Freitag, 12. Juni 2020

First Encounter

Seit einige Zeit begegnet mir hier und da der Name Saalwächter, ein mir zuvor unbekanntes Weingut im rheinhessischen Ingelheim. Insbesondere der Chardonnay des Gutes wurde sehr gelobt. Über das Weingut etwas herauszufinden ist nicht ganz leicht, denn die Webseite ist, höflich ausgedrückt, derzeit nicht sehr informativ.
Auf der Webseite von einem meiner Stammdealer fand ich dann nicht nur einige Weine des Gutes, sondern auch eine Beschreibung. Demnach hat der junge Winzer, Carsten Saalwächter, sein Handwerk bei renommierten Betrieben in Deutschland und Burgund gelernt und ist seit 2017 für die Weine des heimischen Betriebs verantwortlich. Dieser verfügt über 11,5 Hektar in Rheinhessen und eine gepachtete Fläche in Assmannshausen. Angebaut werden vorwiegend Sorten aus der Burgunderfamilie. Die Weine (jedenfalls die, die ich bislang gesehen habe) werden als "Landwein Rhein" vermarktet. Für meine erste Begegnung hätte ich eigentlich gerne den jeweils preiswertesten Weiß- und Rotwein gehabt. Bei den weißen wäre das aber ein Grauburgunder mit 14% Alkohol gewesen, was mir zuviel war. Daher habe ich einen 2018er Weißburgunder gewählt, der mit 19,80 Euro schon recht ambitioniert bepreist ist (zu Recht allerdings, wie man unten nachlesen kann). Er stammt von einer hochgelegenen und (schmeckbar) kalkhaltigen Parzelle und hat 12,5% Alkohol. Bei den roten habe ich den Basis-Spätburgunder aus 2017 für 13,90 gewählt.



2018 Saalwächter Weißer Burgunder
Recht kräftiges Gelb
In der Nase eher zurückhaltend aber sehr reintönig, kalkige Mineralik, sehr zurückgenommene gelbe Frucht 
Am Gaumen kühle Stilistik, ausgeprägt mineralische Note, eher schlanker Bau, wieder sehr zurückgenommene Frucht, dezente Zitrusnote, elegant, recht lang mit leicht salzigem Finale
Ein sehr schöner und eigenständiger Weißburgunder mit für die Rebsorte (jedenfalls nach meiner Erfahrung) eher untypischer Mineralik. Blind hätte ich wohl auf Chardonnay getippt.
89-91, bis 2025+

2017 Saalwächter Spätburgunder
Helles bis mittleres Rot, am Rand leichte Orange-Noten
In der Nase recht ausgeprägt, eher auf der dunkelfruchtigen Seite, Schwarzkirsche, Trockenkräuter
Am Gaumen schöne Frucht, Kirsche und Kirschkerne, eher kühle Stilistik, dezenter Tannin-Grip und eine belebende Säure, gewisse Länge
Schöner Spätburgunder, dessen Aromatik mich an Rheingauer Spätburgunder erinnert.
87-89, bis 2023+

Fazit: Das war zwar die erste, aber sicher nicht die letzte Begegnung mit dem Weingut Saalwächter. Die beiden Weine waren richtig gut und machen neugierig auf die höherwertigen Spätburgunder und den Chardonnay. Ich werde beizeiten berichten.


Samstag, 30. Mai 2020

Einen kleinen Blick riskieren

Leider fallen ja in diesem Jahr die meisten Jahrgansverkostungen aus, so dass es nicht leicht ist, sich ein Bild von der Qualität des Jahrgangs zu machen. In einem "Paket für Helden", das ich bestellt habe (https://www.heeswein.de/weingut/probierpakete/index.html) befand sich nun (unter anderem) eine Flasche 2019er Roxheimer Höllenpfad von Dönnhoff. Die ist natürlich kein vollwertiger Ersatz für die normalerweise zu dieser Jahreszeit anstehende Verkostung des Gesamtsortiments vor Ort, aber sie erlaubt es jedenfalls, einen kleinen Blick zu riskieren. Und der ist sehr vielversprechend.




