Mittwoch, 25. September 2024

Zwei Monster

Wer alt genug ist, erinnert sich sicher an den Hitzesommer 2003. Die Rechung "viel Sonne ergibt guten Wein" ging dabei oft nicht auf, zumal die Winzer seinerzeit mit den hohen Temperaturen vielleicht auch weniger gut umgehen konnten, als sie das heute können. 

In dem Teil meiner Weinvorräte, der sich im Keller meiner Eltern befand, fanden sich noch zwei 2003er Spätburgunder. Der "Josef Franz" wurde vom Staatsweingut Assmansshausen für Josef Laufer (Zum Krug, Hattenheim) und Franz Keller (Adlerwirtchaft, ebenfalls Hattenheim) abgefüllt. Soweit ich weiß, ist der Wein nie offiziell verkauft worden, sondern stand in den beiden genannten Restaurants auf der Karte. Man konnte dort aber zu einem zivilen Preis (19 Euro) ein paar Flaschen kaufen. Angeblich stammt der Wein aus dem Assmannshäuser Höllenberg, das steht allerdings nicht auf dem Etikett. Der "Josef Franz" kommt mit dezenten 15% Alkohol daher, ein Wert, den man sonst eher aus südlicheren Gefilden kennt. Der zweite Wein, eine trockene Auslese vom Weingut Hermann Dörflinger im Markgräflerland, kommt mit einem halben Prozent weniger aus.

 


2003 Staatsweingut Assmannshausen Spätburgunder "Josef Franz" 

Mittleres bis dunkles Rot mit Wasserrand und verhaltenen Reifenoten 
In der Nase dunkle Früchte, etwas Espresso, Schokolade, Gewürze (Wacholder?)
Am Gaumen mächtig mit spürbarem Alkohol, der die dunkle Frucht etwas in den Hintergrund drückt. Das Tannin ist weitgehend abgebaut, gibt dem Wein aber noch ausreichend Halt. Recht langer Abgang.
Das ist ein interessanter Wein, der zudem sehr gut gereift ist. Mehr als ein Glas möchte man davon dann aber doch nicht haben. 

84-86, recht bald trinken. 


2003 Hermann Dörflinger Badenweiler Römerberg Spätburgunder Auslese trocken

Mittleres Rot mit Reifenoten
Im Duft (immer noch) deutliche Holzprägung, dunkle Früchte (Cassis, Brombeeren), und irgendwie riecht das auch nach heissen, staubigen Feldwegen
Am Gaumen präsente Frucht und spürbares, leicht trocknendes Tannin, das Holz ist hier weniger evident, der hohe Alkohol ist gut verpackt. 

85-87, recht bald trinken 


Fazit: Der "Josef Franz" hat den interessanteren und vielschichtigeren Duft, ist aber am Gaumen dann doch für meinen Geschmack zu alkoholisch.

Freitag, 20. September 2024

Der Besuch der alten Dame

Der "La Dama" stammt aus einer Einzellage in Navarra mit sehr alten, teilweise über hundertjährigen Grenache-Reben. 2017 habe ich davon sechs Flaschen gekauft, und nun war es mal wieder Zeit, der alten Dame einen Besuch abzustatten.



2013 Domaines Lupier La Dama

Mittleres bis dunkles, noch recht jugendlich wirkendes Rot
Recht ausgeprägter Duft nach hauptsächlich roten Früchten (reife Erdbeeren) und Kräutern (Thymian?)
Auch am Gaumen viel rote Frucht, stützendes Tannin, recht langes Finale.
Jetzt in bester Trinkreife. 

90-92, wird das jetzige Niveau sicher noch einige Jahre halten

Dienstag, 17. September 2024

Gutswein de luxe

Das Pfälzer Weingut Christmann hat sein Lagenportfolio 2022 bereinigt, indem es alles, was nicht mindestens als VdP Erste Lage klassifiziert ist, abgestoßen hat. Das bedeutet, dass die Gutsweine  (die unter dem Namen "Aus den Lagen" vermarktet werden) seitdem vollständig aus ersten Lagen stammen. Damit ist natürlich eine Qualitätserwartung verbunden, die sich durchaus auch im Preis der Weine (Riesling aktuell um 20 Euro, Spätburgunder knapp 30 Euro) widerspiegelt. Das ist für einen nominellen Gutswein viel Geld, aber es kommt natürlich auf die Qualität im Glas an, nicht auf die Bezeichnung auf dem Etikett.  

Auch wenn die hier verkosteten Weine aus Jahrgängen vor 2022 stammen, weiss ich zumindest für den Riesling, dass er vollständig aus Reben aus Grossen und Ersten Lagen stammt.



