Mittwoch, 12. Oktober 2016

Zeitreise

Das ist auch wieder so eine letzte Flasche, um die ich ewig lang herumgeschlichen bin und mich nicht dazu durchringen konnte, sie zu öffnen. Gekauft bei meinem ersten Besuch auf dem Weingut 1994. Das war seinerzeit dort trotz des wunderbaren Ambientes immer eine etwas unentspannte und steife Angelegenheit - die Dame, die die Kunden bediente (ich bin mir nicht sicher, ob das Wort "dienen" hier paßt...), bewachte die Weine mehr, als dass sie sie anbot. Aber die Weine waren halt sehr, sehr gut, und so kam man dann doch immer wieder. Einiges an Süßweinen aus den Jahren 1992 bis 2001 befindet sich noch im Keller. Heute, viele Jahre nach der vorletzten Flasche, nun also die letzte Flasche der 92er Auslese aus der Mußbacher Eselshaut.







1992 Müller-Catoir Mußbacher Eselshaut Riesling Auslese
Rotgoldene bis bräunliche Farbe
In der Nase immer noch recht ausgeprägte Frucht, Aprikose, Trockenfrüchte, nussige Noten
Am Gaumen nach wie vor ausgeprägte Süße, wieder Aprikosen und Trockenfrüchte. Leider ist aber auch der recht hohe Alkohol (11,5%) jetzt spürbar und verleiht dem Wein eine nicht ganz harmonische Bitternote. Ich würde ihn daher auch nicht weiter lagern (wenn ich denn noch welchen hätte).
Fairerweise sollte ich erwähnen, dass das in seiner besten Trinkphase eine ganz großartige Auslese war, die ohne weiteres 92-94 Punkte "wert" war. In einer alten Notiz, die ich noch gefunden habe, notierte ich "bis 2010", und das wäre wohl auch besser gewesen.

86-88 austrinken

Sonntag, 25. September 2016

Two Shades of Grey

Heute ist Grauburgunder-Tag. Zuerst gab es den 2013er Grauburgunder SL*** von Alexander Laible. Seine Grauburgunder kenne ich seit seinem ersten Jahrgang, 2007. Damals gab es ein Probierpaket mit dreien seiner Weine von der Zeitschrift "Essen & Trinken", und die haben uns "angefixt". Die Weine sind sehr schön, mit gutem Trinkfluß und ein paar Gramm Restzucker. Man kann ihnen Gefälligkeit vorwerfen, aber ein Wein ist ja nicht deshalb schlecht, weil er vielen schmeckt.
Der zweite Wein ist von Dönnhoff. Dort gibt es jedes Jahr zwei reinsortige Grauburgunder (den "normalen" und den in neuem Holz ausgebauten "S") und eine Cuvée aus Grau- und Weißburgunder.


2013 Dönnhoff Grauburgunder
Mittleres Gelb mit Goldschimmer
In der Nase recht ausgeprägt, Melone, rauchig, Stachelbeere, nussige Noten
Am Gaumen eher schlank wirkend, schöner Schmelz, gute Länge
86-88, bis 2018

2013 Alexander Laible Grauburgunder SL***
Goldgelb
Auch hier recht ausgeprägte Nase, zunächst etwas Zitrus, dann reife Gelbfrüchte, etwas Banane
Recht voluminös, süßlicher Schmelz, reif wirkend.
Sollte m.E. im Laufe des nächsten Jahres getrunken werden. 
83-85, bis 2017

Fazit: Mir gefällt der Grauburgunder von Dönnhoff besser. Der Wein ist etwas schlanker (hat aber trotzdem schönen Schmelz) und differenzierter. Der Wein von Laible ist schon eher eine Wuchtbrumme, dürfte mit seiner schmelzigen Art aber auch viele Anhänger haben.

Sonntag, 18. September 2016

Ausflug in die Pfalz

Eine sehr angenehme Möglichkeit, sich einen Überblick über den Jahrgang 2015 in der Pfalz zu verschaffen, ist ein Ausflug nach Deidesheim. Also habe ich mich an einem schönen Septembertag in den Zug gesetzt.