2019 Dönnhoff Roxheimer Höllenpfad Riesling Erste Lage
Recht sattes Mittelgelb
In der Nase recht ausgeprägt und vielschichtig, Orangenschale, vor allem aber deutliche Kräuternoten. Am zweite Tag ist die Orangennote intensiver.
Am Gaumen ausgesprochen saftig, gut integrierte Säure, auch hier aromatisch klar auf der kräutrigen Seite, mineralische Noten, im Abgang lang und leicht salzig
Hervorragender Riesling auf dem Niveau vieler Großer Gewächse
90-92, bis 2025+




Mittwoch, 27. Mai 2020

Vor der Haustür

Die Ahr liegt, von Bonn aus gesehen, quasi vor der Haustür. Trotzdem findet sich in unserem Keller mal gerade eine Handvoll Flaschen aus diesem kleinen Anbaugebiet. Das liegt teilweise daran, dass nach meiner (bescheidenen) Erfahrung das Preis-Leistungs-Verhältnis der Spätburgunder anderer Anbaugebiete besser ist. Trotzdem interessierten mich die Weine von Julia Bertram. Sie ist (nach dem Weinbau-Studium in Geisenheim) in den elterlichen Betrieb (das Weingut Sebastian) eingestiegen und hat dort aus dem Jahrgang 2013 die ersten Weine unter eigenem Namen produziert. 2017 hat sie den Betrieb dann ganz übernommen. Angebaut werden nur Früh- und Spätburgunder.

Der Basis-Spätburgunder heisst "Handwerk". Daneben gibt es Ortsweine und Lagenweine. Probiert habe ich zwei Spätburgunder, den 2018er Handwerk und den 2017er Wein aus der Lage Mayschosser Mönchberg.






2018 Julia Bertram Spätburgunder "Handwerk"
Recht helles, leuchtendes Rot mit Violettschimmer
In der Nase recht ausgeprägte, wenn auch nicht sehr komplexe Frucht, etwa Himbeere, Cassis und eine leicht "wacholdrige" Note
Am Gaumen eher leichtgewichtig, wenig Tannin, dafür verleiht eine ausgeprägte Säure Struktur, eher dunkelfruchtige Aromatik, guter Trinkfluß und angenehm leicht im Alkohol (12%).
85-87, wohl eher jung zu trinken

2017 Julia Bertram Mayschosser Mönchberg Spätburgunder
Recht helles Rot mit leichten Orange-Noten am Rand
Die Nase ist intensiv und komplex, mit Noten von Trockenkräutern, dunklen Früchten und etwas Schokolade
Am Gaumen kühle Stilistik, reintönige und wieder eher dunkelfruchtige und kräuterwürzige Aromatik, etwas Milchschokolade, dezentes Tannin und eine feine Säureader verleihen Struktur, guter Trinkfluß, ziemlich lang. Auch dieser Wein ist erfreulich niedrig im Alkohol (12,5%)
90-92, bis 2025+

Fazit: Zwei sehr schöne Weine. Natürlich ist der Mönchberg (auch preislich) eine ganz andere Hausnummer als der Handwerk, aber beide Weine verbindet ein guter Trinkfluß, die prägende Säure und der niedrige Alkoholgehalt.

Mittwoch, 6. Mai 2020

Eine Premiere

Ich gestehe, ich habe Dornfelder gekauft. Ich. Dornfelder. Zwei Flaschen.

Ich brauchte noch zwei Flaschen, um einen 6er-Karton voll zu machen, was wiederum für die versandkostenfreie Lieferung nötig war. Auf der Seite mit den aktuellen Angeboten fiel mir dann dieser "Late Release"-Dornfelder aus dem Jahr 2015 und aus gutem Hause - dem Pfälzer Weingut Reichsrat von Buhl - auf. Da er diesseits von 10 Euro kostete, schien mir das Risiko akzeptabel, und so kam ich also zu meinem ersten selbst gekauften Dornfelder.





2015 Reichsrat von Buhl Dornfelder Late Release
Sehr dunkles, blickdichtes Violett-Rot
In der Nase recht ausgeprägte Frucht, Kirsche, etwas Bittermandel
Am Gaumen vergleichsweie leichtgewichtig, wenig Tannin, angenehme dunkelfruchtige Aromatik, aber einfach gestrickt, recht kurz. Angenehm übrigens der mit 11,5% ausgesprochen niedrige Alkoholgehalt.
84-86, bis 2021


Dienstag, 5. Mai 2020

Die Neugier hat gesiegt


Eigentlich wollte ich die besseren 2016er Bordeaux liegenlassen, aber dann habe ich mich doch dazu hinreissen lassen, den Pavie Macquin zu probieren. Das ist ein Wein, von dem wir mittlerweile einige Jahrgänge im Keller haben. Da muss man sich dann doch ab und an mal versichern, das er auch schmeckt...
Der Wein besteht aus gut 80% Merlot, daneben Cabernet Franc und ein bisschen Cabernet Sauvignon.







