Montag, 24. Februar 2025

Neun Sommer

Vor einiger Zeit habe ich hier über Salweys "Sieben Winter" geschrieben (guckstu hier), einen aus 80% Grauburgunder und 20% Chardonnay aus GG-Lagen bestehenden und erst nach sieben Jahren Faßreife abgefüllten "Spezialwein" von Konrad Salwey. Es muss aber nicht zwingend Faßreife sein. Dieser Grauburgunder hier hat neun Sommer Flaschenreife hinter sich und ist lange noch nicht am Ende.

 


2015 Salwey Oberrotweiler Henkenberg Grauburgunder GG

Goldgelb
"Ruhiger" Duft nach Zitrus, Rauch, daneben vegetabile Noten
Baut am Gaumen Druck auf, ausgeprägter Schmelz, schönes Mundgefühl, betont trocken mit Zitrusnoten im langen und saftigen Finale.
Toller Grauburgunder (den ich blind vielleicht für Chardonnay gehalten hätte) 

91-93, dürfte sich noch einige Jahre auf diesem hohen Niveau halten

Mittwoch, 12. Februar 2025

Der Schatz im Silberberg

Der Ahrweiler Silberberg ist (jedenfalls gemessen am Preis) eines der "kleinen" Grossen Gewächse im Portfolio des Weinguts Meyer-Näkel. Mangels ausreichender Erfahrung kann ich diese Rangfolge weder bestätigen noch ihr widersprechen. Tatsächlich ist das mein erster Silberberg, als Einzelflasche aus Neugier gekauft (und nicht bereut).


2018 Meyer-Näkel Ahrweiler Silberberg Spätburgunder GG 

Mittleres bis dunkles, noch recht jugendlich wirkendes Rot
Recht ausgeprägter, komplexer Duft nach dunklen Früchten mit ausgeprägt würziger Note
Am Gaumen gut strukturiert mit dezentem Tannin und einer frischen Säureader, wieder dunkelfruchtig-würzig mit leichter Schokonote, gute Länge
Schöner und Ahr-typischer Spätburgunder (der mit seiner würzigen Art übrigens sehr gut zum 24-monatigen Comté passt, aber das nur am Rande)

90-92, bis 2030

Samstag, 1. Februar 2025

Der Tabubruch

Über Tabubrüche wird dieser Tage ja viel geredet. Dieser hier ist allerdings eher unspektakulär. Der Jahrgang 2021 in Bordeaux hat keinen besonders guten Ruf. Zum einen wird die Qualität geringer eingeschätzt als die der Vorgänger (2018, 2019, 2020) und Nachfolger (2022), zum anderen kam der Jahrgang zu hohen Preisen auf den Markt. Ich habe daher erstmals seit dem Jahrgang 2013 keine Weine in Subskription gekauft und mir vorgenommen, die Finger von dem Jahrgang zu lassen. 

Mit diesem Vorsatz habe ich allerdings gebrochen, als mir drei Flaschen Chateau Durfort-Vivens zu einem sehr guten Preis angeboten wurden. Dieses Weingut, ein 2ème Grand Cru Classé, galt lange eher als Underperformer. Seit dem Jahrgang 2018 (so jedenfalls meine Wahrnehmung) werden die Weine jedoch deutlich besser beurteilt. Meine eigene Erfahrung mit dem 2018er (guckstu hier) spricht jedenfalls dafür.  

Nachdem ich die drei Flaschen des 2021ers hatte, wollte ich wissen, ob es eine gute Idee wäre, mehr davon zu kaufen. Zur Beantwortung dieser Frage wurde die erste Flasche geöffnet.

 



 

2021 Chateau Durfort Vivens 

Dunkles, jugendliches Rot mit deutlichem Violettschimmer
Unmittelbar nach dem Öffnen expressiver und fruchtbetonter Duft nach eher roten Früchten (Himbeeren) und etwas Flieder, daneben auch schwarzer Tee. Wird mit mehr Luft etwas intensiver. Nach drei Stunden gewinnt der Duft etwas an Komplexität; es kommen Noten von Tabak hinzu 
Am Gaumen viel frisch wirkende Frucht, sehr reifes und dadurch leicht zu unterschätzendes Tannin, dezenter Holzeinfluß, recht langes Finale

91-93+, bis 2040+


Mittwoch, 29. Januar 2025

Der heilige Severin

Der Nikolaihof gilt als das älteste Weingut Österreichs, ist Demeter-zertifiziert und dafür bekannt, häufig Weine erst nach langer Fassreife zu füllen. Mit diesem Wein hat man das auf die Spitze getrieben. Er lag von 1997 bis 2022, also fast 25 Jahre, in einem dem heiligen Severin gewidmeten Faß. Herausgekommen ist ein großartiger Riesling. Preislich liegt der Wein leider nördlich meines "normalen" Budgets, aber aus Neugier habe ich dann doch eine Flasche gekauft.


