Freitag, 19. Februar 2021

Die Mosel sieht rot

Die Mosel ist Rieslinggebiet. Das war zwar historisch gesehen nicht immer so, prägt aber trotzdem das heutige Image des Anbaugebiets. Mittlerweile wird aber auch (wieder) vermehrt Rotwein angebaut, primär Spätburgunder. Einige Winzer, wie Markus Molitor und Daniel Twardowski, erzielen dabei durchaus beachtliche Preise für ihre Pinots. 

In einer virtuellen Probe haben wir heute drei Mosel-Pinots getestet. Alle entstammen dem Jahrgang 2016  und dem leicht gehobenen Preissegment (25-32 €).



2016 Nik Weis St. Urbans Hof Pinot Noir "unfiltriert"

Mittleres Rot mit leichter Brauntönung am Rand
In der Nase recht ausgeprägt und charmant wirkend, Schokolade, dunkle Früchte
Auch am Gaumen Schokolade, wieder dunklé Früchte, zurückhaltendes Tannin. Am zweiten Tag kommt eine deutlich wahrnehmbare Holzwürze hinzu.
Angenehm zu trinken und ohne Ecken und Kanten. 

86-88, bis 2024 


2016 Markus Molitor Brauneberger Mandelgraben Pinot Noir *

Helles Rot
Gibt in der Nase (noch?) nicht viel preis, in der Tendenz eher rotfruchtig, mit Luft zunehmend interessanter werdend
Am Gaumen sehr stimmig mit schöner Harmonie zwischen der (wieder eher roten) Frucht, dezentem Gerbstoff und recht lebhafter Säure, mittlere Länge. Mit mehr Luft tritt die Säure etwas stärker in den Vordergrund. Wirkt am zweiten Tag tiefgründiger und interessanter.
Weniger zugänglich, aber am Ende etwas spannender als der Wein von Nik Weis
88-90+, bis 2025+


2016 Steinmetz und Hermann Pinot Noir 

Mittleres Rot
In der Nase interessant und recht tiefgründig, florale Obertöne, dann rotfruchtige Noten (Erdebeeren, Himbeeren) und Noten von Trockenkräutern 
Am Gaumen prägende Säure, rotfruchtige Aromatik, spürbares Tannin
Das ist am ersten Tag der spannendste der drei Weine mit klarem Zukunftspotential. Am zweiten Tag kann der Wein von Molitor aber (mindestens) gleichziehen.

88-90, 2023-2028+


Fazit: Das sind drei sehr ordentliche, aber auch sehr unterschiedliche Pinots. Der Wein von Nik Weis ist charmant, aber irgendwie auch nicht sehr spannend. Der Pinot von Markus Molitor fährt noch mit angezogener Handbremse. Man hat das Gefühl, dass da noch etwas kommen könnte, und tatsächlich wird der Wein über Tage in der geöffneten Flasche besser. Abgefüllt ist der Wein in einer Flasche, die so schwer ist, dass sie eigentlich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen sollte. Der Pinot Noir von Steinmetz und Hermann ist am ersten Tag der spannendste, aber auch der forderndste Wein der Serie. Zudem hat er (mit 12% laut Etikett) den niedrigsten Alkoholgehalt. Längerfristig würde ich aber eher auf den Wein von Molitor setzen.

Mittwoch, 17. Februar 2021

Schon wieder ein Nachruf

Nachdem vor einigen Jahren das Rheingauer Traditionsgut Langwerth von Simmern seine Pforten geschlossen hat (guckstu hier) wurde kürzlich bekannt, dass auch Schloss Schönborn seine Weinbauaktivitäten im Rheingau einstellt (die in Franken werden allerdings weitergeführt). Als Begründung werden wirtschaftliche Aspekte angeführt. Mit dem Skandal, in den das Gut vor einigen Jahren verwickelt war, habe die Entscheidung nichts zu tun.

Schönborn blickt auf eine Weinbautradition zurück, die bis ins 14.(!) Jahrhundert reicht und besitzt erstklassige Lagen im Rheingau, darunter den direkt am Rhein gelegenen Hattenheimer Pfaffenberg als Monopollage. In das Gut ist vor einigen Jahren noch kräftig investiert worden, wie man an der Vinothek in Hattenheim leicht erkennen kann. Insofern kam das Aus jetzt etwas überraschend.

