Samstag, 20. März 2021

Die Mosel sieht doch besser Riesling

Kürzlich war hier die Rede (oder eigentlich ja die Schreibe) von Spätburgunder von der Mosel (guckstu hier). Die Weine waren gut, aber es stellt sich (mir jedenfalls) trotzdem die Frage, ob man mit Riesling an der Mosel nicht besser fährt. Gestern und heute kamen drei trockene 2019er des Weinguts Fritz Haag ins Glas und punkteten pro Riesling. Unter den Weinen befand sich der im Wine Advocate mit 94(!) Punkten geadelte trockene Gutsriesling und ausserdem der Brauneberger Ortsriesling "J" und das Grosse Gewächs aus der Juffer-Sonnenuhr. 



 

2019 Fritz Haag Riesling

Schöne, ausgeprägte und frische Rieslingnase mit deutlich mineralischer Prägung, gelbfruchtig (Pfirsisch)
Auch am Gaumen mineralisch geprägt, lebhafte Säure, gelbfruchtige Aromatik, sehr klar und transparent, gute Länge 

87-89, bis 2025


2019 Fritz Haag Brauneberger Riesling "J"

In der Nase recht ausgeprägt, gelbfruchtig, etwas süße Ananas
Am Gaumen noch etwas verschlossen, herb, gelbfruchtig-kräutrige Aromatik, präsente, aber gut integrierte Säure, recht kraftvolles Finale 

89-91, bis 2025+


2019 Fritz Haag Brauneberger Juffer- Sonnenuhr Riesling GG

In der Nase etwas rauchig, komplex, ausgeprägt gelbfruchtig, tief
Baut am Gaumen viel Druck auf, wieder gelbfruchtige Armomatik, sehr präzise, ausgeprägte und salzig wirkende Mineralik. Sehr nachhaltig und lang.
Schöner Wein mit großem Potential. 

92-94, bis 2030+ 


Fazit: Das sind drei in ihrer jeweiligen Klasse hervorragende Rieslinge. Der Gutsriesling bietet in seiner Kategorie (und damit ist ausdrücklich auch die Preiskategorie gemeint - der Wein kostet knapp 10 Euro) ungewöhnlich viel. Die 94 Punkte im Wine Advocat sind dabei möglicherweise eher belastend, denn sie wecken meiner Meinung nach Erwartungen, die der Wein weder erfüllen kann noch (vermutlich) will. Der Ortswein (€ 15,50) legt da nochmal eine Schippe drauf. Das Große Gewächs macht seinem Namen alle Ehre und ist ein hervorragender Riesling mit großem Potential. 

Das Weingut Fritz Haag spielt IMHO in der Champions League des Rieslings, und entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Weine. Schön zu sehen, dass diese hohen Erwartungen dann (anscheinend mühelos) erfüllt werden.

 

 


Freitag, 19. März 2021

So trinkt der Gaucho

Argentinische Weine kommen bei uns nicht sehr oft ins Glas. Vor einiger Zeit habe ich ein paar Flaschen des Altos las Hormigas (s.u.) erstanden, eines Malbec aus Gualtallarey. Da der Wein mir sehr gut gefiel, habe ich mir drei weitere argentinische Malbecs gekauft, um einen etwas besseren Eindruck zu bekommen.

 


 

2018 Zuccardi Malbec San Pablo Poligonos, Valle de Uco

Sehr dunkles, jugendliches Violettrot 
In der Nase recht intensiv, dunkle Früchte, leicht likörig wirkend, nicht sehr differenziert
Kraftvoller Gaumenauftritt, aber eine recht ausgeprägte Säure hält den Wein in der Spur. Wieder dunkelfruchtige Aromatik, das Tannin ist reif und bleibt im Hintergrund. Ein durchaus schöner, aber doch auch etwas beliebig wirkender Wein. 

