Donnerstag, 24. Oktober 2024

Der Süßwein der Woche (10)

In dieser Ausgabe gibt es eine Reihe von Weinen, die ihre besten Jahre wohl hinter sich haben. Und zum Abschluß dann eine Spätlese, die ihre große Zeit defintiv noch vor sich hat.

Den Anfang macht eine 1983er Auslese von HaJo Zilliken, die 1984 vom Weingut gekauft wurde und seitdem im gleichen Keller lagerte.

1983 Forstmeister Geltz Zilliken Ockfener Bockstein Riesling Auslese (0,75l mit perfektem Füllstand) 

Reifes Goldgelb mit deutlicher Orange-Note 
Im Duft findet sich noch Frucht (Aprikose) verbunden mit Backgewürzen (Vanille) und einer leichten Firne
Am Gaumen wird die Süße durch herb-gewürzige Noten und die Säure bestens balanciert, sodass ein sehr harmonischer Gesamteindruck entsteht. Wie schon im Duft Reste gelber Frucht und eine leichte Firne. 

87-89, trinken


Die beiden nachfolgenden Weine habe ich in den neunziger Jahren jeweils auf dem Weingut gekauft. Obwohl sie für damalige Verhältnisse teuer waren, haben sie mich nie begeistert, und wohl nur deshalb haben diese beiden Flaschen, jeweils die letzten, überdauert. Sie haben auch die Weingüter überlebt, aus denen sie stammen, denn beide Güter existieren nicht mehr. 




1990 Langwerth von Simmern Erbacher Marcobrunn Riesling Auslese (0,375l) 

Rotbraun
Erstaunlich präsenter Duft mit ausgeprägter Frucht (Quitte und Trockenfrüchte). Mit mehr Luft wird der Duft "ruhiger", bleibt aber sehr sauber
Am Gaumen zunächst bereits leicht gezehrt wirkend mit leichter Bitternote, aber auch hier noch präsente Frucht, dezente Süße. Mit Luft wird der Wein auch am Gaumen ruhiger und harmonischer. 
Gut gereift und mit Genuß trinkbar, ohne zu begeistern. Hält seine Form über mehrere Tage in der geöffneten Flasche.

86-88


1990 Schloß Schönborn Erbacher Marcobrunn Riesling Auslese (0,5l) 

Wieder Rotbraun
In der Nase auch nach längerer Belüftung noch etwas Muff, daneben Trockenfrüchte
Am Gaumen schon mit deutlicher Bitternote, Nüsse, etwas Trockenfrucht, etwas Möbelpolitur
Macht so keinen Spaß mehr.

76-79

 

Der nächste Wein ist eine Einzelflasche, die ich wohl irgendwann auf Ebay ersteigert habe. Die Auslese stammt aus dem sehr guten Jahrgang 1975, und die zwei Sterne deuten darauf hin, dass es sich hier um eine höherwertige Auslese (vielleicht analog zu einer heutigen Goldkapsel) handelt. 




1975 Karthäuserhof Eitelsbacher Karthäuserhofberg Kronenberg Riesling Auslese**

Reifes Goldgelb mit deutlichem Orangeschimmer
In der Nase zwar schon weit gereift mit etwas Firne und leichtem Muffton, aber noch deutlich erkennbare Frucht; Quitte, Orangenmarmelade (?)
Am Gaumen fast trocken wirkend mit leichter Karamellnote, dazu etwas Restfrucht (Quitte). Noch gut trinkbar und ohne Bittertöne, eher kurz 

84-86, austrinken 


Der nächste Wein ist, wenn man den Notizen auf Cellartracker Glauben schenkt, in vielen Fällen noch voll "da" und wird hervorragend beurteilt. Auf diese Flasche hier traf beides leider nicht zu.

1990 Domaine Huet Vouvray "Le Haut Lieu" Moelleux

Bernsteinfarben
Im Duft Quitte, Rosinen, aber auch etwas nasser Karton
Am Gaumen ausgeprägte Süsse, noch präsente Säure, aber auch ein vernehmbarer Muffton und ganz leichte Bitternote 

80-83, austrinken


Nach den ganzen alten und zum Teil doch etwas anstrengenden Weinen zum Schluß eine Spätlese, die garantiert noch nicht "über den Punkt ist": 


2023 Dönnhoff Niederhäuser Hermannshöhle Riesling Spätlese 

Helles Gelb
Direkt nach dem Öffnen recht zurückhaltender Duft mit Noten exotischer Früchte (Mango)
Am Gaumen deutliche Restsüße, der eine sehr schöne, reife Säure Paroli bietet. Wirkt noch sehr kompakt, aber gibt ein Versprechen auf eine grosse Zukunft ab. Im Moment ist das "Potentialtrinken".