Ich kann mich an mehrere Besuche in den 90er Jahren erinnern, bei denen der damalige Betriebsleiter, Domänenrat Robert Englert, sich viel Zeit für uns nahm. Seinerzeit habe ich auch den ein oder anderen Wein dort gekauft, obwohl das Preisniveau eher gehoben war. Von diesen Weinen ist nicht mehr viel übrig (und es haben auch nicht alle gehalten, was ich mir beim Kauf versprochen hatte). Heute habe ich aus dem Keller einen echten Oldie herausgesucht, eine 1976er Spätlese, die ich wohl irgendwann mal auf Ebay ersteigert haben muss. Derlei ist natürlich immer ein Glücksspiel, aber heute ging die Rechnung auf.



 

1976 Schloss Schönborn Winkeler Hasensprung Riesling Spätlese

Mahagonifarben
In der Nase Karamell, Teeblätter, ein Rest von Frucht (getrocknete Aprikose, mit etwas Phantasie auch Quitte), Firne, ein anfangs wahrnehmbarer etwas muffiger Ton (nasser Karton) verschwindet mit Belüftung
Zeigt am Gaumen noch schöne Präsenz, dezente Süße, wieder karamellige Noten, ganz leichte Bitternote im recht langen Abgang
Eine in Würde gereifte Spätlese, die sich noch mit Vergnügen trinken lässt.

86-88, trinken

 

 

Dienstag, 16. Februar 2021

Mal wieder ein Nachruf

Das Verkostungspaket von Wein-Plus war eine Institution. Mehrmals im Jahr bekam man ein Paket mit Weinen, die bei den Verkostungen fürden Wein-Plus Online-Weinführer gut abgeschnitten hatten. Das waren manchmal Weine bekannter Adressen, viel öfter aber Weine von (jedenfalls mir) bis dahin völlig unbekannten Winzern. Häufig waren Weine dabei, die ich mir selber nie gekauft hätte (selbst wenn ich gewusst hätte, wo es sie gibt). Lambrusco gab es mal (habe ich gut in Erinnerung), Riesling aus Oltrepo Pavese (ich hoffe, ich habe das richtig im Kopf) und vieles andere. Manche Weine gefielen mir so gut, dass ich sie nachgekauft habe. Ich erinnere mich da an einen modernen, aber sehr guten griechischen Rotwein namens Dyo Elies von Kir Yianni, oder an den Muskateller von Salwey. Aber auch die Weine, die mich nicht völlig überzeugt haben, haben doch immer zur Erweiterung des Horizonts beigetragen. 

Im Herbst 2020 ist das Verkostungspaket leider eingestellt worden. Ich weiss gar nicht, wie lange ich es abonniert hatte, zehn Jahr werden es wohl sicher gewesen sein. Ich werde es vermissen. Einige Weine aus den letzten Paketen haben wir noch im Keller. Ausgesucht habe ich einen Carmignano aus einem 2019er Verkostungspaket. Der kam heute "unter die Räder" und verdeutlichte noch einmal, dass es in den Paketen echte Entdeckungen gab.

 


 

2016 Carmignano "Terre A Mano" 

Dunkles Rot ohne Reifenoten
In der Nase recht intensive Frucht, viel "pralle" Kirsche, dezente Holzprägung, daneben Gewürznoten, insgesamt sehr stimmig und eine gewisse Noblesse ausstrahlend
Am Gaumen druckvoller Auftakt, eine volle Ladung reifes,weiches Tannin, wieder Kirsche und Gewürznoten, nachhaltig und recht lang. Sehr schöner Wein, eher auf der kraftvollen Seite, aber er bewahrt sich eine schöne Frische und wirkt dadurch nicht breit. Schon gut trinkbar, aber mit gutem Reifepotential

90-92, bis 2030

 

