Sonntag, 30. Juni 2019

Das Gute an der Werbung

Nachdem mit letzte Woche einiges an Werbung für österreichische Weißweine in den virtuellen Briefkasten flatterte, mußte es heute ein Österreicher sein. Die Werbung beeinflußt einen halt doch.

Meine Wahl fiel auf den 2015er Zöblinger Heiligenstein des Weinguts Bründlmayer aus dem Kamptal. Dieser Wein geht mit einigen Vorschußlorbeeren in Form hoher Punktbewertungen durch andere Verkoster an den Start. Man durfte also gespannt sein.




2015 Bründlmayer Zöblinger Heiligenstein Riesling Alte Reben
Strohgelb.
In der Nase recht ausgeprägt, komplex und tief, mineralisch geprägt, viel Kräuter, aber auch Noten von Steinfrüchten.
Am Gaumen straff wirkend, viel Zug, eindeutig auf der kräutrigen Seite, lang.
Hervorragender Riesling mit viel Zukunft. Allenfalls am Anfang der Trinkreife.
92-94+, 2020-2030+

Da hat die Werbung also doch ihr Gutes gehabt. Ohne sie hätte ich diesen Wein nämlich heute nicht getrunken. Die beiden restlichen Flaschen bleiben allerdings noch etwas im Keller.

Freitag, 14. Juni 2019

Grosses Tennis

Zum Glück halte ich es mit dem Riesling nicht so wie mit dem Tennis. Ich muss da jetzt wohl etwas weiter ausholen, um das zu erklären. Im Sommer 1991 habe ich ein Praktikum in London gemacht. Es war ein ziemlich regnerischer Sommer. Die Wetten (Engländer wetten auf alles), dass es im Juni jeden Tag regnen würde, wurden erst am 29. verloren. Die Gesetzmäßigkeit schien zu sein "je blauer der Himmel am Morgen, desto eher setzt am Nachmittag der Regen ein". Das Wetter führte dazu, dass beim Tennisturnier in Wimbledon sehr viele Matches ausfielen. Daher wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Turniers am mittleren Sonntag gespielt. Der Tag wurde "Peoples' Sunday" getauft. Für diesen Tag gab es keinen normalen Ticket-Vorverkauf, sondern alle Tickets gingen in den freien Verkauf am Sonntagmorgen. Man musste also nur früh genug aufstehen und sich anstellen. Das habe ich gemacht und für 10 Pfund ein Ticket erworben. Und eine einzigartige Stimmung erleben dürfen. Das Durchschnittsalter des Publikums war etwa 30 Jahre geringer als sonst. Es gab La Ola und Standing Ovations auf dem Centre Court. Und es gab einige der ganz grossen Tennisspieler. Unter anderem Ivan Lendl (der nach 2:0 Satzrückstand noch gegen MaliVei Washington gewann) und Martina Navratilova. Höhepunkt war am späten Nachmittag der Auftritt von Jimmy Connors. Er verlor zwar (gegen Derrick Rostagno, just for the record), aber das Publikum hätte jeden einzelnen seiner Bälle übers Netz geschrien, wenn es gekonnt hätte. Es war ein grossartiger Tag (guckstu auch hier). Danach habe ich beschlossen, nie wieder ein Tennisturnier zu besuchen. Ich war überzeugt, das beste erlebt zu haben, was dieser Sport zu bieten hat und wollte mir daher Enttäuschungen ersparen.

Wenn ich das mit dem Riesling genau so halten würde, hätte ich am 30. Mai mit dem Rieslingtrinken aufhören müssen. An diesem Tag habe ich erstmals bei den Keller Open mitgespielt. Nein, das ist kein Tennisturnier, sondern die Jahrgangspräsentation des Weinguts Keller in Flörsheim-Dalsheim. Angesichts der Reputation des Weinguts (und der Qualität der Weine - die Reputation fällt ja nicht vom Himmel) war das natürlich eine sehr gut besuchte Veranstaltung (wenn es auch weniger Besucher waren als beim Peoples' Sunday). An drei verschiedenen Ständen gab es Nicht-Rieslinge, trockene Rieslinge und restsüße Weine zu verkosten. Detaillierte Notizen habe ich mir nicht gemacht. Der 2018er "von der Fels" hat mir ausserordentlich gut gefallen, ausserdem der halbtrockene Riesling RR sowie (natürlich) die beiden GGs aus Kirchspiel und Hubacker.