2016 Chateau Pavie Macquin
Sehr dunkles, jugendliches Purpurrot mit Violettschimmer
In der Nase intensiv, viel Kirsche, daneben florale Noten, rote Beeren, Rauch, etwas Lakritze
Auch am Gaumen intensive Frucht, Kirsche dominiert, rote Beeren. Die Frucht ist so ausgeprägt, dass sie das Tannin an den Rand drängt. Auch der mit 14,5% hohe Alkohol macht sich nicht negativ bemerkbar. Lang. Momentan gut trinkbar.
Das ist kein Wein, der mit hintergründiger Feinheit und Eleganz punktet, sondern "volle Breitseite" - aber eben sehr gut und mit Potential.
94-96, bis 2035+


Dienstag, 28. April 2020

Bathing the baby's head

Mit einigen Monaten Verspätung haben wir in unserer Weinrunde die Geburt des jüngsten Mitglieds gefeiert. Dazu durften es dann ein paar Bordeaux aus der Ecke mit den älteren Flaschen sein. Und damit es nicht zu langweilig wurde, gab es als kleinen Kontrast zu den "Old-School-Bordeaux" ein paar "modernere" 2009er.

Was den Titel des Posts angeht: Während eines Aufenthalts in England vor Ewigkeiten erklärten mir meine damaligen Gastgeber (die seinerzeit ein Kind erwarteten), "Bathing the baby's head" sei ein Ausdruck für die Feierlichkeiten (oder das Besäufnis), mit dem man die Geburt des Kindes feiert. Ich habe den Ausdruck danach nie wieder gehört und konnte ihn auch nicht ergugeln. Aber da er mir gefällt, behalte ich ihn trotzdem bei.


1982 Chateau Ducru-Beaucaillou
Gereiftes Rot mit Orangetönen
In der Nase "herb" wirkend, dunkle Früchte, Kräuter
Am Gaumen eher rotfruchtig aber auch etwas Dörrpflaume, mit ordentlicher Säure ausgestattet, legt mit Luft im Glas noch zu.
90-92, bald trinken

1990 Chateau Montrose
Kräftiges Rot mit leichter Reife am Rand
In der Nase intensiv und komplex, Leder, dunkle Früchte, zunächst "staubig" wirkend, mit Luft intensivere Frucht, Cranberries
Am Gaumen sehr intensiv, herb, Cassis, noch viel (und leicht trocknendes) Tannin, hat noch Zeit
95-97

1986 Chateau Léoville-Barton
leider fehlerhaft (Kork), keine Bewertung

1986 Chateau Sociando Mallet (als "Ersatzspieler" für den Léoville-Barton aufs Feld geschickt)
Kräftiges Rot mit leichten Reifenoten
In der Nase recht kräftig, rotfruchtig, etwas Leder
Am Gaumen herb, recht kraftvolle Säure, eher dezent rotfruchtige Noten, wird mit mehr Luft uncharmanter
89-91

1986 Chateau Pichon Longieville Comtesse de Lalande
Mittleres Rot mit leichter Reife
In der Nase "herb" wirkend, rotfruchtig, recht komplex, wirkt mit Luft dezenter, feiner und entwickelt eine dunkelfruchtige Note
Am Gaumen eher dunkelfruchtig, wirkt etwas "staubig", Teer, schöne reife Tannine, nachhaltig
91-93

1989 Chateau Pichon Longueville Comtesse de Lalande  
Noch recht dunkles Rot mit nur sehr leichter Reifenote 
Entwickelte Nase, etwas animalisch und intensiv rotfruchtig, etwas Leder, mit mehr Luft dunkelfruchtiger, Heidelbeeren
Am Gaumen sehr schöne Frucht, eher rotfruchtig, noch recht spürbares Tannin 
93-95 