92-94+, braucht noch einige Jahre im Keller

Kabinettstückchen

Kürzlich konnte ich zwei interessante Weine recht günstig erstehen, den 2015er Bernkasteler Doctor Kabinett von Thanisch/Erben Thanisch und den Graacher Domprobst Kabinett von Willi Schäfer aus gleichem Jahr. Das habe ich dann zum Anlaß genommen, über mehrere Tage hinweg sechs Riesling Kabinett (was ist da eigentlich die Mehrzahl - Kabinette?) von der Mosel (bzw. in einem Fall von der Ruwer) zu verkosten und zu vergleichen. Am ersten Abend habe ich blind verkostet, danach offen.


 

2015 Max Ferd. Richter Wehlener Sonnenuhr Riesling Kabinett

Sattes Mittelgelb
Animierunder Duft mit reifer gelber Frucht, mit mehr Luft auch Stachelbeeren
Am Gaumen reife Frucht, sehr animierend mit guter Süße-Säure-Balance, lang.
Insgesamt sehr schön und mit gutem Trinkfluß

89-91, bis 2030+


2015 Willi Schäfer Graacher Domprobst Riesling Kabinett

Goldgelb
Etwas verhaltenerer Duft nach gelben Früchten und Zitrus, am zweiten Tag tritt reifer Apfel hinzu
Am Gaumen recht ausladend, der durchaus ausgeprägten Süße steht eine lebhafte Säure gegenüber. Endet lang auf eine herbe Note, die einen schönen Kontrapunkt setzt. Großartiger Kabinett.

91-93, bis 2030+

 

2015 Wwe. Dr. Thanisch Erben Thanisch Bernkasteler Doctor Riesling Kabinett  

Goldgelb
Zunächst etwas verhaltener und leicht rauchiger Duft mit Noten von gelben Früchten; wird mit Luft intensiver und bekommt eine kräutrige Komponente
Am Gaumen gelbfruchtig, ein Hauch Vanille, ausgeprägte Süße, die Säure ist (noch?) nicht ganz so perfekt integriert wie bei einigen anderen Weinen. Lang. 

88-90, bis 2030+


2015  Julian Haart Piesporter Schubertslay Riesling Kabinett

Am ersten Abend präsentierte sich der Wein schwierig. Verhaltener Duft mit Zitrusnoten, ich habe sogar über einen ganz leichten Korktreffer nachgedacht. Am Gaumen wirkte das eher unharmonisch mit spitzer Säure. Am ersten Abend habe ich keine Bewertung abgegeben, weil ich an eine fehlerhafte Flasche glaubte. Aber dann zwei Tage später, wie der Phönix aus der Asche: 

Mittelgelb
Recht verhaltener Duft mit (teils kandierter) Zitrusfrucht und reifem Apfel 
Am Gaumen fester Bau, zunächst etwas Kandis, dann wieder reifer Apfel, gelbe Früchte. Großartige Süße-Säure-Balance, langer Nachhall. 
Noch nicht auf dem Höhepunkt, sollte besser noch zwei bis drei Jahre liegen. 

90-92, 2026-2035+

2015 J.J. Prüm Bernkasteler Badstube  Riesling Kabinett

Hellgelb, mit Abstand die hellste Farbe aller sechs Weine
Im Duft zunächst verhalten mit Blütenduft, der mit mehr Luft ausgeprägter wird. Daneben gelbe Früchte und etwas Zitrus. Am zweiten Tag auch weisse Johannisbeere
Am Gaumen fester Bau, nur dezente Süße, sehr schöne Balance, gute Substanz und Länge

89-91, bis 2030+ 


2015 Maximin Grünhaus Maximin Grümhäuser Abtsberg Riesling Kabinett

Sattes Mittelgelb
Recht kräftiger Duft nach reifen Gelbfrüchten, mit mehr Luft auch Backgewürze, Vanille
Recht ausladend mit ausgeprägter Süße, wieder Backgewürze neben der Frucht, etwas Kandis, hätte ich blind eher als (gute) Spätlese eingestuft

89-91, bis 2030+

 

Fazit: Sechs tolle Weine - das ist wirklich Champions League in der Kategorie Kabinett. Für mich war im Gesamteindruck über mehrere Tage der Graacher Domprobst von Willi Schäfer knapp vorn. Wer den Piesporter Schubertslay nur am ersten Tag erlebt hätte, wäre wohl sehr enttäuscht gewesen (zumal für die Weine von Julian Haart mittlerweile Phantasiepreise bezahlt werden). Geduld wurde dann aber später mit einem grossartigen Kabinett belohnt. Die Weine von Max Ferd. Richter, J.J. Prüm und Grünhaus fand ich (bei allen stilistischen Unterschieden) qualitativ vergleichbar. Und auch der Bernkasteler Doctor ist für sich allein betrachtet ein hervorragender Wein - nur war hier eben die Konkurrenz noch etwas besser.

