Der Bordeaux-Jahrgnag 2011 besitzt keinen guten Ruf. Die Weine waren deutlich schlechter als die der beiden Vorgänger und die Preise angesichts der gebotenen Qualität hoch. Im "Vintage Chart" des Wine Advocat wird der Jahrgang trotzdem mit "Above Average to Excellent" bewertet. Allerdings werden seit 30 Jahren alle Bordeaux-Jahrgänge so hoch oder noch höher bewertet. Der letzte Bordeaux-Jahrgang, der ein "Average" erhielt, war 1993. Vielleicht sollte der Wine Advocate mal seine Definition von "Durchschnitt" überdenken.
Der Einschätzung des Jahrgangs entsprechend habe ich mich bei der Subskription damals zurückgehalten - 2011 ist eines meiner "Nicht-Jahre" (guckstu hier). Trotzdem sind zwischenzeitlich einige 2011er in unserem Keller gelandet. Die haben wir jetzt mal begutachtet.
Die erste von unseren Smith Haut Lafittes haben wir vor etwa zwei Jahren getrunken, da war das noch ein
ziemlicher Raufbold (guckstu hier). Jetzt kommt der Wein etwas zivilisierter daher,
kann aber den schwächeren Jahrgang nicht ganz verleugnen.
2011 Chateau Smith Haut Lafitte
Mittleres bis dunkles Rot mit eichtem Wasserrand
Eher verhaltener Duft nach Leder, dunkler Frucht, etwas Menthol und (etwas überraschend) einer an Orangenzesten erinnernden Note
Am Gaumen mittelgewichtig, von eher kühler Stilistik und mit dunkler Frucht (Zwetschke), noch recht präsentem Tannin und mittellangem Finale, in dem wieder die Zwetschke ihren Auftritt hat.
Eher Charakterkopt als Charmebolzen, dürfte jetzt in der Trinkreife angekommen sein.
90-92, dürfte sein Niveau sicher für fünf und mehr Jahre halten
2011 Chateau Leoville Poyferré
Mittleres bis dunkles Rot, noch fast jugendlich wirkend mit leichtem Violettschimmer
Mittelkräftiger Duft nach dunklen Früchten, Cassis, etwas Rauch. Am zweiten Tag wirkt der Duft etwas "schwerer" mit einer likörigen Note
Auch am Gaumen dunkelfruchtig, steinige Mineralik, ausgeprägtes Tannin, das die Zunge etwas belegt
Jetzt in der Trinkreife angekommen und sicherlich ein guter Speisenbegleiter.
Kommt mir etwas "mainstreaminger" vor als der Smith Haut Lafitte, aber der eher schwache Jahrgang macht sich doch bemerkbar.
90-92, auch hier Potential für fünf und mehr Jahre
Den "D de C" hatte ich zuletzt vor fast acht Jahren im Glas. Er gefiel mir damals schon sehr gut (guckstu hier). Und bevor jetzt jemand mein Gedächtnis bewundert: Ich habe 2017 den Wein hier im Blog beschrieben und von unseren ursprünglich 6 Flaschen waren jetzt noch 5 im Keller - also muss das damals die bislang einzige Flasche gewesen sein.
2011 Domaine de Chevalier
Mittleres bis dunkles Rot
Mittelkräftiger und recht komplexer Duft nach dunkler Frucht, Kirsche und etwas Tabak mit einer leicht mentholigen Note
Am Gaumen recht ausladend mit viel "warmer" Frucht und etwas burschikosem Tannin, das wohl dem Jahrgang geschuldet ist. Gefällt mir einen Tick besser als Smith Haut Lafitte und Leoville Poyferré.
91-93, wirkt etwas reifer als die beiden vorerigen Weine und sollte m.E. bis 2030 getrunken sein.
2011 Chateau Pavie Macquin
Mittleres Rot mit angedeuteter Reife
Recht komplexer und herb wirkender Duft nach roten und dunklen Früchten (Cassis, Aronia?)
Am Gaumen greift dann die Abteilung Attacke an. Viel (herbe) Frucht kleidet den Gaumen aus. Da ist ausserdem viel Tannin, das ebenfalls den ganzen Gaumen (auf nicht unangenehme Weise) belegt. Langer Abgang.
Das ist sehr gut und eindrucksvoll, aber es fehlt am Ende doch etwas die Präzision und Konturiertheit, die einen grossen Wein ausmachen würde.
91-93, bis 2035+
2011 Chateau Clinet
Mittleres bis dunkles Rot mit ganz dezenter Reifenote
Delikater Duft von zunächst mittlerer Intensität mit Schokolase, verhaltener dunkler Frucht, etwas Minze, Kräutern. Wird mit Luft vielschichtiger und intensiver; die Frucht wird ausgeprägter (und es kommt eine rotfruchtige Note Richtung Himbeere hinzu) und auch die Minznote wird ausgeprägter
Am Gaumen eher kühle Stilistik, (noch?) etwas monolithisch wirkend; wieder etwas Schokolade, Kräuter, verhaltene Frucht, aber mit Tannin sehr guter Qualität. Im Abgang dann etwas mehr Frucht, kombiniert wieder mit schokoladiger Note.
92-94, bis 2030+
2011 Chateau Montrose
Dunkles Rot mit leichtem Wasserrand
Im Duft von mittlerer Inensität mit viel dunkler Frucht, etwas Rauch, sehr dezenter Holzeinfluss. Wirkt insgesamt recht jung und (noch) nicht voll entfaltet (und das ändert sich auch nach 5 Stunden Dekantierzeit nicht)
Auch am Gaumen noch verschlossen wirkend mit einem Kern dunkler Frucht, recht massivem Tannin, das die Zunge belegt, und einer prägnanten Säure.
Ich denke, dass da noch mehr kommen wird, aber im derzeitigen Zustand doch unter den Erwartungen, die der Name (selbst in einem mäßigen Jahrgang) weckt.
90-92+, Noch einige Jahre liegen lassen, dann sicher bis 2040
Interessant ist übrigens die Trinkreifeeinschätzung für den Montrose im Wine Advocate. Bei der Primeurverkostung 2012 schrieb Robert Parker himself "2012-2027". Nach der Abfüllung 2014 wurde daraus "2017-2032". Neal Martin setzte das 2016 herauf auf "2021-2045" und William Kelley setzte 2021 noch eins drauf mit "2025-2045". Vielleicht wird der Wein ja nie wirklich trinkreif?


