Winzerverein Deiodesheim 

Meine erste Station war der Deidesheimer Winzerverein. Dafür gab es zwei Gründe. Erstens läuft man auf dem Weg vom Bahnhof zu von Winning ohnehin daran vorbei, und zweitens wurden in letzter Zeit die Editions-Rieslinge des Winzervereins mehrfach im Falstaff sehr gut bewertet (wobei gute Bewertungen im Falstaff allerdings nicht viel heißen müssen). Diese Editionsweine (alle 2015) habe ich dann auch probiert.

Grainhübel
Schöne Pfirsischfrucht und kräutrige Noten in der Nase
Am Gaumen zurückhaltende Säure, wenig spannend.
83-85

Kieselberg
In der Nase dezent, Zitrus, Stachelbeeren
Schöne Frucht, ausgeprägte aber reife Säure, eher kühle Stilistik
86-88

Paradiesgarten
In der Nase etwas opulenter und reifer wirkend, Pfirsisch
In der Säure zurückhaltender als der Kieselberg.
83-85+

Fazit: Der beste Wein war für mich der Kieselberg. Der kann mit den Weinen der beiden "Renommiergüter" mithalten. Mit € 9,50 hat er ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.


Von Winning 

Danach ging es zum ersten "eigentlichen" Ziel des Ausflugs. Leider habe ich den Zettel mit meinen Notizen verlegt. Ich habe drei der Erste-Lage-Rieslinge und zwei GGs probiert. Bei den Erste-Lage-Rieslingen hatte die Mäushöhle eine recht deutliche Holznote. Den Reiterpfad (€ 16,00) mit seiner präzisen Frucht und den Ölberg (€ 19,00) fand ich hervorragend (beide 89-91+ und jeweils 6 Flaschen eingekellert). Die beiden GGs (Grainhübel und Ungeheuer) fand ich gut, aber nicht dramatisch viel besser als die Erste-Lage-Rieslinge.

Nach dem Besuch im Weingut ging es dann zu einem späten und eher rustikalen Lunch ins "Leopold", ehe dann das Weingut Reichsrat von Buhl den Schlußpunkt bildete.





Reichsrat von Buhl

Deidesheimer (Ortswein)
In der Nase zurückhaltend, Pfirsisch
Sehr trocken, schöne Frucht
86-88

Forster (Ortswein)
In der Nase kräutrig-mineralisch
Auch am Gaumen kräutrig, kühl, schön
86-88+

Forster Musenhang
Mineralische Nase, Limette
Kompromißlos trocken, mineralisch, Säure
89-91

Deidesheimer Mäushöhle
In der Nase "kühl", Zitrus, Pfirsisch
Am Gaumen sehr trocken, schöne Frucht
89-91

Riesling "Suez"
Schöne gelbfruchtige Nase, Aprikose, Pfirsisch
Auch am Gaumen gelbfruchtig, etwas weniger kompromißlos als die anderen Weine - das ist hier so etwas wie der Crowd Pleaser
86-88+

Deidesheimer Leinhöhle
Die junge Dame, die (sehr freundlich und kompetent übrigens) durch die Probe geführt hat, merkte freimütig an, dieser Wein sei tendenziell zu spät und damit überreif gelesen worden und dann in neuem Holz ausgebaut worden. Er hat mit 13,5% auch deutlich mehr Alkohol als die anderen Weine
In der Nase expressiv, spürbares Holz
Am Gaumen cremig, auch hier spürbares Holz. Mir ist nicht ganz klar, wie sich das entwickeln wird.
86-88+

2014 Freundstück GG
Extrem verschlossen, aber sehr klar und präzise wirkend
89-91?

2015 Ungeheuer GG
In der Nase verschlossen, angedeutete Intensität
Am Gaumen intensiv, etwas Holz, Potential
89-91+

2015 Jesuitengarten GG
In der Nase "kühl" wirkend, Stachelbeeren, Limette
Sehr ausgewogen, in sich ruhend.
92-94

2015 Kieselberg GG
Sehr schöne Nase, reife Gelbfrüchte, sehr sauber, dezente Holznote
Transparent wirkend, schöne Frucht, wieder dezentes Holz.
92-94

Fazit: Hier werden keine Gefangenen gemacht. Die Weine sind kompromißlos trocken. Der Holzeinsatz ist (mit Ausnahme der Leinhöhle und des Ungeheuers) dezent. Aus der insgesamt sehr guten Kollektion herausheben möchte ich den Forster Ortsriesling (€ 11,90) und die Erste Lage Mäushöhle (€ 16,00). Beides sind tolle Weine mit einem hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis (und beide bereichern mittlerweile auch unseren Keller). Der von Stephan Reinhardt überschwenglich gelobte ("This is a monument of dry Pfalz Riesling", 96-98 Punkte) Pechstein ist leider ausverkauft und war auch nicht zu probieren.