Montag, 21. Dezember 2020

Eine Winzerlegende ist gegangen

Seitdem ich Wein trinke (und das tue ich schon ziemlich lange) war das Weingut Fritz Haag (zusammen mit J.J. Prüm und Egon Müller) für mich der Inbegriff des Mosel-Rieslings. Nur Riesling (jedenfalls zu Zeiten Wilhem Haags - später kam auch etwas Weissburgunder dazu). Nur zwei Lagen, Brauneberger Juffer und Juffer-Sonnenuhr. Andere Weingüter kamen und gingen (jedenfalls in meiner Wahrnehmung), aber diese drei waren die Felsen in der Brandung. Und untrennbar verbunden mit dem 1605 erstmals erwähnten Weingut Fritz Haag ist die Person von Wilhelm Haag, dem Mann, dem man einen gefürchtet festen Händedruck nachsagte. Er, geboren 1937, leitete das Weingut seit Ende der 50er Jahre, bevor er es 2005 an seinen jüngeren Sohn Oliver übergab. Unter seiner Regie sind großartige rest- und edelsüße Rieslinge entstanden. 20 Jahre war er Vorsitzender des Großen Rings. Für mich war er immer Inbegriff einer Winzerpersönlichkeit.

Wilhelm Haag ist am 16. Dezember verstorben, aber er lebt weiter in der Erinnerung, in vielen großartigen Weinen aus seiner Schaffenszeit und auch in den Weinen, die seine Söhne im Familienweingut Fritz Haag und im Weingut Schloß Lieser erzeugen.

 

Wilhelm Haag im März 2018
 

Dieser Post ist natürlich unvollständig ohne eine Verkostungsnotiz zu einem Wein aus der Ära Wilhelm Haags. Die gibt es auch in unserem Keller, aber von dem bin ich bis Ende Januar viele tausend Kilometer entfernt. Daher muss der Post bis Februar unvollständig bleiben.  

So, und hier ist jetzt, mit acht Wochen Verspätung, das Update: 



2002 Fritz Haag Brauneberger Juffer-Sonnenuhr Riesling Spätlese

Reifes Goldgelb
In der Nase ganz klassisch, gelbe Steinfrüchte, ein Hauch reife Ananas, Buttergebäck
Am Gaumen gereifte gelbfruchtige Aromen, die Süße ist nur noch dezent wahrnehmbarr und wird von einer ausgeprägten Säure in Schach gehalten.
Sehr schön gereifte Spätlese

89-91, in den nächsten Jahren trinken

 

Sonntag, 29. November 2020

Chateau du Cèdre

Das Chateau du Cèdre in Cahors ist mir schon lange ein Begriff, aber ich habe noch nie einen der Weine produziert. Dabei gibt sich doch einer meiner Stammhändler alle erdenkliche Mühe, die Weine regelmäßig und in den höchsten Tönen anzupreisen (etwa "Weltklasse-Wein" für den Le Cèdre 2016). Also wollte ich dann doch mal einen Versuch starten. Es gibt meines Wissens fünf "reguläre" Rotweine, angefangen vom "Marcel" für knapp 6 Euro über den 2 Euro teureren "Héritage" und den "Chateau du Cèdre" zu 15,50 bis hin zu den Spitzenweinen "Le Cèdre" (33 Euro) und der mehr als doppelt so teuren "Grande Cuvée". Daneben gibt es ungeschwefelte Weine, die als "Extra Libre" bezeichnet werden. Alle Weine bestehen ganz oder ganz überwiegend als Malbec, teilweise mit kleinen Beimischungen von Merlot. Die Rebsorte Malbec hat angeblich in Cahors ihre Heimat (und wird hier eher als Cot bezeichnet). Das bekannteste Anbaugebiet ist jedoch heutzutage Mendoza in Argentinien.

Zum Probieren gekauft habe ich mir die Nr. 2 und 4 der "regulären" Roten, also den Héritage und den Le Cèdre, jeweils aus dem als sehr gut geltenden Jahr 2016.

 


 

 

2016 Cèdre Héritage
Recht dunkles Rot mit ganz leichtem Violettschimmer
In der Nase recht intensiv, aber eher einfach gestrickt, dunkle Früchte, Maraschino-Kirsche, etwas Vanille
Wirkt am Gaumen sehr rund mit weichem Tannin, einer schönen und leicht säuerlichen Frucht, eher kurz
Gut gemachter, leicht rustikaler Wein, der für seinen Preis (unter 8 €) ordentlichen Gegenwert bietet.
84-86, bis 2022

2016 Le Cèdre
Dunkles Rot mit recht deutlichem Violettschimmer
In der Nase komplexer und vielschichtiger als der Héritage, aber mir durchaus ähnlicher Aromatik: dunkle Früchte, eingelegte Kirschen, aber auch kräutrige Noten
Kraftvoller Auftakt am Gaumen, saftige Frucht, der eine feine Säureader Frische verleiht. Noch recht viel reifes Tannin, das dem Wein Struktur verleiht, deutlich länger als sein "kleiner Bruder".
88-90, bis 2030+

