Donnerstag, 15. August 2019

Leo will

Léoville Barton gehört seit den Anfängen meiner Bordeaux-Karriere zu meinen Favoriten. Schon in den 90ern habe ich eine Reihe von Jahrgängen subskribiert, grosse (1990) wie kleine (1992-94). Von einigen Jahrgängen habe ich noch keine Flasche geöffnet, darunter auch der ja als lagerfähiger Jahrgang geltende 1996er. Kürzlich konnte ich bei Ebay zwei Flaschen 1996er Léoville Poyferré erstehen. Ebay ist oft ein Glücksspiel, gerade bei älteren Weinen, aber in diesem Fall war mir die Verkäuferin aus zahlreichen Transaktionen bekannt und ich wusste, dass ich top-gelagerte Weine bekommen würde.

Und wenn man Barton und Poyferré im Keller hat, dann will man wissen, was Leo will. Daher habe ich vor einigen Tagen einen kleinen Vergleich auf die Tagesordnung gesetzt.




1996 Chateau Léoville Barton
Mitleres Rot, am Rand dezente Reifenoten
In der Nase klassischer Oldschool-Bordeaux, Leder, dunkle Früchte, auch etwas Fleisch. Mit Luft kommt eine etherische Note hinzu. Nach zwei Stunden auch etwas Tabak und rote Früchte.
Kommt am Gaumen immer noch recht kernig rüber, mit präsenter Säure und intaktem Tanningerüst. In der Aromatik dezent dunkelfruchtig. 
91-93, bis 2025+

1996 Chateau Léoville Poyferré
In der Farbe sehr ähnlich, vielleicht einen Hauch dunkler
Wirkt in der Nase etwas weiter entwickelt, im Vordergrund stehen hier gewürzige Noten, mit mehr Luft aber auch hier Leder und dunkle Früchte (reife Brombeeren)
Am Gaumen im Vergleich zum Barton etwas runder, aber auch hier noch präsentes Tannin, dunkelfruchtig, schöne Komplexität und Länge. Hinterläßt einen Eindrick von Harmonie und Eleganz.
92-94, bis 2023+

Fazit: Léoville Barton ist Oldschool-Bordeaux ohne Kompromisse. Ein Klassiker, der ein Steak braucht. Der Poyferré kommt runder daher, und um ein Glas solo zu trinken, wäre er meine erste Wahl.


RS

Mit "RS" bezeichnet Audi Autos mit ganz viel PS unter der Haube (und ganz vielen Euros auf dem Preisschild). Für deutlich kleineres Geld kann man RS beim Weingut Salwey zwar nicht fahren, aber trinken. Im Unterschied zu den Audi RS haben die Weine von Salwey aber gerade nicht besonders viel PS unter der Haube, sondern (jedenfalls gemessen an ihrer sehr warmen Herkunft am Kaiserstuhl) eher wenig PS. Man macht hier nämlich Weine mit erfreulich niedrigem Alkoholgehalt.

Vor kurzem hatten wir im (sehr empfehlenswerten) Aachener Restaurant La Becasse das 2015er Grauburgunder GG aus dem Oberrotweiler Henkenberg. Der Wein hat mich ziemlich begeistert; das war so mit das beste, was mir an Grauburgunder bislang untergekommen ist. Ich habe unmittelbar danach ein paar Flaschen geordert. Heute gab es aber erstmal die "Reserve Salwey", den "RS" eben. Bei Salwey ist RS nämlich gar nicht das Top-Modell, sondern der Ortswein. Aber der kann was.





2015 Salwey Grauburgunder "RS"
Kräftiges, fast zitroniges Gelb
In der Nase zurückhaltend, aber sehr fein; nussig, etwas Melone, Feuerstein
Am Gaumen fast zart wirkend, aber trotzdem mit Grip und Biß, betont trocken, wieder nussig, vegetabile Noten, gute Länge.
88-90, bis 2022

Fazit: In einem warmen Jahr in einer warmen Region so einen feinen, fast zarten Grauburgunder mit nur 12,5% unter der Haube zu machen, dazu gehört schon etwas. Chapeau!

Donnerstag, 1. August 2019

Entdeckungsreise

Ich fahre sehr viel mit dem Zug, bestelle aber sehr selten Wein im Speisewagen. Das Angebot der deutschen Bahn animiert auch nicht dazu, weder in qualitativer noch in preislicher Hinsicht. Vielleicht bin ich da ungerecht, aber wenn ich "Rotkäppchen-Sekt" auf einer Karte sehe, fällt bei mir die Klappe.

Heute fahre ich aber mit einem Schweizer Zug (durch das Rheintal zwischen Mainz und Bonn). Die Weinauswahl ist zunächst einmal auf Schweizer Weine beschränkt. Die deutsche Bahn hatte vor einigen Jahren auch mal den Versuch gestartet, nur noch deutsche Weine anzubieten, das dann aber nach einiger Zeit wieder aufgegeben. Ich empfinde die Beschränkung auf Schweizer Weine nicht als Beschränkung, sondern als spannend, denn ich kenne mich da nicht aus. Es gibt einen Sekt und sieben Weine zur Auswahl - und zwar nicht nur in den sonst üblichen 0,25-Liter-Flaschen, sondern in verschiedenen Formaten zwischen 0,1 Liter und einer ganzen Flasche. Ich entschied mich für einen Fendant aus dem Valais. Ein Chasselas aka Gutedel also, einer in der Schweiz sehr verbreiteten weissen Sorte.