86-88+, bis 2025+ 


2017 Gen del Alma Malbec "Crua Chan Gualta"

Recht dunkles Purpurrot
Recht ausgeprägter Duft, dunkle Früchte und eine kräutrige Note, die für Frische sorgt
Kommt am Gaumen üppig daher, mit kraftvoller, dabei leicht säuerlich wirkender Frucht. Viel reifes und nur ganz leicht trocknendes Tannin, gute Länge, Potential. Legt in der geöffneten Flasche über Tage zu.
89-91+, bis 2026+


2015 Trapiche Terroir Series Malbec "Finca Coletto", Mendoza

Sehr dunkles, jugendlich wirkendes Rot mit Purpurrand
In der Nase dunkle Früche (Holunder?), vanillige Würze vom Holz, das Ganze aber sehr ausgewogen wirkend und mit einer gewissen Komplexität
Am Gaumen vollmundig ohne überladen zu wirken, wieder Noten von dunklen Früchten, spürbarer, aber sehr gut dosierter Holzeinsatz, schöne Säure, zugänglich 
Das ist ein sehr guter, modern vinifizierter Wein, der ein recht breites Geschmacksprofil ansprechen dürfte. 

91-93, bis 2030


2017 Altas Las Hormigas

Sehr dunkles, ins Violette spielendes Rot
In der Nase ausgeprägte Noten nach dunklen Früchten (Brombeeren) mit einem leicht säuerlich-herben Fruchteindruck, der Frische verleiht
Am Gaumen recht viel reifes Tannin, dahinter wieder dunkelfruchtig, frische Säureader, nachhaltig und lang.
Insgesamt sehr gut proportionierter Wein mit Potential. Dürfte mit zwei bis drei Jahren Lagerung noch zulegen. Sehr schön.

92-94, bis 2030 


Fazit:

Der Poligonos ist angesichts seines Preises von über 30 Euro eine Enttäuschung. Der Crua Chan Gualta ist ein schöner Wein mit klarem Potential und sein Geld (knapp 30 Euro) eindeutig wert. Der Wein von Trapiche ist sehr gut. Wenn man ihm etwas vorwerfen will dann, dass er nicht sonderlich individuell ist, sondern eher ein crowd pleaser. Aber ein Wein ist ja nicht deshalb schlecht, weil er vielen schmeckt.  Die Bewertung im Wine Spectator (88 Punkte, bis 2022) finde ich im übrigen doch etwas zu niedrig. Der Altos Las Hormigas gefällt mir aus der Serie am besten, da er der meiner Ansicht nach individuellste und charaktervollste Wein ist. Die im Wine Advocat vergebenen 96+ würde ich allerdings nicht unterschreiben. 

Insgesamt eine Serie schöner Weine mit (vom Poligonos einmal abgesehen) gutem Preis-Leistungsverhältnis.

Sonntag, 28. Februar 2021

Eine Entdeckung aus den Abruzzen

Auf der Suche nach etwas ganz anderem bin ich zufällig auf diesen Wein gestossen und habe aus Neugier eine Flasche bestellt. Er stammt aus den Abruzzen und wird aus der authochtonen Rebsorte Pecorino gekeltert, die außer in Italien anscheinend nur noch in Peru angebaut wird (guckstu hier). Ein Glücksgriff, denn das ist ein wirklich guter und eigenständiger Wein.

 


 

2018 De Fermo Pecorino Colline Pescaresi "Don Carlino"

Kräftiges Goldgelb
In der Nase recht intensiv, primär mit Kräuteraromen, Hefe, etwas Apfelschale
Spannende Textur am Gaumen, griffiger Gerbstoff, gut integrierte Säure, salziges Mundgefühl, ganz dezenter Schmelz (Holzausbau?). Aromatisch auch hier wieder kräutrig, ohne wahrnehmbare Fruchtnoten. Gute Länge.
Das ist ein ausgesprochen spannender Wein, bei dem (so vermute ich) mit längerer Maischestandzeit gearbeitet wurde. Das passt hier hervorragend und ergibt einen ebenso interessanten wie "trinkigen" Wein. Wie lange das lagerfähig ist, vermag ich nicht zu sagen, aber ein paar Jahre sollten da sicher noch "drin" sein.

90-92, bis 2025?

