: "In Deutschland wurde die Sorte (gemeint ist natürtlich der Muskateller, ET) lange vornehmlich süß ausgebaut, oder als einfacher Basiswein. Seit langem bewegte mich deshalb die Frage: ist nicht auch in Deutschland viel mehr drin? Und zur Beantwortung der Frage fielen mir sofort die Luckerts aus Franken ein". 

Der zweite Wein stammt vom pfälzischen Weingut Müller-Catoir, stammt aus der Lage Haardter Bürgergarten, kostete um 20 Euro und fiel mir (mea culpa) deshalb auf, weil er mit 98 Punkten von James Suckling beworben wurde. Nun gebe ich zwar nicht viel auf die Punkte von James Suckling, aber ich habe Vertrauen in das Weingut ("das wird schon nicht schlecht sein"), und so habe ich drei Flaschen gekauft.

Natürlich sind diese beiden Weine nicht die einzigen trockenen Muskateller in der nächsthöheren Gewichtsklasse. Insbesondere in der Steiermark gibt es einige Güter, die (so wie Müller-Catoir in der Pfalz ) Erste-Lage-Weine aus Muskateller vinifizieren und zu Preisen jenseits von 20 Euro vermarkten. Die werde ich mir sicher demnächst auch noch näher anschauen. Spätestens im nächsten Frühjahr :-)

 


 

2019 Luckert Gelber Muskateller "Nunn" 

Mittelgelb
In der Nase ausgeprägte exotische Fruchtnoten (Lychees), gepaart mit einer deutlichen Muskatnote. Daneben ist ein sehr dezenter Holzton (Vanille?) wahrnehmbar.
Am Gaumen auf eine unaufdringliche Art fruchtbetont, wieder exotisch, wirkt durch die sehr gut integrierte Säure in sich ruhend, recht lang. 

87-89, bis 2022+ (das Weingut selbst sagt "5 Jahre plus", aber ich würde das lieber jünger trinken)


2019 Müller-Catoir Muskateller Bürgergarten 

Helles bis mittleres Gelb
Prägnantes Muskateller-Bukett, deutliche Muskatnote, exotische Früchte (auch hier Lychees), auch Stachelbeeren, frisch
Kraftvoller Gaumenauftakt, wieder exotische Frucht, prägnante Säure.
Das eine Volumenprozent mehr Alkohol macht sich in Form von mehr Kraft am Gaumen bemerkbar, lang.
Hervorragned und wohl "mein" bester Muskateller bislang.

89-91, bis 2023+

 

Fazit: Zwei sehr schöne Muskateller, wobei der Wein von Müller-Catoir bei mir vorne liegt. Und ohne die unzweifelhafte Qualität dieses Weines (den ich uneingeschränkt empfehle und zu dem bezahlten Preis jederzeit wieder kaufen würde, wenn es ihn denn noch gäbe) in Abrede stellen zu wollen: Die 98 Punkte von James Suckling sind IMHO absurd.


Donnerstag, 20. Mai 2021

ABC

Gelegentlich werde ich der ABC (anything but Chardonnay) Fraktion zugerechnet. Wahrscheinlich habe ich durch die ein oder andere Äußerung zu dieser Einordnung beigetragen, aber ganz richtig ist sie dennoch nicht. Es gibt Chardonnays, die ich wirklich mag (guckstu zum Beispiel hier). Was ich allerdings nicht mag, sind vom Holz dominierte Chardonnays (und Weißweine im allgemeinen), und meine Toleranzschwelle für den Holzeinsatz ist da vergleichsweise niedrig. Zuletzt habe ich aber eine ganze Reihe von Chardonnays getrunken. Zum einen waren da einige Chablis des Château de Béru, über die es einen eigenen Post geben wird. Zum anderen waren das drei deutsche Chardonnays, die ich alle versuchsweise als Einzelflschen gekauft hatte. Zwei stammen vom Weingut St. Antony in Rheinhessen, nämlich der Gutswein und die Reserve. Der dritte Wein stammt vom Weingut Peter Wagner, einem aufstrebenden Kaiserstühler Betrieb (guckstu auch hier).