Interessant ist die Preisgestaltung: Im deutschen Fachhandel ist der Wein für 18-19 Euro zu haben (damit ist er allerdings überbezahlt; in der Schweiz mag er preiswerter sein). Angesichts dessen sind 8,60 für 0,25 Liter fair kalkuliert.



2018 Domaines Rouvinez Fendant Coteaux de Sierre
Recht helles Gelb
In der Nase ansprechend, recht ausgeprägte Frucht, Aprikose
Wirkt am Gaumen recht kräftig mit spürbarem Schmelz, dezent gelbfruchige Aromatik
84-86, bis 2020

Fazit: Das ist (natürlich) kein grosser Wein, aber er trinkt sich gut und war dem Anlass angemessen (auch wenn ein Riesling aus dem Mittelrhein besser gepasst hätte). 




Donnerstag, 18. Juli 2019

Mit der S-Klasse in der 3. Liga

Während eines Besuchs des Weinguts Franz Keller im Jahr 2016 haben mich die Spätburgunder des Jahrgangs 2013 sehr beeindruckt. Es gab eine ganze Reihe davon, angefangen beim Gutswein bis hinauf zu den grossen Gewächsen (Bundesliga). Dazwischen angesiedelt war die "A-Klasse" (2. Liga) und die "S-Klasse" (3. Liga). Wie bei Mercedes ist die S-Klasse recht teuer, aber anders als bei Mercedes ist die A-Klasse noch teurer. Wie dem auch sei - die Weine hatten etwas Erhabenes, so dass ich am Ende mehr gekauft habe, als ich ursprünglich wollte (nämlich S, A und das Grosse Gewächs aus dem Oberrotweiler Eichberg). Heute gab es die S-Klasse, mithin also den Wein aus der 3. Liga.



2013 Franz Keller Spätburgunder "S"
Mittleres bis dunkles Rot, am Rand rosa
In der Nase zunächst verschlossen mit dezenter Holznote. Mit Luft intensiver, Kirsche, Wacholder, leicht nussig. Am zweiten Tag tritt die Frucht deutlicher hervor 
Wirkt am Gaumen sehr elegent und vornehm (man möchte fast "aristokratisch" sagen), dabei aber auch nachhaltig mit dezenter Holzwürze, Kirschfrucht und einem feinen Säurenerv, samtiges, hervorragend integriertes Tannin.
Ein sehr schöner Spätburgunder, der neugierig darauf macht, wie dann erst der "A" und das Grosse Gewächs schmecken
90-92, bis 2025

Fazit: Ein Drittligist mit Bundesliga-Ambitionen (bei Qualität und Preis)

Freitag, 12. Juli 2019

Verbrannte Erde reloaded

Vor ziemlich genau einem Jahr gab es hier eine Verkostungsnotiz zu einem sehr schönen Wein aus Cornas (guckstu hier). Den Titel "Verbrannte Erde" hatte ich damals für den Post gewählt, weil der Wein "Terre Brulée" hiess. Mittlerweile habe ich gelernt, dass der Ortsname Cornas keltischen Ursprungs ist und "verbrannte Erde" bedeutet. Daher kann ich den Titel heute wiederverwenden, denn es gibt wieder einen Cornas. Diesmal allerdings  fünf Jahre älter und aus dem Jahr 2010.





2010 Domaine Durand Cornas "Empreintes"
Sehr dunkles Rot mit leichtem Violettschimmer am Rand, keinerlei Reifenoten.
In der Nase (nach ca. einer Stunde in der Karaffe) rechte intensiv, Himbeeren und dunkle Früchte. Mit mehr Luft auch Holzkohle ("Lagerfeuer") sowie eine kräutrige Note.
Am Gaumen zum Auftakt eine angenehme, frisch wirkende Fruchtnote, wieder Himbeeren, danach wird es dunkelfruchtiger, viel sehr reifes Tannin, lang.
Sehr schöner Wein am Beginn seiner Trinkreife.
92-94, is 2030


Sonntag, 30. Juni 2019

Das Gute an der Werbung

Nachdem mit letzte Woche einiges an Werbung für österreichische Weißweine in den virtuellen Briefkasten flatterte, mußte es heute ein Österreicher sein. Die Werbung beeinflußt einen halt doch.

Meine Wahl fiel auf den 2015er Zöblinger Heiligenstein des Weinguts Bründlmayer aus dem Kamptal. Dieser Wein geht mit einigen Vorschußlorbeeren in Form hoher Punktbewertungen durch andere Verkoster an den Start. Man durfte also gespannt sein.