1997 Nikolaihof Riesling "Fass Severin" Vinothek

Goldgelb
Im Duft anfangs sehr verhalten, mit gelben Früchten und etwas Zitrus. Mit Belüftung und etwas höherer Temperatur deutliche Kräuternoten; immer noch nicht sehr intensiv, aber komplex und vielschichtig
Nach zwei Tagen deutlich intensiverer und komplexer Duft mit primär kräutriger Aromatik
Auch am Gaumen komplex, wieder Kräuternoten, perfekt integrierte Säure, herber Saft, langes, wieder kräutriges Finale
Ein großartiger, in sich ruhender Riesling, den ich eher als Meditationswein denn zum Essen trinken würde.

95-97 und ein Fall für die Riesling Hall of Fame, zeigt keine Anzeichen von Müdigkeit und sollte noch einige Jahre vor sich haben 

Dienstag, 21. Januar 2025

Der Süßwein der Woche (11)

Im November und Dezemnber war die Süßweinauswahl (mal wieder) etwas Mosel-lastig. Den Anfang machte eine 1995er Auslese von Peter Geibens Karlsmühle, die ich vor langer Zeit als Einzelflasche bei Ebay ersteigert hatte. Soweit ich weiß bedeutet der Zusatz "Patheiger", dass der Wein aus Rebflächen des ehemaligen Weinguts Patheiger stammt, die von der Karlsmühle übernommen wurden.

 

1995 Karlsmühle Kaseler Kehrnagel Riesling Auslese "Patheiger" 

Bernsteinfarben
Nach etwas Belüftung recht kräftiger Duft nach Trockenfrüchten und Nüssen. Auch (sehr dezent) nasser Karton, diese Note verschwindet aber mit weiterer Belüftung. 
Am Gaumen wiederum Trockenfrüchte (Pflaume), die Süße ist unaufdringlich und wird von präsenter Säure gut gepuffert. Langer Abgang wiederum mit Noten von Trockenfrüchten.
Schöne Auslese ohne größere Ermüdungserscheinungen, sollte aber wohl trotzdem bald getrunken werden 

88-90, bald austrinken 


Weiter ging es mit einer 1996er Goldkapsel-Auslese von Ernst Loosen aus einer halben Flasche.

 

1996 Ernst Loosen Ürziger Würzgarten Riesling Auslese Goldkapsel (0,375l)

Dunkles Goldgelb
Reifer Duft mit noch präsenter gelber Frucht, aber auch Trockenpflaume, ein Hauch Möbelpolitur
Am Gaumen ausgeprägte Süße mit einer ganz leicht ins Säuerliche tendierenden Frucht. Wirkt noch recht frisch, aber auch etwas spannungsarm. Recht langer Abgang.

86-88, bald trinken 


Dann ein Ausflug nach Rheinhessen. Von diesem Eiswein habe ich seinerzeit ein paar Flaschen gekauft, weil er erstens sehr gute Kritiken hatte und zweitens mit 15 Euro für die halbe Flasche ausgesprochen preiswert war.

2002 Weingut der evangelischen Kirche zu Hessen und Nassau (Manz) Weinolsheimer Kehr Riesling Eiswein (0,375l) 

Bernsteinfarben
Duftet (eher verhalten) nach teilweise getrockneten gelben Früchten, dabei sehr sauber und animierend 
Am Gaumen ausgeprägte Süße, die aber von ausreichender Säure balanciert wird, aromatisch geht das in Richtung Trockenpflaume, sauber, aber nicht sehr vielschichtig. 
Kein großer Eiswein, aber "voll da" und mit Reserven für weitere Jahre 

89-91, bis 2035+


Zurück an die Mosel. Von der 2016er Hofberg Spätlese von A.J. Adam habe ich 2017 sechs Flaschen gekauft. Dies ist die erste, die entkorkt wurde.


2016 A.J. Adam Dhroner Hofberg Riesling Spätlese 

Sattes Mittelgelb
Im Duft leicht rauchig, Zitrus und Steinobst
Am Gaumen recht ausgeprägte Süße, wieder Steinobst mit einer leichten Tendenz in Rotfruchtige, auf sehr gutem Niveau etwas spannungsarm. 