Am Stand mit den restsüßen Weinen konnte man (gegen Entgelt, das in diesem Fall aber mehr als angemessen war) einige Weine probieren, deren Marktpreise weit ausserhalb meines Beuteschemas liegen. So kamen dann also drei Trockenbeerenauslesen aus der Abtserde zunächst in mein Glas und danach auch in meine Riesling Hall of Fame.




2013 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
In der Nase sehr intensiv, Rosinen, Früchtebrot, Feigen.
Am Gaumen dickflüssig, Tee, Trockenfrüchte, minutenlanger Nachhall.
95-97

2011 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
Wieder sehr intensive Nase mit Noten von Rosinen, Trockenfrüchten und Schwarzbrot
Am Gaumen viskose Textur, getrocknete gelbe Früchte, ewig lang.
94-96

2009 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
In der Nase intensive Noten gelber Früchte, viel Aprikose
Am Gaumen eine perfekt gereifte TBA, großartige Fruchtintensität mit dominierenden gelbfruchtigen Aromen
Wirkt trotz der enormen Süße nie schwer, ewig lang.
98-100

Ich kann mir schwer vorstellen, wie Riesling besser gehen soll als mit der 2009er TBA. Aber, anders als beim Tennis, werde ich versuchen, es herauszufinden.

Sonntag, 19. Mai 2019

Flaschenpost aus dem Libanon

Das libanesische Chateau Musar ist mir natürlich ein Begriff, aber oft getrunken habe ich die Weine noch nicht. Das ist wahrscheinlich ein Fehler, denn die zwei oder drei Begegnungen in der Vergangenheit waren durchweg erfreulich. Die Weine sind eigenständig (was vermutlich neben der Herkunft auch an der ungewöhnlichen Rebsortenzusammenstellung mit Cabernet Sauvignon, Carignan und Cinsault liegt). Der Wein wird aus Trauben bereitet, die von vielen Vertragswinzern nach Vorgaben des Chateaus angebaut werden. Erzeugt werden verschiedene Weiß- und Rotweine, aber das Flaggschiff ist (natürlich) der rote Chateau Musar. Heute gab es den 2007er, den ich vor einiger Zeit aus Neugier als Einzelflasche bestellt habe.

Einen netten, wenn auch etwas älteren Reisebericht gibt es hier (Serge Hochar verstarb Ende 2014. Labor Omnia Vincit ist der Wahlspruch des Gutes, der auch das Etikett ziert).





2007 Chateau Musar, Bekaa Valley, Libanon
Mittleres Rot mit leichten orange-braunen Reifenoten
Faszinierende und vieschichtige Nase, Leder, Gewürze, reife dunkle Früchte und eine leicht ätherische Note, die dem ganzen Frische verleiht. Mit mehr Luft kommt Kirsche hinzu.
Am Gaumen sehr komplex, dunkelfruchtig, wieder Gewürze, dezente Fruchtsüße und genug Tannin, um dem ganzen Grip zu geben, lang. Die 14% Alkohol sind nicht spürbar und der Wein macht auch nicht satt - im Gegenteil, man hat Lust auf den nächsten Schluck und das nächste Glas. Jetzt in hervorragender Trinkreife.
92-94, bis 2025

Fazit: Ein hervorragender und eigenständiger Rotwein.

Donnerstag, 16. Mai 2019

Volle Breitseite

Nachdem es in den letzten Monaten hier was Rotweine angeht doch recht bordeauxlastig war, geht es heute noch ein Stück weiter nach Süden, nämlich ins spanische Toro-Gebiet. Die Weine der Bodega Numanthia haben hier durch sehr positive Kritikerbewertungen von sich Reden gemacht, insbesondere im Jahrgang 2004. Ich habe seinerzeit davon einige Flaschen gekauft, aber den Wein seit vielen Jahren nicht mehr getrunken. Heute war mir nach einer vollen Breitseite zumute, und der Numanthia hat geliefert...