Mittwoch, 14. September 2016

Alles Müller oder was?



Heute ist Müller-Thurgau-Tag. Von dem Rivaner pur von Stefan Steinmetz (Weingut Günther Steinmaetz) habe ich aus Neugier drei Flaschen gekauft, die vor ein paar Tagen kamen. Der Muschelkalk von Enderle & Moll ist mein Rekordeinkauf. Ich habe noch nie so viel von einem Wein gekauft. Ok, wenn man genau nachzählt, waren es nur sechs Flaschen. Aber es gab nur 200 Flaschen, also habe ich drei Prozent der Ernte gekauft :-)



2014 Günther Steinmetz Rivaner pur
Recht helles Gelb
In der Nase recht ausgeprägte Schiefermineralik, Sponti-Noten, gelbe Früchte
Am Gaumen sehr lebhaft, trotz des niedrigen Alkohols (11%) mit schönem Schmelz und erfrischender Säure, guter Trinkfluß. Macht bei dem heißen Wetter heute Spaß.
83-85, bis 2018

2013 Enderle & Moll Müller-Thurgau Muschelkalk
Goldgelb
Wirkt in der Nase "abgeklärt", Kräuter, Quitte, dezent zitrusfruchtig, vermutlich mit längerem Maischekontakt vergoren.
Am Gaumen recht voluminös, spürbares Tannin, schöner Schmelz.
83-85, bis 2020

Fazit: Zwei interessante und schöne "Müller", die beide weitab vom Mainstream dieser Rebsorte angesiedelt sind. Der "Rivaner pur" ist der unkompliziertere Wein, sehr trinkig und terrassengeeignet. Der Muschelkalk ist komplexer und komplizierter und kein Easy-Drinking-Wein, aber er macht auch nicht so unmittelbar Spaß wie der "pur".

Freitag, 9. September 2016

Steinrieg(e)l


Heute ging es zwei Neuankömmlingen an den Korken. Seit einer großartigen Probe mit 2010er Smaragden haben es mir die Weine von Prager angetan. Daher habe ich ein paar Flaschen 2015er von meinen Favoriten (Grüner Veltliner Stockkultur Achleiten und Riesling Wachstum Bodenstein) eingekellert. Und bei der Gelegenheit habe ich probehalber auch das Riesling Federspiel Steinriegl gekauft. Und "zufällig" kam kürzlich auch ein Riesling Steinriegel vom Weingut Potzinger aus der Steiermark hier an, den ich aus Neugier mitbestellt hatte. Riesling aus der Steiermark hatte ich nämlich noch nicht. Und was lag nun näher, als eine kleine Steinrieg(e)l-Probe zu machen? 


2015 Prager Riesling Steinriegl Federspiel
Mittleres Gelb
In der Nase ausgeprägt gelbfruchtig, Aprikose, Mirabellen, mit Luft nuancierter.
Auch am Gaumen gelbfruchtig, wieder Aprikose, passende Säure, noch verschlossen, Potential.
86-88+, 2017-2020

2015 Potzinger Riesling Steinriegel
Ebenfalls mittleres Gelb
In der Nase noch etwas ausgeprägter als der Prager; etwas Pfirsisch, Kräuter, aber auch eigentlich Sauvignon-typische Noten wie Johannisbeerblätter.
Am Gaumen exotische Frucht, wieder Johannisbeerblätter, leicht herbe Note, ordentliche Länge.
Das ist ein durchaus schöner Wein, aber ich hätte blind ziemlich sicher auf Sauvignon getippt. Ich habe extra nochmal auf die Flasche geschaut - es steht Riesling drauf.
86-88, -2020

Fazit: Der Steinriegl von Prager ist ein schöner, klassischer Riesling, der schon Spaß macht, aber von ein paar Monaten Flaschenreife profitieren dürfte. Den Fast-Namensvetter aus der Steiermark finde ich zwar durchaus gut, aber nicht rieslingtypisch. Mich würde wirklich interessieren, ob erfahrenere Verkoster als ich das blind als Riesling identifizieren würden.