Fazit: Beides sind in ihrer jeweiligen Kategorie gute Weine, aber IMHO keine Preis-Leistungs-Wunder


Sonntag, 25. Oktober 2020

Old School

Heute gab es Lamm und dazu sollte es Bordeaux sein. Nachdem ich schon länger um die Flasche herumgeschlichen bin, habe ich mich dann für diesen 1986er Cos d'Estournel entschieden. 1987 in der Subskription gekauft (für 40 DM - das waren noch Zeiten).

An diese Subskription erinnere ich mich auch deswegen noch, weil mein Vater damals (anders als in den Jahren davor) keine Bordeaux subskribiert hat, weil er meinte, er sei zu alt, um sie in ihrer Trinkreife zu geniessen. Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Erstens bin ich heute ein paar Jahre älter als er damals war und habe kräftig 2019er subskribiert. Zweitens trinkt mein Vater auch heute noch gerne guten Wein und wird es hoffentlich auch noch lange tun. 



 

1986 Chateau Cos d'Estournel 

Kräftiges mittleres bis dunkles Rot, am Rand orange-braune Reifenoten
Intensiver Duft mit Noten von Leder, Zedernholz, roten und dunklen Früchten und etwas Tabak
Am Gaumen kraftvoll und intensiv ohne irgendwie "dick" zu sein, sehr typische Aromatik mit dunklen Früchten, etwas Kakao. Jetzt in perfekter Trinkreife; sehr harmonisch mit nur noch verhaltenem, mürben Tannin.
Das ist großartiger Old-School-Bordeaux, der bei guter Lagerung noch einige Jahre vor sich hat. 

94-96, bis 2025+ 

Die gute Nachricht zum Schluss: Das war nicht die letzte Flasche

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Klassenunterschied?

Zu Clos Fourtet, einem Premier Grand Cru Classé B aus Saint-Émilion, habe ich eigentlich keine Beziehung und habe auch noch nie einen Wein des Gutes getrunken. Aber ich habe, warum auch immer, sechs Flaschen des 2008ers subskribiert. Gestern habe ich dann endlich die erste Flasche geöffnet - und war "underwhelmed".  Ich wollte dann wissen, ob das am Wein oder am Jahrgang liegt (obwohl 2008 jetzt nicht direkt als schlecht gilt) und habe daher heute den 2008er Pavie Macquin geöffnet. Das Ergebnis des Vergleichs war ziemlich eindeutig.

 


 

 

2008 Clos Fourtet

Mittleres bis dunkles Rot
In der Nase florale Noten, dunkle Früchte (Brombeeren), etwas nasser Stein, das Ganze von eher mittlerer Intensität. Am dritten Tag wirkt das intensiver und es kommen rotfruchtige Nuancen hinzu.
Am Gaumen eher zurückhaltend, nicht sehr ausgeprägte Frucht und eher verhaltenes Tannin. Auch hier wirkt der Wein am dritten Tag intensiver und nachhaltiger.
Am ersten Tag notierte ich "Das ist ein schöner Wein, aber wenn 1er Grand Cru Classé auf dem Etikett steht, erwartet man doch etwas mehr." Am dritten Tag präsentierte der Wein sich dann besser. Die nachfolgende Bewertung ist entsprechend angepasst.   
90-92, bis 2025+


2008 Chateau Pavie Macquin

Mittleres bis dunkles Rot, leichte Randaufhellung mit Orange-Noten
In der Nase recht ausgeprägt, rote und dunkle Früchte, auch florale Noten; wirkt noch etwas monolithisch und wenig ausdifferenziert. Am zweiten Tag schälen sich rotfruchtige Noten heraus, etwas Tabak.
Am Gaumen konzentriert; intensive, aber noch nicht ganz aufgefächerte Fruchtnoten, viel (reifes) Tannin, lang,ein Kraftpaket. 
Sehr schöner Wein mit Potential, aber eher auf der mächtigen Seite 
92-94, bis 2030+ 


Fazit: Anfangs schien mir das ein echter Klassenunterschied zu sein, aber der Clos Fourtet legte über zwei Tage zu und konnte den Abstand zumindest verringern.