2004 Numanthia
Mittleres bis dunkles Rot mit ersten bräunlichen Reifenoten am Rand
In der Nase intensiv, rote und dunkle Früchte, etwas Leder, Gewürze. Wirkt insgesamt deutlich jünger, als er ist. Am zweiten Tag ist eine leicht portige Note wahrnehmbar.
Schiesst am Gaumen aus allen Rohren: Sehr intensiv und nachhaltig, wärmender Alkohol, sehr lang und dabei leicht trocknend im Abgang. Eindrucksvoll, aber ohne die Finesse, die einen grossen Wein ausmacht.
90-92, bis 2025


Fazit: Der Wein ist so dick, dass er nur seitwärts durch die Tür passt. Gut ist er schon (auch wenn ich die vor langer Zeit vom Wine Advocate vergebenen 98 Punkte nicht mal aus der Ferne erkennen kann), aber er macht auch schnell satt.

Freitag, 10. Mai 2019

Von den Küsten der Steiermark

Das Wissen über die Steiermark ist offenbar begrenzt. So wurde sie im Film "Der letzte Tempelritter" ans Meer verlegt, denn im Film ist von den "Küsten der Steiermark" die Rede (der Film ist auch ansonsten nicht wirklich sehenswert). Was Wein angeht, bringe ich die Steiermark vor allem mit Sauvignon Blanc in Verbindung. Den gibt es natürlich (und wie!), aber es gibt vielfältige andere Weine und eine anscheinend experimentierfreudige Winzerschaft. Einen kleinen Einblick gab es auf einer Probe, die im Mai in Mannheim stattfand, mit eigens importierten Weinen.




Es ging los mit einem Wein aus der "Butter-und-Brot"-Sorte Welschriesling

2018 Krispel Welschriesling Klassik
In der Nase recht ausgeprägte Frucht, etwas Pfirsisch, auch leicht ins grasig-kräutrige gehend
Am Gaumen leichtgewichtig, im ersten Eindruck fast etwas parfümiert, Limette, leichte, aber nicht unangenehme Bitternote, eher kurz. 
83-85

Schilcher ist eine Spezialität der Weststeiermark. Er ist (meist) ein Rosé und wird aus der Rebsorte Blauer Wildbacher gekeltert. Sein Ruf ist (bzw. war) durchaus etwas zweifelhaft. Von Papst Pius VI, der Ende des 18. Jahrhunderts durch die Region reiste, ist das Zitat überliefert "Sie haben Uns einen rosaroten Essig vorgesetzt, den sie Schilcher nannten". So schlimm ist es heute nicht mehr.

2017 Reiterer Schilcher Engelweingarten Alte Reben
Sehr kräftiges Rosa mit Orangenoten
In der Nase dezent rotfruchtig mit Himbeeren und Erdbeeren
Auch am Gaumen rotfruchtig, ausgeprägte Säure, leichte Bitternote, dezent nussig.
83-85

Als nächstes gab es einen Muskateller-Sekt

Polz Non-vintage Muskateller brut (traditionelle Flaschengärung)
In der Nase dezente, aber feine Musaktnote, gelbe Früchte, Holunderblüte
Auch am Gaumen feine Muskatelleraromatik, kräftige Perlage
84-86

Danach ein Chardonnay, der in Österreich als Morillon firmiert

2017 Schauer Morillon Schiefergestein
In der Nase fein, spürbarer Holzeinsatz
Am Gaumen deutliche Holzprägung, nussig, leichte Zitrusnote
Hätte mir mit weniger Holzeinsatz wohl noch besser gefallen
85-87

Nun aber zur steirischen Paradesorte, dem Sauvignon, der hier sehr gut gelingt. Wir beginnen mit einem Wein aus der Kategorie "Steirische Klassik", die wohl am ehesten einem Gutswein entspricht (allerdings sind die Weine etwas teurer als deutsche Gutsweine guter Häuser).

2017 Erwin Sabathi Sauvignon Blanc Steirische Klassik
Nase recht ausgeprägt, exotische Frucht, Stachelbeere, leicht ins grasig-grüne gehend
Am Gaumen vergleichsweise neutral, ausgeprägte Säure, gewisse Länge
85-87

Der nächste Wein war ein "Rieden-Wein", was einer Ersten Lage nach VdP-Regeln in etwa entsprechen dürfte.