Freitag, 19. August 2016

Kleine Reise durch den Rheingau

Das Weingut Balthasar Ress bot kürzlich zu einem sehr fairen Preis ein Set mit vier 2015er Ortsweinen des Gutes an. Vier Rieslinge aus Rüdesheim, Oestrich, Hallgarten und Hattenheim, also quasi einmal quer durch den Rheingau. Da in dem Weingut einiges in Bewegung gekommen ist, seitdem Dirk Würtz dort als Betriebsleiter tätig ist, war ich neugierig und habe mir ein solches Set bestellt.


2015 Rüdesheim Riesling trocken
In der Nase eher zurückhaltender, aber delikater Duft nach gelben Früchten
Am Gaumen dann eher Zitrusfrüchte, lebhafte Säure, mineralischer Touch.
83-85+

2015 Oestrich Riesling trocken
In der Nase etwas intensiver, Zitrus und auch eine nussige Komponente
Wirkt am Gaumen voluminöser, die Frucht tendiert etwas zum Exotischen und hat einen leicht medizinalen (was nicht negativ gemeint ist) Ton
83-85

2015 Hallgarten Riesling feinherb
In der Nase verhalten, deutlich mineralische Prägung, gelbfruchtig
Am Gaumen sehr nachhaltig mit nur sehr dezenter Restsüße; der Wein könnte fast als trocken durchgehen. Wirkt ernsthaft.
Trinkt sich zwar schon gut, dürfte aber in ein bis zwei Jahren mehr zeigen. 
86-88, ab 2017

2015 Hattenheim Riesling feinherb
Helles Gelb mit deutlichem Grünschimmer
In der Nase Zitrus, Steinobst
Am Gaumen eher "warm" wirkende Frucht, sehr saftig und trinkig. Die Restsüße ist hier wesentlich ausgeprägter als beim Hallgartener Riesling; der Wein wirkt eher fruchtsüß als feinherb und kommt auch mit nur 9% Alkohol daher (der Hallgartener hat 12%). Die Süße wird aber von einer kräftigen Säure gepuffert. Macht Spaß.
83-85+

Fazit: Die beiden trockenen Rieslinge sind ordentlich und ihr Geld wert, regen mich aber nicht zum Nachkauf an. Die beiden feinherben Weine gefallen mir besser. Der Hattenheimer macht mit seinem schönen Süße-Säure-Spiel jetzt viel Spaß. Der Hallgartener ist nach meiner Einschätzung aber der eindeutig bessere Wein (und für mich der beste der vier), dürfte aber von 1-2 Jahren Kellerreife profitieren.

Freitag, 5. August 2016

Die sehr erträgliche Leichtigkeit des Weins

Mit dem 2015er Kabinett aus der Wehlener Sonnenuhr hat das Weingut Max Ferd. Richter einen Volltreffer gelandet - der Wein gewann den Berliner Kabinett-Cup. Unsere sechs Flaschen liegen noch unberührt im Keller. Ich habe mich erstmal über den Kabinett "Fass 4" aus der Brauneberger Juffer hergemacht. Mit 76° Oechsle hat der Wein gerade mal die Kabinett-Hürde (die liegt bei 73°) genommen. Ist das also dünne Brühe? Nichts da! Das ist ein Klassiker.



2015 Max Ferd. Richter Brauneberger Juffer Riesling Kabinett "Fass 4" 
Duftet nach Kräutern, Limette und Stachelbeeren.
Am Gaumen dann auch gelbe Früchte. Die 45g Zucker werden von fast 10 g Säure so gut in Schach gehalten, dass ein eher feinherber Geschmackseindruck entsteht. Enormer Trinkfluß.
Das macht richtig viel Spaß und hat nur 7% Alkohol. Der Wein kann bestimmt mindestens 10 Jahre lagern, aber er wird es schwer haben, im Keller so alt zu werden...
89-91 bis 2025+