 

Samstag, 27. Februar 2021

"mon cœur est à Calon"

Ich habe eine Schwäche für Château Calon-Ségur, für die ich selber keine gute Erklärung habe. Ich habe den Wein in einer ganzen Reihe von Jahren - grossen wie kleineren - subskribiert. Die aus den wirklich guten Jahren liegen noch unangetastet im Keller. Von denen aus den kleineren Jahren habe ich einige getrunken. Sie waren alle gut, aber keiner war wirklich beeindruckend (was natürlich wiederum auch an den Jahrgänge liegen dürfte). Auf das erste Wow-Erlebnis warte ich also noch. Vielleicht bieten das die Weine der jüngeren Jahrgänge wie 2016, 2018 und 2019, in denen Calon-Ségur angeblich hervorragend gelungen ist. Vielleicht geht es mir auch nur wie dem Marquis de Ségur, von dem die Aussage überliefert ist "Je fais du vin à Lafite et à Latour, mais mon cœur est à Calon". Nur - warum ich mein Herz gerade an dieses Gut verloren haben sollte, muß ich erst noch herausfinden. Nächste Station auf der Suche war heute der 2001er und damit ein weiterer Wein aus einem eher kleineren Jahrgang.

 


2001 Chateau Calon-Ségur 

Sehr dunkles Rot mit leichter orange-bräunlicher Reife am Rand
Duftet zunächst verhalten, mit mehr Luft intensiver nach feuchtem Waldboden, dunklen Früchten und Crême de Cassis. Nach einigen Stunden in der Karaffe werden die dunkelfruchtigen Note intensiver, ein rauchiger Aspekt tritt hinzu und das Ganze wirkt zunehmend stimmiger und eleganter.
Am Gaumen mittelgewichtig mit eher kühler Stilistik, auch hier wieder ein Mix aus Bodennoten und dunklen Früchten, noch präsentes und leicht trocknendes Tannin, dadurch etwas rustkal wirkend. Recht langes, auf mineralischen Noten endendes Finale
Das ist ein schöner, klassischer Bordeaux aus einem mittleren Jahrgang der sicher noch das ein oder andere Jahr durchhält. Allzu sehr strapazieren sollte man sein Glück allerdings nicht, denn am zweiten Tag wirkte der Wein deutlich gezehrt.

89-91, bis 2023

Einstieg auf hohem Niveau

Weine aus dem Piemont trinken wir eher selten und wir haben auch nicht viel davon im Keller. Kürzlich habe ich aus Neugier eine Flasche des Barolo "Castiglione" von Vietti aus dem sehr guten Jahrgang 2016 gekauft. Der Castiglione ist der Einstiegs-Barolo des Hauses Vietti. Er wird aus den Trauben mehrerer kleiner Lagen gekeltert, die nicht separat ausgebaut werden. "Einstiegs"-Barolo heisst im übrigen weder, dass der Wein in irgendeinem Sinne "einfach" wäre, noch, dass er besonders preiswert wäre (um die 45 €). Er bietet aber sehr guten Gegenwert für seinen Preis.

 


2016 Vietti Barolo "Castiglione"

Mittleres bis dunkles Rot, am Rand altrosa
In der Nase intensiv und vielschichtig, Pflaume, Schwarzkirsche, Rosenblätter, Gewürznoten (Nelke?), Tabak und eine pfeffrige Würze
Am Gaumen kraftvoll, an Pflaume erinnernde Frucht, Tabak, eine ordentliche Ladung noch leicht trocknendes Tannin, feiner Säurenerv, lang
Sehr schöner Wein, der bei aller Konzentration nie schwer oder schwerfällig wirkt. Schon gut trinkbar, aber mit Potetial für längere Lagerung. Dafür spricht auch, dass der Wein auch nach zwei Tagen in der geöffneten Flasche noch voll präsemt und in bester Form war.

92-94, bis 2030+

Freitag, 26. Februar 2021

Ein Schnäppchen

Im November flatterte mir das Restpostenangebot eines Händlers in den virtuellen Briefkasten. Eine sehr schöne Auswahl vor allem an gereiften edelsüßen Rieslingen, und das mit 50% Rabatt. Da konnte ich trotz übervollen Kellers nicht widerstehen. Unter anderem landete eine Versteigerungs-Auslese des Karthäuserhofs in meinem Einkaufskorb, für etwas über 17 Euro pro Halbflasche. Die erste Flasche gab es heute zum Nachtisch. 