2017 Wohlmuth Sauvignon Blanc Steinriegl
In der Nase intensiv und nachhaltig, eher gelbfruchtig, Holunderblüten
Auch am Gaumen nachhaltig, intensive aber unaufdringliche Frucht, sehr dezent grasig
Leicht exotische Noten, gut integrierte Säure, lang. Der Wein spielt eine Liga höher als sein Vorgänger
89-91

Es geht noch eine Stufe höher, nämlich mit der "Grossen STK Lage"

2015 Tement Sauvignon Blanc Zieregg
Recht kräftiges Gelb
In der Nase zunächst eher "leise" aber nachhaltig, rauchig, gelbfruchtig, noch fast verschlossen wirkend
Am Gaumen sehr nachhaltig, sehr gut integriertes Holz, feine Säure, komplex und lang, dezent cremig.
Das ist großes Kino und gehört zum besten, was ich an Sauvignon Blanc bislang getrunken habe 
93-95

Riesling wird in der Steiermark eher wenig angebaut, aber in der Region Sausal in der Südsteiermark mit ihren Schieferböden gelingt er offenbar hervorragend

2016 Wohlmuth Riesling Edelschuh
In der Nase ausgeprägt, klare Rieslingaromatik, gelbe Steinfrüchte
Auch am Gaumen ausgeprägte Noten von gelben Steinfrüchten, hervorragend integrierte Säure.
Hervorragender Riesling auf dem Niveau guter GGs.
92-94

Nun kamen die Exoten. Zunächst ein Orange-Wein von Werlitsch. Das Weingut ist für seine "Ex-Vero"-Weine aus Sauvignon und Chardonnay bekannt, gehört daneben aber auch zu den Orange-Wein-Pionieren. Orange-Weine sind Weissweine, die im Prinzip wie Rotweine ausgebaut werden, also lange auf der Maische belassen werden. Die Farbstoffe aus den Schalen ergeben die orange Färbung, ausserdem haben die Weine oft ausgeprägte Tannine, die man bei Weissweinen ja eher nicht erwartet. Ich bin ehrlich gesagt kein Fan von Orange-Weinen. Bislang habe ich jedenfalls noch keinen getrunken, von dem ich mir eine Kiste in den Keller gewünscht hätte.

2015 Werlitsch "Glück" (Orange-Wein, Sauvignon und Chardonnay) aus der Tonflasche
Trüb, kräftiges Goldgelb
In der Nase intensiv, apfelig, aber auch eine ganz leicht muffige Note
Hat am Gaumen etwas "Strahlendes", wieder Apfel, vielschichtig, nachhaltig und lang, deutliche Tanninprägung
Ich kann verstehen, dass man diesen Wein faszinierend findet (ist er), aber ich kann genauso verstehen, wenn man ihn nicht mag. Der Wein erfordert Aufmerksamkeit, und mehr als ein Glas will man davon wahrscheinlich auch nicht trinken. Meine Erfahrung mit Orange-Weinen ist begrenzt, aber dieser hier gehört definitiv zu den besten, die ich bislang probiert habe 
91-93?

Der nächste Wein ist kein Orange-Wein, sondern ein Sauvignon, der nach jahrelangem Ausbau als Spätfüllung auf den Markt kam

2011 Maria und Sepp Muster "Graf" Sauvignon Blanc Spätfüllung
Reifes Goldgelb
Spannende Nase, etwas oxidativ, auch etwas Lösungsmittel ("Uhu"), Apfel
Auch am Gaumen leicht oxidativ, recht komplex, Schmelz, Holz kaum wahrnehmbar
88-90?

Die Steiermark ist zwar eindeutig Weissweinland, aber zum Abschluss gab es dann einen der seltenen Roten - und einen richtig guten noch dazu:

2007 Polz Urbani Reserve (50% Zweigelt, Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon)
Mittleres Rot ohne Reifetöne
In der Nase elegant, dunkelfruchtig
Am Gaumen eher schlank, rauchig, kühl wirkende Stilistik, Sauerkirsche, schön
90-92

Fazit: Eine schöne und vor allem sehr vielfältige und spannende Probe. Dass die Steiermark Sauvignon kann, ist keine neue Erkenntnis. Positiv überrascht hat mich der hervorragende Riesling von Wohlmuth (der aber leider nicht nur qualitativ, sondern auch preislich in der Liga der guten GGs mitspielt) und der "Urbani", der für knapp über 20 Euro (der Wein ist noch verfügbar) ein guter Kauf ist.