 


2019 St. Antony Chardonnay

Sattes Mittelgelb
Schöner Duft nach gelben Früchten, Sommerwiese, etwas Heu
Am Gaumen mittelgewichtig, wieder gelbe Früchte, lebendige Säure
Sehr schöner Gutswein 

85-87, bis 2022+


2019 St. Antony Chardonnay Reserve 

Sattes Gelb, wie die Schale einer reifen Banane
In der Nase deutliche Holzprägung, nussige Aromen (Haselnuß), insgesamt aber eher zurückhaltend
Das setzt sich am Gaumen fort, auch hier zunächst vor allem der Eindruck vom Holzausbau, ansonsten nussig und leicht vegetabil, gut integrierte Säure.
Insgesamt wirkt der Wein wenig spannend, aromatisch etwas limitiert und zu stark vom Holz geprägt

86-88, bis 2025 


2019 Peter Wagner Chardonnay Oberrotweil

Mittleres Gelb
In der Nase eher zurückhaltend mit Noten von Zitrusfrüchten
Auch am Gaumen Zitrusfrüchte, hat Substanz und Grip, gewisse kalkige Mineralik, sehr dezenter, stützender Holzeinsatz.
Der deutlich spannendere der beiden Weine. 

88-90, bis 2025+


Fazit: Während der Gutswein von St. Antony wirklich schön ist, läßt mich die Reserve etwas ratlos zurück. Da hatte ich mir mehr von versprochen. Der Ortswein von Peter Wagner hat da deutlich mehr zu bieten, und das bei geringerem Preis (18 Euro im Vergleich zu 24 Euro).


Mittwoch, 19. Mai 2021

Peter Wagner

Das Weingut Peter Wagner in Oberrotweil am Kaiserstuhl ist einer der Aufsteiger der letzten Jahre. Seit drei Jahren macht Peter Wagner Wein im elterlichen Betrieb, vornehmlich aus Burgundersorten. Der Eichelmann Weinführer 2021 kürte ihn zum Aufsteiger des Jahres. Alles, was ich über seine Weine gelesen habe, machte mich neugierig, und so habe ich drei Einzelflaschen zur Probe gekauft.

 


 

 

2019 Peter Wagner Grauburgunder

Hellgelb
In der Nase eher zurückhaltender, aber sehr sauberer Duft nach gelben Früchten, nussige Untertöne
Am Gaumen klar konturiert, betont trocken, mit lebendiger Säure und dezenter Frucht, herbe Note im recht langen Abgang.
Sehr schöner Grauburgunder, blitzsauber und mit hervorragendem Trinkfluß. Zudem viel Wein fürs Geld (unter 10 Euro) 

86-88, bis 2023 


2018 Peter Wagner Spätburgunder Oberrotweil 

Helles bis mittleres Rot, am Rand in Richtung Rosa auslaufend
In der Nase von mittlerer Intensität, dezente Holzwürze, rote Früchte 
Wirkt am Gaumen sehr zugänglich, sehr dezente, stützende Holznote, die Frucht wirkt auf eine durchaus erfrischende Art etwas säuerlich, feiner Säurenerv.
Ein sehr schöner, in sich ruhender Spätburgunder, der jetzt schon viel Spaß macht, aber Potential für einige Jahre hat. Angenehm moderat im Alkohol mit 12,5%.

87-89, bis 2025+


2019 Peter Wagner Chardonnay Oberrotweil

Mittleres Gelb
In der Nase eher zurückhaltend mit Noten von Zitrusfrüchten
Auch am Gaumen Zitrusfrüchte, hat Substanz und Grip, gewisse kalkige Mineralik, sehr dezenter, stützender Holzeinsatz.

88-90, bis 2025+

Fazit: Drei sehr schöne Weine, die zudem alle ein gutes Preis-Leistungsverhältnis haben (für den Spätburgunder habe ich 16,50 bezahlt, für den Chardonnay 18 Euro). Den Namen Peter Wagner sollte man sich also merken.



Mittwoch, 12. Mai 2021

Teneriffa?