2010 Karthäuserhof Eitelsbacher Karthäuserhofberg Riesling Auslese Nr. 43 (Versteigerung) 

Reifes Goldgelb
In der Nase sehr schöne Frucht, primär Pfirsisch und Aprikose, exotische Noten (Maracuja), Vanillegebäck
Am Gaumen viskose Textur, wieder gelbe Steinfrüchte mit leicht exotischem Einschlag, die Süße wird von einer analytisch vermutlich hohen, aber sehr unaufdringlichen Säure bestens balanciert, im sehr langen Abgang an Quitte erinnernde Bitternote
Hervorragende Auslese und jetzt in bester Trinkreife. 

92-94, bis 2030+


Freitag, 19. Februar 2021

Die Mosel sieht rot

Die Mosel ist Rieslinggebiet. Das war zwar historisch gesehen nicht immer so, prägt aber trotzdem das heutige Image des Anbaugebiets. Mittlerweile wird aber auch (wieder) vermehrt Rotwein angebaut, primär Spätburgunder. Einige Winzer, wie Markus Molitor und Daniel Twardowski, erzielen dabei durchaus beachtliche Preise für ihre Pinots. 

In einer virtuellen Probe haben wir heute drei Mosel-Pinots getestet. Alle entstammen dem Jahrgang 2016  und dem leicht gehobenen Preissegment (25-32 €).



2016 Nik Weis St. Urbans Hof Pinot Noir "unfiltriert"

Mittleres Rot mit leichter Brauntönung am Rand
In der Nase recht ausgeprägt und charmant wirkend, Schokolade, dunkle Früchte
Auch am Gaumen Schokolade, wieder dunklé Früchte, zurückhaltendes Tannin. Am zweiten Tag kommt eine deutlich wahrnehmbare Holzwürze hinzu.
Angenehm zu trinken und ohne Ecken und Kanten. 

86-88, bis 2024 


2016 Markus Molitor Brauneberger Mandelgraben Pinot Noir *

Helles Rot
Gibt in der Nase (noch?) nicht viel preis, in der Tendenz eher rotfruchtig, mit Luft zunehmend interessanter werdend
Am Gaumen sehr stimmig mit schöner Harmonie zwischen der (wieder eher roten) Frucht, dezentem Gerbstoff und recht lebhafter Säure, mittlere Länge. Mit mehr Luft tritt die Säure etwas stärker in den Vordergrund. Wirkt am zweiten Tag tiefgründiger und interessanter.
Weniger zugänglich, aber am Ende etwas spannender als der Wein von Nik Weis
88-90+, bis 2025+


2016 Steinmetz und Hermann Pinot Noir 

Mittleres Rot
In der Nase interessant und recht tiefgründig, florale Obertöne, dann rotfruchtige Noten (Erdebeeren, Himbeeren) und Noten von Trockenkräutern 
Am Gaumen prägende Säure, rotfruchtige Aromatik, spürbares Tannin
Das ist am ersten Tag der spannendste der drei Weine mit klarem Zukunftspotential. Am zweiten Tag kann der Wein von Molitor aber (mindestens) gleichziehen.

88-90, 2023-2028+


Fazit: Das sind drei sehr ordentliche, aber auch sehr unterschiedliche Pinots. Der Wein von Nik Weis ist charmant, aber irgendwie auch nicht sehr spannend. Der Pinot von Markus Molitor fährt noch mit angezogener Handbremse. Man hat das Gefühl, dass da noch etwas kommen könnte, und tatsächlich wird der Wein über Tage in der geöffneten Flasche besser. Abgefüllt ist der Wein in einer Flasche, die so schwer ist, dass sie eigentlich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen sollte. Der Pinot Noir von Steinmetz und Hermann ist am ersten Tag der spannendste, aber auch der forderndste Wein der Serie. Zudem hat er (mit 12% laut Etikett) den niedrigsten Alkoholgehalt. Längerfristig würde ich aber eher auf den Wein von Molitor setzen.