Sonntag, 28. April 2019

Warum in die Ferne schweifen?

„Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so Nahe"
(frei nach Goethe, "Erinnerung")

Am Samstag haben wir in vertrauter Runde 14 Rieslinge von der Nahe verkostet - 11 trockene und drei restsüße Weine. Die ersten zehn Weine wurden jeweils paarweise serviert. Die nachfolgenden Notizen stammen von der Nachprobe am folgenden Tag.



Los ging es mit zwei Einstiegs-Rieslingen:

2017 Jakob Schneider Riesling Grauschiefer
Mittleres Gelb
In der Nase recht zurückhaltender, reintöniger Duft nach gelben Steinfrüchten (Aprikose, Pfirsisch)
Am Gaumen ebenfalls gelbfruchtig, spritzige Säure, schön.
85-87

2017 Dönnhoff Riesling Tonschiefer
Mittleres Gelb
In der Nase etwas ausgeprägter, ebenfalls deutlich gelbfruchtig, vor allem Pfirsisch
Am Gaumen etwas voluminöser und nachhaltiger als der Grauschiefer, sehr klare gelbfruchtige Aromatik, lebhafte Säure.
87-89

Das geht gut los. Zwei sehr schöne Rieslinge. Der "Grauschiefer" bietet ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis (7,20 ab Hof). Der "Tonschiefer" ist nachhaltiger, etwas länger und vermutlich auch länger lagerfähig, aber auch ein Stück teurer.


Danach ging es "steil nach oben" - zwei Weine aus der Niederhäuser Hermannshöhle:

2017 Jakob Schneider Niederhäuser Hermannshöhle Riesling Magnus
Sattes Mittelgelb
In der Nase noch recht verschlossen, aber mit erkennbarer Tiefe. Mineralisches Fundament, gelbfruchtig, aber auch Orangen, prägnante Säure, sehr animierend
Am Gaumen viel Volumen, nachhaltig, tief, mineralisch unterlegte Gelbfrüchte, lang
90-92

2017 Dönnhoff Niederhäuser Hermannshöhle Riesling GG
Kräftiges Mittelgelb, aber etwas heller als der Magnus
Im Duft vor allem mineralisch geprägt, dahinter angedeutete gelbfruchtige Aromen, die mit mehr Luft intensiver werden, tief
Am Gaumen wirkt das abgrundtief, prägende Mineralik, dabei von grosser Klarheit. Perfekt integrierte Säure, sehr lang. Braucht Zeit.
95-97 aufgenommen in meine Riesling Hall of Fame

Der Magnus ist ein toller Riesling, der in der GG-Liga locker mitspielen kann. Für 19,50 bekommt man hier ganz viel Wein. Dönnhoffs Hermannshöhle spielt aber eine Liga höher, das ist "Riesling ganz oben". Ich bin froh, beide Weine im Keller zu haben.


Die nächsten Weine stammten aus dem Jahr 2013. Zunächst zweimal Monzinger Frühlingsplätzchen:

2013 Schäfer-Fröhlich Monzinger Frühlingspätzchen Riesling GG
Reifes Goldgelb
In der Nase intensiv, ausladend, reif wirkend, Noten von Apfel, etwas Zitrus, mit mehr Luft auch Erdbeeren(?)
Auch am Gaumen eine volle Breitseite, reifer Apfel, prägnante Säure, schöner Schmelz.
89-91

2013 Emrich-Schönleber Monzinger Frühlingspätzchen Riesling GG
Ebenfalls Goldgelb
In der Nase zurückhaltender, aber auch feiner, ausgeprägte Mineralik, süßer Apfel, reif
Am Gaumen sehr elegant, kräftige, aber gut eingebundene Säure, mineralisch, etwas Apfel, lang
91-93