Sonntag, 29. September 2024

Drei Premieren

Vor ein paar Wochen habe ich ein Dreier-Paket mit 2020er Bordeaux gekauft, weil ich neugierig war: Alle drei Chateaux waren mir ein Begriff, aber ich hatte noch von keinem der drei etwas im Glas. Da man bei 2020 noch gute Chancen hat, die Weine in der Fructphase zu "erwischen", habe ich die drei Flaschen im Laufe der letzten Woche geöffnet.



 

2020 Chateau Dassault 

Dunkles, jugendliches Rot mit Violettschimmer
Recht intensiver Duft nach vorwiegend roten Früchten (Himbeeren, Kirsche) mit einer floralen Note
Auch am Gaumen intensive und frisch wirkende Frucht, viel samtiges Tannin, gute Länge 

91-93. In der jetzigen Fruchtphase mit Spaß zu trinken und Potential für viele Jahre. Die Frage ist, ob da noch eine Verschlußphase kommt 




2020 Chateau Marojallia

Dunkles Rot mit Violettschimmer und fast schwarzem Kern
Duft von mittlerer Intensität mit roter Frucht und Gewürznoten
Am Gaumen recht ausgeprägte Säure und eine störende Bitternote, die die Frucht dominiert und den Gesanteindruck trübt. Auch Belüftung hilft da nicht. Recht viel und leicht trocknendes Tannin.
Ob das ein Flaschenfehler ist oder etwas, was sich mit weiterer Lagerunf gibt, kann ich nicht sagen. In diesem Zustand macht es jedenfalls keinen Spaß.

Ohne Bewertung


2020 Chateau Boyd-Cantenac 

Dunkles Rot mit ausgeprägtem Violettschimmer
Ausgeprägter Duft mit floralen Noten (Flieder?) und viel Frucht, vor allem Kirsche und Himbeere
Auch am Gaumen viel Frucht, viel Tannin hoher Qualität, fruchtbetontes Finale
Derzeit ein groser Trinkspaß, und (natürlich) viel Potential 

91-93, bis 2040

Mittwoch, 25. September 2024

Zwei Monster

Wer alt genug ist, erinnert sich sicher an den Hitzesommer 2003. Die Rechung "viel Sonne ergibt guten Wein" ging dabei oft nicht auf, zumal die Winzer seinerzeit mit den hohen Temperaturen vielleicht auch weniger gut umgehen konnten, als sie das heute können. 

In dem Teil meiner Weinvorräte, der sich im Keller meiner Eltern befand, fanden sich noch zwei 2003er Spätburgunder. Der "Josef Franz" wurde vom Staatsweingut Assmansshausen für Josef Laufer (Zum Krug, Hattenheim) und Franz Keller (Adlerwirtchaft, ebenfalls Hattenheim) abgefüllt. Soweit ich weiß, ist der Wein nie offiziell verkauft worden, sondern stand in den beiden genannten Restaurants auf der Karte. Man konnte dort aber zu einem zivilen Preis (19 Euro) ein paar Flaschen kaufen. Angeblich stammt der Wein aus dem Assmannshäuser Höllenberg, das steht allerdings nicht auf dem Etikett. Der "Josef Franz" kommt mit dezenten 15% Alkohol daher, ein Wert, den man sonst eher aus südlicheren Gefilden kennt. Der zweite Wein, eine trockene Auslese vom Weingut Hermann Dörflinger im Markgräflerland, kommt mit einem halben Prozent weniger aus.

 


2003 Staatsweingut Assmannshausen Spätburgunder "Josef Franz" 

Mittleres bis dunkles Rot mit Wasserrand und verhaltenen Reifenoten 
In der Nase dunkle Früchte, etwas Espresso, Schokolade, Gewürze (Wacholder?)
Am Gaumen mächtig mit spürbarem Alkohol, der die dunkle Frucht etwas in den Hintergrund drückt. Das Tannin ist weitgehend abgebaut, gibt dem Wein aber noch ausreichend Halt. Recht langer Abgang.
Das ist ein interessanter Wein, der zudem sehr gut gereift ist. Mehr als ein Glas möchte man davon dann aber doch nicht haben. 