Bei den kanarischen Inseln denke ich nicht zuerst an Wein. Obschon es sicher nicht überraschend ist, dass dort welcher angebaut wird, bin ich damit bislang nicht in Berührung gekommen. Kürzlich habe ich aber aus Neugier zwei Flaschen Weißwein aus Teneriffa gekauft. Sie stammen von Envinate, einem Projekt von vier Studienfreunden, die sich der Konzeption eines "Vino Atlantico" verschrieben haben und in vier spanischen Regionen Wein erzeugen, darunter eben auch Teneriffa. 

Die Weine werden ausschliesslich (Benje) bzw. hauptsächlich (Taganan) aus der Rebsorte Palomino erzeugt (der Hauptrebsorte des Sherry-Gebiets), die auf den kanarischen Inseln als Listan Blanco firmiert. Was zunächst auffällt ist, dass beide Weine einen mit 12% moderaten Alkoholgehalt haben. Und auch der Rest ist durchaus spannend.


 

2019 Envinate Benje Blanco 

Recht dunkles Goldgelb mit Orangeschimmer
Interessanter und eigenständiger Duft, praktisch fruchtfrei (vielleicht etwas Birne), dafür aber Kräuternoten und mineralische Noten, die mich an nasse Kieselsteine erinnern
Am Gaumen fällt zunächst die Textur mit prägnanten Tanninen auf. Hier wurde anscheinend mit längerer Maischestandzeit in Richtung "Orange Wine"gearbeitet. Der Wein ist auch am Gaumen weitgehend fruchtfrei. Neben Kräutern fällt eine leichte Rauchnote auf. Auch wenn es sich vielleicht nicht so liest, ergibt das ein stimmiges Gesamtpaket.

88-90, bis 2023+ (das ist eine konservative Prognose, da ich nicht gut einschätzen kann, wie sich das entwickelt)

Nachtrag: Nachdem ich das obige geschrieben habe, habe ich etwas gegoogelt. Anscheinend wird etwa ein Viertel der Trauben länger auf der Maische belassen, der grössere Rest wird direkt gepresst. Es finden sich auch Beschreibungen des Weins als "fruchtig". Das kann ich allerdings nicht bestätigen.

 

2019 Envinate Taganan

Auch hier Goldgelb mit Orange-Noten
In der Nase zunächst Rauch, Feuerstein, dann auch Kräuter und eine an Birne erinnernde Frucht
Am Gaumen tolle Textur, etwas Gerbstoff, gut integrierte Säure. Eher kräutrig mit leicht oxidativen Noten. Recht langes, salziges Finale.
Spannender Wein, der im übrigen hervorragend zu Spaghetti alla puttanesca passte - der Wein nahm die salzigen Noten der Sardellen auf und kam auch mit der Schärfe bestens zurecht. 

89-91, bis 2023+ (was das Trinkfenster angeht siehe oben)


Fazit: Zwei sehr eigenständige und spannende Weine, die für ihren Preis (um 20 Euro) nicht nur einen "Exotikbonus", sondern auch sehr gute Qualität und neue Geschmackseindrücke bieten. "Crowd Pleaser" sind das allerdings nicht - die beiden Weine dürften nicht jedem gefallen.

Donnerstag, 22. April 2021

Der Wunderwein

Während der Primeurkampagne des Jahrgangs 2018 wurde ein Wein von den professionellen Verkostern ganz hoch gehandelt. Chateau Laroque, ein Grand Cru Classé aus Saint Emilion wurde mit Punkten bis hinauf zu 95-97 (Lisa Perotti-Brown im Wine Advocate) bedacht. Dabei war der Wein für unter 25 Euro zu haben. Das wäre ein veritables Schnäppchen, wenn der Wein denn wirklich so gut ist, wie die Bewertungen es suggerieren. Nun, ich habe die Probe aufs Exempel gemacht und ein paar Flaschen gekauft. Gestern und heute war dann Stunde der Wahrheit.