Schäfer-Fröhlich kommt mit dem Säbel, Emrich-Schönleber mit dem Florett. Beides schöne Weine, aber der filigranere Stil gewinnt hier


Danach, ebenfalls aus 2013, zweimal Schloßböckelheimer Felsenberg:

2013 Schäfer-Fröhlich Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling GG
Goldgelb
In der Nase von mittlerer Intensität, Noten von reifem süßem Apfel (aber weniger intensiv und plakativ als beim Frühlingsplätzchen)
Am Gaumen reife Frucht, auch hier wieder Apfel, gut intrgrierte Säure, Schmelz, lang.
90-92

2013 Dönnhoff Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling GG
Goldgelb
Das ist ganz anders in der Nase: Leise, ungemein delikat, rauchig, gelbfruchtig, tief
Das setzt sich am Gaumen fort: Ein "leiser" Wein von großer Tiefe, mineralisch, etwas Apfel, gelbe Steinfrüchte, ganz dezente (Extrakt?)Süße, sehr lang. Groß.
94-96

Der Felsenberg von Schäfer-Fröhlich gefällt mir etwas besser als das Frühlingsplätzchen. Aber gegen Dönnhoffs Felsenberg ist er chancenlos.


Wir bleiben bei Felsenberg, aber gehen nochmal vier Jahre zurück und eine Klasse tiefer, unterhalb der GG-Liga (2009 gab es bei Dönnhoff neben dem GG auch noch einen trockenen Lagen-Riesling aus dem Felsenberg).

2009 Crusius Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling
Reifes Goldgelb
Reife Riesling-Nase, schwer in Worte zu fassende Aromatik
Am Gaumen zunächst säurebetont, dann delikat, reif
Schön, aber ein klein wenig von der Säure dominiert.
87-89

2009 Dönnhoff Schlossböckelheimer Felsenberg Riesling
Reifes Goldgelb, ein klein wenig heller als der Wein von Crusius
Nase verhalten, reif, Feuerstein(?)
Am Gaumen wunderbar harmonisch, keinerlei Frucht mehr, aber auch keine Alterstöne. das ist einfach ein wunderbar harmonischer und alterslos wirkender Wein.
89-91

Zwei schöne gereifte Rieslinge.


Als nächstes ein Unikat:

2004 Emrich-Schönleber Monzinger Halenberg Riesling GG
Sehr reifes Goldgelb
In der Nase recht intensiv, deutliche Reifenoten, Aprikose
Auch am Gaumen reif wirkend, vielschichtig, wieder Aprikose, nachhaltig, ganz leicht Bitternote.
Sehr schöner, delikater Wein, der aber wohl nicht mehr lange gelagert werden sollte.
90-92, bis 2020


Und zum Abschluß drei restsüße Weine:

2017 Jakob Schneider Niederhäuser Hermannshöhle Riesling Spätlese
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase kräftige und (noch) etwas aufdringlich wirkende Frucht, Aprikose und Pfirsisch, animierend
Am Gaumen ausgeprägte Süße, die von einer prägnanten Säure gepuffert wird, gelbfruchtig, nicht sehr tief.
87-89


2006 Dönnhoff Norheimer Kirschheck Riesling Spätlese 
Sehr reifes Goldgelb mit Orangeschimmer
Sehr schöne Nase, klare und ausgeprägte Aprikosenfrucht
Am Gaumen wunderbar harmonisch, viel Aprikose, tolle Balance zwischen Süße und Säure, lang
92-94


2006 Crusius Schloßböckelheimer Felsenberg Riesling Auslese Goldkapsel
Sehr reifes Goldgelb mir Orangeschimmer
In der Nase intensiv, Aprikose, Trockenfrüchte
Am Gaumen ausgeprägte Süße, viel Frucht (Aprikose, auch Rosinen), lang
92-94

Die Hermannshöhle ist ein schöner Süßwein, aber im Vergleich zu den beiden anderen Weinen etwas einfacher gestrickt. Die Norheimer Kirschheck besticht durch ihre wunderbare Harmonie, während der Felsenberg sehr wuchtig daherkommt, "zähflüssig-vollfett" sozusagen.