2019 Christmann Spätburgunder "Aus den Lagen" 

Mittleres Rot
Reintöniger, aber eher verhaltener Duft, dunkle Früchte, Kirschen und Kirschkerne
Am Gaumen mit schöner, wieder eher dunkler Frucht, präsenter Säure und kernigem Tannin
Sehr guter Basis-Spätburgunder mit Charakter 

87-89, bis 2027+ 

 

2021 Christmann Riesling "Aus den Lagen"

Mittelgelb
Recht ausgeprägter Duft nach gelben Früchten, einem Hauch Orange, etwas kandierter Zitrusfrucht und Kräutern
Am Gaumen harmonischer Gesamteindruck mit präsenter, aber bestens integrierter Säure, präzisem Fruchtausdruck und guter Länge.
Für einen Gutsriesling wirkt das sehr erwachsen. 

88-90, bis 2026+

Montag, 2. September 2024

Der Einweihungswein

Seit einiger Zeit besitzen wir Zalto Bordeaux-Gläser, die wir aber bislang noch nicht benutzt haben. Heute sollte die Einweihung endlich stattfinden, und zu diesem Zweck sollte ein ordentlicher Bordeaux ins Glas. Da traf es sich gut, dass ich kürzlich zu einem sehr günstigen Preis (so etwa die Hälfte dessen, was üblicherweise dafür aufgerufen wird) drei Flaschen 2000er Rauzan-Ségla erstehen konnte.



2000 Chateau Rauzan-Ségla

Mittleres Rot mit ersten orangefarbenen Reifenoten am Rand
Sehr ausgepräger und vielschichtiger Duft, ein klein wenig Brett zu Beginn, intensive, eher rote Frucht Richtung Cranberries, Edelholz
Am Gaumen sehr nachhaltig, dabei aber elegant, schöne rot- und schwarzbeerige Frucht, seidiges Tannin, sehr langer Nachhall. Jetzt in bester Trinkreife, die der Wein wohl noch einige Jahre halten dürfte. 

93-95, bis 2030+


Samstag, 31. August 2024

Riesling für Steinelutscher

Eine mehr oder weniger ausgeprägte Mineralik zeichnet viele Rieslinge aus. Wer so etwas mag, wird gelegentlich ais "Steinelutscher" bezeichnet. So viel Mineralik wie hier in einem Wein dieser Preisklasse ist allerdings selten.

 


2016 Jakob Schneider Niederhäuser Hermannshöhle Riesling trocken 

Mittelgelb
In der Nase sehr deutliche mineralische Prägung (Richtung nasser Kieselstein), daneben gelbe Früchte und ein Hauch Orange(?)
Am Gaumen setzt sich das fort. Der Wein ist auf einem mineralischen Fundament gebaut, das dann gelbfruchtige Noten und eine gut integrierte Säure trägt. Endet pikant und recht lang.
Großer Trinkspaß, ich mag das sehr.

89-91, bis 2030+


Fazit: Was soll man dazusagen? Das ist ein hervorragender Riesling aus einer absoluten Spitzenlage, er ist stilistisch voll auf meiner Wellenlänge und hat ein herausragendes Preis-Leistungsverhältnis (ab Hof seinerzeit 11 Euro). Man könnte sich jetzt darüber wundern, dass es so etwas gibt, aber wenn man das Weingut näher kennt, tut man das nicht mehr. Die machen das nämlich andauernd.

Mittwoch, 28. August 2024

Mutter Anna

Was trinkt man am Ende eines richtig heissen Sommertages? Mir kam erstens "Riesling" in den Sinn und zweitens "Falkenstein". Die Weine des Hofguts Falkenstein zeichnen sich nämlich durch Leichtigkeit und eine kräftige Säure aus, und das schien mir eine angemessene Antwort auf das heutige Wetter zu sein. "Mutter Anna" ist die interne Bezeichnung dieses Weines; zu den Hintergründen guckstu hier.

 


2019 Hofgut Falkenstein Niedermenniger Herrenberg Riesling Kabinett trocken "Mutter Anna" 

Helles bis mittleres Gelb
Sehr animierender Duft nach grünem Apfel und Limette
Am Gaumen eher schlank mit erfrischenden und wieder grünen Fruchtnoten, rassige Säure, trotz der Leichtigkeit recht nachhaltig
Sehr schöner Riesling mit grossem Trinkfluß und genau das richtige an einem heissen Sommertag 

87-89, jetzt in schöner Trinkreife, wird das Niveau aber vermutlich noch einige Jahre halten


Sonntag, 4. August 2024

Sieben Winter

Der "Sieben Winter" ist ein Wein, den es so noch nicht gab. 80% Grauburgunder und 20% Chardonnay aus dem Jahrgang 2016 und den Lagen Kirchberg und Steingrubenberg wurden sieben Jahre lang im grossen Holzfass auf der Hefe belassen und dann 2023 abgefüllt. Angesichts des Ergebnisses wünsche ich mir mehr Experimente dieser Art. 

 


 

2016 Salwey "7 Winter" 

Mittelgelb
Recht ausgeprägter und komplexer, etwa rauchiger Duft mit Kräutern und Kernobst (Birne), Brotrinde
Kleidet den Gaumen sofort aus. Da ist viel Saft, eine hervorragend integrierte, den Wein marmorierende Säure, Mineralik und dezenter Tannin-Grip. Sehr komplex, eigenständig, dabei animierend und richtig gut. 

93-95, sicher bis 2030 und darüber hinaus