 

 

2018 Chateau Laroque 

Sehr dunkle Farbe mit opakem Kern und Violettschimmer
In der Nase intensiv, florale Noten, dezente Vanillenote vom Barriqueausbau, Rauch, dunkle Früchte, Orangen 
Am Gaumen kraftvoller, gaumenauskleidender Auftakt, dunkelfruchtig, viel reifes und dadurch unaufdringlich wirkendes Tannin. Nach dem Auftakt erwartete ich spürbare Fruchtsüße, aber der Wein ist betont herb, langer Nachhall. Mit (dem sehr warmen Jahr geschuldeten) 14,5% Alkohol ist das kein Leichtgewicht, aber der Alkohol ist hervorragend verpackt. Klares Entwicklungspotential.

91-93+, bis 2035+ 

 

Fazit: Auch wenn ich mit meiner Bewertung etwas unter den "Vorgaben" bleibe: Das ist ein ausgezeichneter Wein mit sehr gutem Preis-Leistungsverhältnis. Mit etwas Suchen ist er derzeit noch für Preise um 30 Euro zu bekommen

Donnerstag, 8. April 2021

Hopeless Case

Am letzten Wochenende haben wir eine vergessene 12er-Holzkiste endlich geöffnet, die ich 2003 gemeinsam mit meinem Vater in Subskription gekauft habe. 2002 Château Haut-Bages Libéral, kostete seinerzeit 16 Euro. Nun ist 2002 sicher einer der kleineren Jahrgänge des Jahrzehnts und Château Haut-Bages Libéral ist auch nicht der hellste Stern am Bordeaux-Firmament. Daher waren meine Erwartungen eher gedämpft. Soweit die Theorie. Die Praxis sah dann durchaus erfreulich aus.

 


 

2002 Château Haut-Bages Libéral 

Mittleres Rot mit leichten Reifenoten am Rand
In der Nase mittlere Intensität, dunkle Früchte, etwas Cassis, erdige Noten
Am Gaumen durchaus kraftvoll, wieder dunkelfruchtig, leicht trocknendes Tannin. Baut auch nach einem Tag in der geöffneten Flasche nicht ab.
Wirkt zwar etwas rustikal, ist aber (insbesondere auch angesichts von Jahrgang und Herkunft) überraschend gut und mit Freude trinkbar. Bei guter Lagerung sicher noch Potential für einige Jahre. 

88-90, bis 2025

 

Donnerstag, 25. März 2021

Durch die Blume

Natürlich weiß ich "im Prinzip", dass man an der Loire hervorragende Süßweine macht. Nur trinke ich die sehr selten. In unserem Keller dominieren Riesling und eine (deutlich kleinere) Auswahl an Sauternes. Kürzlich habe ich aus Neugier eine Flasche Montlouis "Les Lys" von Francois Chidaine gekauft. Grund dafür war erstens die Tatsache, dass mit 2009 ein gereifter Jahrgang verfügbar war und zweitens die sehr positive Bewertung im Wine Advocate (95-96+).

Der "Les Lys" ist eine Pazellenselektion, die nicht in jedem Jahr hergestellt wird. Tatsächlich war 2009 anscheinend der (bislang?) letzte Jahrgang, in dem es sie gab. Der Wein stammt aus biodynamischer Bewirtschaftung, hat 103 g/L Restzucker und trägt stolz die königlichen Lilien auf dem Etikett. Zu Recht.

 

 

2009 Francois Chidaine Montlouis "Les Lys"

Kräftiges Goldgelb mit leichter Tendenz zu Orange
In der Nase ebenso ausgeprägt und tiefgründig wie animierend, da ist zunächst etwas Honig, gefolgt von Kräuternoten und gelben Früchten (Quitte, Aprikose)
Am Gaumen sehr süßer Antrunk, dann kleidet die Frucht den Gaumen aus, gelbe Früchte und Quitte mit einer herben Note, die zusammen mit der Säure einen gelungenen Kontrapunkt zu der Süße setzt. Das Ganze wird umrahmt von einer unauffällig-präsenten Mineralik. Sehr lang.
Großartiger edelsüßer Wein 

94-96, bis 2030+

Fazit: Wunderbarer Süßwein, der mit seinem Alkoholgehalt von 11,5% zwischen den meisten deutschen Süßweinen einerseits und Sauternes & Co andererseits steht - sich dort aber nun wirklich nicht verstecken muß.