2009 Chateau Canon la Gaffeliere
Recht kräftiges, jung wirkendes Rot mit allerdings wahrnehmbarer erster Reife am Rand
Offene, opulente Nase, viel Kirsche, etwas Rumtopf, Pflaume, Vanillenote vom Holz
Auch am Gaumen opulent, Kirsche, auch hier etwas Vanille
Moderne Stilistik, aber schön
93-95

2009 Chateau Grand-Puy-Lacoste
Kräftiges, noch jugendliches Rot
In der Nase sehr schön, wirkt "aristokratisch", Kirsche, etwas Teer
Am Gaumen nachhaltig, sehr schöne Frucht, Potential
93-95

2009 Domaine de Chevalier
Dunkles, jugendliches Rot
Sehr schöne Nase, dunkelfruchtig, elegant
Auch am Gaumen dunkelfruchtig, Tabak, samtiges Tannin, schön
93-95

Zum Abschluss gab es zweimal Sauternes (bzw. genauer: einmal Barsac und einmal Sauternes)


2009 Chateau Doisy Daene
Kräftiges Goldgelb
In der Nase etwas Lösungsmittel, Aprikosen, Dörrfürchte
Am Gaumen viskos mit nicht sehr intensiver Frucht, verhaltene Säure 
89-91

2001 Chateau Rieussec
Dunkles Goldgelb
Schöne Nase, intensive Aprikosenfrucht, Feigen
Am Gaumen extrem intensiv, dickflüssig, wieder Aprikosen, extrem lang
Toller Wein, der mir mit mehr Säure noch besser gefallen würde
92-94





Freitag, 24. April 2020

Dreiundachtzig?

2010 gilt als großes Bordeaux-Jahr und Chateau Meyney als ein sehr zuverlässiges Gut, das Weine auf hohem Niveau erzeugt. Etwas erstaunt war ich daher, als ich kürzlich Lisa Perrotti-Browns aktuelle Bewertung des 2010er Chateau Meyney im Wine Advocate sah: 83 Punkte. Und in der Beschreibung war von "oxidized notes" und "drying out" die Rede. So etwas liest man nicht gerne, wenn man noch sechs Flaschen im Keller hat. Allerdings wurde der Wein auf Cellartracker.com (wo allerdings jeder, also auch Banausen wie ich, ihre Bewertungen posten können) weiterhin gut bewertet, die Durchschnittsbewertung dort liegt derzeit bei 90.7. In einer solchen Situation gibts nur eins, nämlich selber nachschauen bzw. nachschmecken.





2010 Chateau Meyney
Sehr dunkles, fast schwarzes Rot mit Purpurrand
In der Nase mit etwas Luft zwar intensiv, aber auch noch sehr kompakt mit einem Kern dunkler Fruchtnoten und angedeuteter Tiefe. Am zweiten Tag weitgehend unverändert, vielleicht etwas runder und zugänglicher wirkend.
Am Gaumen hat der Wein noch nicht ganz zueinander gefunden. Einerseits schöne Noten dunkler Früchte mit einer generös wirkenden Fruchtsüße, andererseits aber auch noch etwas harsche und leicht trocknende Tannine. Recht lang. Meiner Ansicht nach ein guter Wein mit Potential, der noch etwas Zeit braucht. Hat bei aller Qualität aber etwas leicht Rustikales.
88-90+, 2022-2030+

Fazit: Ich kann weder die Bewertung noch die Beschreibung im Wine Advocat nachvollziehen. Eine Erklärung liefert im übrigen die nachfolgende Notiz von Neal Martin, die sich offensichtlich auf die gleiche Verkostung bezieht, an der auch Lisa Perrotti-Brwon teilgenommen hat.

"After the first bottle was found both oxidised and corked, the second and third bottle of 2010 Meyney was also found to be wanting. Re-tasted at the château, I found a more representative bottle. Juxtaposed against the 2009 Meyney, this has greater clarity on the nose with dusky black fruit, sous-bois, graphite and pressed rose petals. The palate is medium-bodied with fine-grain tannins. It has a clean, crisp line of acidity with impressive precision on the finish. That's more like it - but I will caution readers by attaching a question mark to my score. Tasted at the château as part of a vertical tasting." (92 Punkte, Neal Martin in April 2020, zitiert nach Farr Vintners https://www.farrvintners.com/wine.php?wine=30168, überprüft am 23. April 2020).