88-90, sicher bis 2035+


Und last but not least eine Auslese von J.J. Prüm, ebenfalls aus 2016, die ich erst kürzlich in einem Paket mit sechs verschiedenen Rieslingen erstanden habe.

2016 J.J. Prüm Graacher Himmelreich Riesling Auslese 

Helles bis mittleres Gelb
Recht ausgeprägter Duft nach gelben Früchten, auch kräutrige Noten
Am Gaumen wieder gelbe Früchte, hervorragende Süße-Säure-Balance, lang

90-92, bis 2040+

Samstag, 28. Dezember 2024

Mainqué

Dieser Chardonnay stammt aus Patagonien und damit ziemlich genau vom anderen Ende der Welt. Trotzdem hat er eine europäische Komponente, denn er wird von der Bodega Chacra in Kooperation mit Jean-Marc Roulot von der Domaine Roulot in Burgund vinifiziert. 

 


 

2022 Bodega Chacra Chardonnay "Mainqué"

Helles bis mittleres Gelb
Nicht sehr intensiver, aber feiner Duft nach gelben Früchten, ergänzt durch dezente florale Noten
Auch am Gaumen fruchtbetont, etwas Brotkruste, gut integrierte Säure, mineralisch, sehr elegant wirkend, recht langer Nachhall.
Ein sehr "leiser" und feiner Chardonnay

90-92, bis 2028+ 


Sehr schöner Wein, der aber auch seinen Preis hat (um 50 Euro)



Dienstag, 10. Dezember 2024

Zweimal 22 aus dem Rheingau

Ich trinke Riesling-GGs eigentlich selten sehr jung. Nun bekam ich aber (in einem auch ansonsten spannenden Weihnachtspaket mit insgesamt sechs Flaschen) eine Flasche 2022er Rüdesheimer Berg Rottland von Balthasar Ress. Einzelflaschen lange zu verwahren macht nicht unbedingt Sinn, und so beschloss ich, die Flasche zu öffnen. Dann fiel mir ein, dass ich kürzlich in einem Restaurant den 2022er Mittelheimer Sankt Nikolaus von P.J. Kühn getrunken hatte, und dass der Wein (obwohl nach meinen üblichen Maßstäben zu jung) mir sehr gut gefallen hatte. Also kam der mit auf den Tisch. 

Kühns Sankt Nikolaus ist übrigens gleich in zweierlei Hinsicht ein Leichtwein. Erstens hat er nur 11,5% Alkohol, was für ein Rheingauer GG aus warmem Jahr wenig ist (der Wein von Balthasar Ress hat 13%). Zweitens ist das Weingut P-J. Kühn aus Material- und Transportkostenersparnisgründen dazu übergegangen, seine Weine in leichtere Flaschen zu füllen und auch die sonst vielfach obligatorische Aluminiumkapsel durch eine Papierbanderole zu ersetzen.



2022 Balthasar Ress Rüdesheimer Berg Rottland Riesling GG

Mittelgelb
Recht ausgeprägter Duft mit Noten von herben Zitrusfrüchten (Pomelo?) und Kräutern, vielschichtig und spannend. Am zweiten Tag sogar noch etwas ausdrucksvoller. 
Auch am Gaumen herbe Zitrusfrucht (Grapefruit!), wieder herber, mineralisch unterlegter Abgang
Schöner Riesling, der aber vielleicht besser noch ein bis zwei Jahre im Keller bleibt 

91-93, 2026-2035 

 

2022 P.J. Kühn Mittelheimer Sankt Nikolaus Riesling GG 

Kräftiger Duft mit deutlich zitrusfruchtigen Noten. Da sind zuerst Zitronne und Grapefruit, dann kommen kräutrige Noten dazu, mit mehr Luft zudem eine steinige Mineralik
Am Gaumen mit ganz viel Spannung, fast vibrierend. Da ist wieder herbe Zitrusfrucht, darunter auch etwas Blutorange. Dazu wieder dezent kräutrige Noten und eine sehr präzise Säure. Klingt lange nach.
Toller Riesling, der aber auch noch etwas Kellerreife verträgt. 

93-95, 2026-2035+


Fazit: Das sind zwei sehr schöne und auch nicht ganz unähnliche Rieslinge. Der Wein von P.J. Kühn gefällt mir dabei nochmal ein gutes Stück besser als der von Balthasar Ress.