Samstag, 2. März 2019

Dreimol Null es Null es Null

Karneval ist ja eher nicht die Zeit für gepflegten Weingenuss, da stehen eher Bier und Hochprozentiges im Vordergrund. Um trotzdem eine Verbindung zwischen Wein und Karneval zu schaffen, habe ich drei Nuller-Weine parallel verkostet. Eine alte kölsche Karnevals-Weisheit besagt nämlich, dreimol Null sei Null sei Null (guckstu und hörstu hier).

Auf "Null" habe ich natürlich nicht gehofft, sondern auf möglichst hoch in den Neunzigern. Die drei Weine auf dem Verkostungstisch waren drei Cru Classés aus Saint Julien, nämlich Saint-Pierre, Branaire Ducru (der seinerzeit noch als Branaire (Duluc-Ducru) bezeichnet wurde) und Lagrange. Ich habe zunächst blind verkostet und dann über zwei Tage offen weiter verkostet.




2000 Chateau Saint-Pierre
Mittleres Rot mit deutlichen orange-braunen Reifenoten
In der Nase zunächst etwas unangenehm, Schweiß. Mit etwas Luft verschwindet die schweißige Note und es bleibt ein etwas gedeckter Duft von dunklen Früchten und Cassis. Mit weiterer Belüftung kommt die Cassisnote immer deutlicher hervor, dann kommt Waldboden hinzu. Am zweiten Tag wirkt die Nase leicht gezehrt, mit Noten von Pilzen und Waldboden.
Am Gaumen recht herb, verhalten dunkelfruchtig, aber gute Struktur, die den Wein durchaus animierend wirken lässt - schöne reife Tannine und eine lebendige Säure. Am zweiten Tag macht sich auch am Gaumen die fortgeschrittene Reife bemerkbar, das Tannin wirkt trocknender. Old-school Bordeaux, der noch gut trinkabar ist (zu einem Steak dürfte das gut passen), den ich aber nicht mehr lange lagern würde.
86-88, bis 2020

2000 Chateau Lagrange
Noch recht dichtes Rot mit ganz leichten bräunlichen Reifetönen
In der Nase sofort sehr präsent, kernig wirkend, dunkle Früchte, Cassis, Zedernholz. Auch am zweiten Tag recht intensiv, Cassis und dunkle Früchte.
Am Gaumen sehr schön, kräftige, maskulin wirkende Frucht, ein feiner Säureschleier und strukturgebende (aber reife) Tannine. Am zweiten Tag kommt eine leichte Teernote hinzu.
Sehr schöner Wein, ebenfalls eher Old-School und mit Potental für weitere Jahre.
89-91 (und klar am oberen Ende dieser Kategorie), bis 2025

2000 Chateau Branaire-Ducru
Mittleres Rot mit leichten Orangenoten
In der Nase verhalten und im ersten Eindruck gezehrt wirkend. Mit mehr Luft wird das intensiver mit Noten von Laub und Gewürzen. Mit noch mehr Luft kommt eine etwas portig wirkende Frucht hinzu, auch etwas Lakritz. Nach etwa drei Stunden dann eher verhalten, aber sehr fein nach dunklen Früchten (Heidelbeeren und Brombeeren) duftend. Am zweiten Tag dann recht unverändert, dunkle Früchte, vor allem Heidelbeeren.
Am Gaumen zunächst wenig Frucht, dafür tertiäre Aromen, herb, etwas trocknendes Tannin. Mit Belüftung zeigt der Wein etwas mehr, aber das leicht trocknende Finale bleibt und trübt das Vergnügen etwas. Am zweiten Tag kommt eine leichte Bitternote im Finale hinzu. Auch hier würde ich nicht mehr allzu lange warten wollen.
86-88, bis 2020

Fazit: Der Lagrange hat hier klar die Nase vorn. Ein kompletter, sehr schöner Bordeaux, der noch einige Jahre vor sich hat. Der Saint-Pierre und der Branaire kommen da nicht mit. Beide Weine sind zwar noch gut trinkbar, aber wohl doch schon etwas über den Zenit. Damit bleibt vor allem der Branaire unter den Erwartungen und Vorschußlorbeeren (94 Punkte von Robert Parker himself und 92 von Neil Martin, jeweils mit der Prognose "bis 2030"). Möglicherweise war diese Flasche (erst kürzlich bei Ebay gekauft) nicht optimal gelagert.

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