Fazit: Eine schöne Probe mit sehr guten bis grossen Weinen, ohne jeden Ausfall.

Freitag, 19. April 2019

Believe the Hype


Das Weingut Peter Jakob Kühn in Oestrich kenne ich seit vielen Jahren. Der erste Wein, den ich dort vor Ort gekauft habe, war eine (sehr schöne) 1997er Spätlese. Damals war (jedenfalls mir) das Weingut als Erzeuger hervorragender (aber zumindest ab "Auslese" auch ziemlich teurer) edelsüßer Weine ein Begriff. Es folgte die Umstellung auf Biodynamie (seit 2004 ist das Gut zertifiziertes Demeter-Mitglied).

In den letzen Jahren hat das Gut verstärkt durch seine trockenen Weine auf sich aufmerksam gemacht. Ich kenne nicht alle Jahrgänge, erinnere mich aber an sehr schöne Rieslinge aus 2010 und 2013. Ein regelrechter Hype brach dann aus, als die Großen Gewächse des Jahrgangs 2014 vorgestellt wurden. Ich habe mir damals drei Flaschen "Sankt Nikolaus" gekauft und hatte immer vor, mal eine davon zu probieren, um mitreden zu können. Irgendwie ist es dazu aber nie gekommen. Bis heute Abend.

Ich kenne übrigens kein anderes deutsches Weingut, das seine Privatkunden im Internet so zuvorkommend behandelt: Im Onlineshop kann man alle Weine bestellen und ab dem Mindestbestellwert von 30 Euro wird frei Haus geliefert. Meiner letzten Lieferung lag zudem eine Karte mit einem netten handgeschriebenen(!) Text bei. (Und bevor jetzt jemand eine Nachtigall trapsen hört: Nein, ich habe keinerlei Beziehung zum Weingut ausser der, dass ich gelegentlich dort zu den normalen Konditionen Wein kaufe.)






2014 Peter Jakob Kühn Mittelheimer Sankt Nikolaus Riesling GG
Recht dunkles, reif wirkendes Goldgelb
In der Nase intensiv und vielschichtig, Kräuter, kandierte Zitrusfrüchte. Mit mehr Luft treten die Fruchtnoten stärker in den Vordergrund und es ist ein Hauch von Kamille(?) wahrnehmbar. 
Am Gaumen sehr komplex und tiefgründig, straff, ausgeprägte Mineralik trifft auf eine ausgeprägte, aber hervorragend integrierte Säure. Aromatisch dominieren Kräuter und wieder Zitrusfrüchte, feiner Schmelz, sehr lang. Trotz seiner Komplexität und Mineralität wirkt der Wein "warm" und macht nicht satt.
Das ist sicher kein archetypischer Rheingauer Riesling (ich weiß nicht, wo ich den Wein hingesteckt hätte, wenn man ihn mir blind serviert hätte), aber ebenso sicher ist das ein grosser Wein.
95-97, bis 2030 aufgenommen in meine Riesling Hall of Fame

Nachtrag: Im Mai zufällig entdeckt, dass ein österreichischer Händler den Wein noch im Programm hat, bei Abnahme von 6 Flaschen für weniger als 40 Euro frei Haus. Da warens wieder acht :-)

Schon vor einiger Zeit haben wir die erste von ebenfalls drei Flaschen 2013er Doosberg probiert:

2013 Peter Jakob Kühn Oestricher Doosberg Riesling GG
Sehr reife wirkendes Golgelb, das einen deutlich älteren Wein vermuten läßt
In der Nase ausgeprägte Frucht, sehr reintönige Aprikosenfrucht, unterlegt von kräutrigen Noten, dabei in sich ruhend, mit mehr Luft auch Teeblätter. Auf Basis des Geruchs hätte ich hier einen restsüßen Wein erwartet.
Am Gaumen dann aber betont trocken, wieder ausgeprägte Aprikosennote, mit mehr Luft kräutrig, spürbarer Gerbstoff, harmonisches Zusammenspiel aller Komponenten, lang.
Hervorragender, eigenständiger Riesling mit einem quasi meditativen Chrakter.
92-94, bis 2023+

Fazit: Das sind hervorragende und sehr eigenständige Weine. Grosses Kino.