84-86, recht bald trinken. 


2003 Hermann Dörflinger Badenweiler Römerberg Spätburgunder Auslese trocken

Mittleres Rot mit Reifenoten
Im Duft (immer noch) deutliche Holzprägung, dunkle Früchte (Cassis, Brombeeren), und irgendwie riecht das auch nach heissen, staubigen Feldwegen
Am Gaumen präsente Frucht und spürbares, leicht trocknendes Tannin, das Holz ist hier weniger evident, der hohe Alkohol ist gut verpackt. 

85-87, recht bald trinken 


Fazit: Der "Josef Franz" hat den interessanteren und vielschichtigeren Duft, ist aber am Gaumen dann doch für meinen Geschmack zu alkoholisch.

Freitag, 20. September 2024

Der Besuch der alten Dame

Der "La Dama" stammt aus einer Einzellage in Navarra mit sehr alten, teilweise über hundertjährigen Grenache-Reben. 2017 habe ich davon sechs Flaschen gekauft, und nun war es mal wieder Zeit, der alten Dame einen Besuch abzustatten.



2013 Domaines Lupier La Dama

Mittleres bis dunkles, noch recht jugendlich wirkendes Rot
Recht ausgeprägter Duft nach hauptsächlich roten Früchten (reife Erdbeeren) und Kräutern (Thymian?)
Auch am Gaumen viel rote Frucht, stützendes Tannin, recht langes Finale.
Jetzt in bester Trinkreife. 

90-92, wird das jetzige Niveau sicher noch einige Jahre halten

Dienstag, 17. September 2024

Gutswein de luxe

Das Pfälzer Weingut Christmann hat sein Lagenportfolio 2022 bereinigt, indem es alles, was nicht mindestens als VdP Erste Lage klassifiziert ist, abgestoßen hat. Das bedeutet, dass die Gutsweine  (die unter dem Namen "Aus den Lagen" vermarktet werden) seitdem vollständig aus ersten Lagen stammen. Damit ist natürlich eine Qualitätserwartung verbunden, die sich durchaus auch im Preis der Weine (Riesling aktuell um 20 Euro, Spätburgunder knapp 30 Euro) widerspiegelt. Das ist für einen nominellen Gutswein viel Geld, aber es kommt natürlich auf die Qualität im Glas an, nicht auf die Bezeichnung auf dem Etikett.  

Auch wenn die hier verkosteten Weine aus Jahrgängen vor 2022 stammen, weiss ich zumindest für den Riesling, dass er vollständig aus Reben aus Grossen und Ersten Lagen stammt.



2019 Christmann Spätburgunder "Aus den Lagen" 

Mittleres Rot
Reintöniger, aber eher verhaltener Duft, dunkle Früchte, Kirschen und Kirschkerne
Am Gaumen mit schöner, wieder eher dunkler Frucht, präsenter Säure und kernigem Tannin
Sehr guter Basis-Spätburgunder mit Charakter 

87-89, bis 2027+ 

 

2021 Christmann Riesling "Aus den Lagen"

Mittelgelb
Recht ausgeprägter Duft nach gelben Früchten, einem Hauch Orange, etwas kandierter Zitrusfrucht und Kräutern
Am Gaumen harmonischer Gesamteindruck mit präsenter, aber bestens integrierter Säure, präzisem Fruchtausdruck und guter Länge.
Für einen Gutsriesling wirkt das sehr erwachsen. 

88-90, bis 2026+

Montag, 2. September 2024

Der Einweihungswein

Seit einiger Zeit besitzen wir Zalto Bordeaux-Gläser, die wir aber bislang noch nicht benutzt haben. Heute sollte die Einweihung endlich stattfinden, und zu diesem Zweck sollte ein ordentlicher Bordeaux ins Glas. Da traf es sich gut, dass ich kürzlich zu einem sehr günstigen Preis (so etwa die Hälfte dessen, was üblicherweise dafür aufgerufen wird) drei Flaschen 2000er Rauzan-Ségla erstehen konnte.



2000 Chateau Rauzan-Ségla

Mittleres Rot mit ersten orangefarbenen Reifenoten am Rand
Sehr ausgepräger und vielschichtiger Duft, ein klein wenig Brett zu Beginn, intensive, eher rote Frucht Richtung Cranberries, Edelholz
Am Gaumen sehr nachhaltig, dabei aber elegant, schöne rot- und schwarzbeerige Frucht, seidiges Tannin, sehr langer Nachhall. Jetzt in bester Trinkreife, die der Wein wohl noch einige Jahre halten dürfte. 

93-95, bis 2030+