2015 Bründlmayer Zöblinger Heiligenstein Riesling Alte Reben
Strohgelb.
In der Nase recht ausgeprägt, komplex und tief, mineralisch geprägt, viel Kräuter, aber auch Noten von Steinfrüchten.
Am Gaumen straff wirkend, viel Zug, eindeutig auf der kräutrigen Seite, lang.
Hervorragender Riesling mit viel Zukunft. Allenfalls am Anfang der Trinkreife.
92-94+, 2020-2030+

Da hat die Werbung also doch ihr Gutes gehabt. Ohne sie hätte ich diesen Wein nämlich heute nicht getrunken. Die beiden restlichen Flaschen bleiben allerdings noch etwas im Keller.

Freitag, 14. Juni 2019

Grosses Tennis

Zum Glück halte ich es mit dem Riesling nicht so wie mit dem Tennis. Ich muss da jetzt wohl etwas weiter ausholen, um das zu erklären. Im Sommer 1991 habe ich ein Praktikum in London gemacht. Es war ein ziemlich regnerischer Sommer. Die Wetten (Engländer wetten auf alles), dass es im Juni jeden Tag regnen würde, wurden erst am 29. verloren. Die Gesetzmäßigkeit schien zu sein "je blauer der Himmel am Morgen, desto eher setzt am Nachmittag der Regen ein". Das Wetter führte dazu, dass beim Tennisturnier in Wimbledon sehr viele Matches ausfielen. Daher wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Turniers am mittleren Sonntag gespielt. Der Tag wurde "Peoples' Sunday" getauft. Für diesen Tag gab es keinen normalen Ticket-Vorverkauf, sondern alle Tickets gingen in den freien Verkauf am Sonntagmorgen. Man musste also nur früh genug aufstehen und sich anstellen. Das habe ich gemacht und für 10 Pfund ein Ticket erworben. Und eine einzigartige Stimmung erleben dürfen. Das Durchschnittsalter des Publikums war etwa 30 Jahre geringer als sonst. Es gab La Ola und Standing Ovations auf dem Centre Court. Und es gab einige der ganz grossen Tennisspieler. Unter anderem Ivan Lendl (der nach 2:0 Satzrückstand noch gegen MaliVei Washington gewann) und Martina Navratilova. Höhepunkt war am späten Nachmittag der Auftritt von Jimmy Connors. Er verlor zwar (gegen Derrick Rostagno, just for the record), aber das Publikum hätte jeden einzelnen seiner Bälle übers Netz geschrien, wenn es gekonnt hätte. Es war ein grossartiger Tag (guckstu auch hier). Danach habe ich beschlossen, nie wieder ein Tennisturnier zu besuchen. Ich war überzeugt, das beste erlebt zu haben, was dieser Sport zu bieten hat und wollte mir daher Enttäuschungen ersparen.

Wenn ich das mit dem Riesling genau so halten würde, hätte ich am 30. Mai mit dem Rieslingtrinken aufhören müssen. An diesem Tag habe ich erstmals bei den Keller Open mitgespielt. Nein, das ist kein Tennisturnier, sondern die Jahrgangspräsentation des Weinguts Keller in Flörsheim-Dalsheim. Angesichts der Reputation des Weinguts (und der Qualität der Weine - die Reputation fällt ja nicht vom Himmel) war das natürlich eine sehr gut besuchte Veranstaltung (wenn es auch weniger Besucher waren als beim Peoples' Sunday). An drei verschiedenen Ständen gab es Nicht-Rieslinge, trockene Rieslinge und restsüße Weine zu verkosten. Detaillierte Notizen habe ich mir nicht gemacht. Der 2018er "von der Fels" hat mir ausserordentlich gut gefallen, ausserdem der halbtrockene Riesling RR sowie (natürlich) die beiden GGs aus Kirchspiel und Hubacker.

Am Stand mit den restsüßen Weinen konnte man (gegen Entgelt, das in diesem Fall aber mehr als angemessen war) einige Weine probieren, deren Marktpreise weit ausserhalb meines Beuteschemas liegen. So kamen dann also drei Trockenbeerenauslesen aus der Abtserde zunächst in mein Glas und danach auch in meine Riesling Hall of Fame.




2013 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
In der Nase sehr intensiv, Rosinen, Früchtebrot, Feigen.
Am Gaumen dickflüssig, Tee, Trockenfrüchte, minutenlanger Nachhall.
95-97

2011 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
Wieder sehr intensive Nase mit Noten von Rosinen, Trockenfrüchten und Schwarzbrot
Am Gaumen viskose Textur, getrocknete gelbe Früchte, ewig lang.
94-96

2009 Keller Westhofener Brunnenhäuschen AbtsE Trockenbeerenauslese Goldkapsel
In der Nase intensive Noten gelber Früchte, viel Aprikose
Am Gaumen eine perfekt gereifte TBA, großartige Fruchtintensität mit dominierenden gelbfruchtigen Aromen
Wirkt trotz der enormen Süße nie schwer, ewig lang.
98-100

Ich kann mir schwer vorstellen, wie Riesling besser gehen soll als mit der 2009er TBA. Aber, anders als beim Tennis, werde ich versuchen, es herauszufinden.