Donnerstag, 24. Oktober 2024

Kabinettstückchen

Kürzlich konnte ich zwei interessante Weine recht günstig erstehen, den 2015er Bernkasteler Doctor Kabinett von Thanisch/Erben Thanisch und den Graacher Domprobst Kabinett von Willi Schäfer aus gleichem Jahr. Das habe ich dann zum Anlaß genommen, über mehrere Tage hinweg sechs Riesling Kabinett (was ist da eigentlich die Mehrzahl - Kabinette?) von der Mosel (bzw. in einem Fall von der Ruwer) zu verkosten und zu vergleichen. Am ersten Abend habe ich blind verkostet, danach offen.


 

2015 Max Ferd. Richter Wehlener Sonnenuhr Riesling Kabinett

Sattes Mittelgelb
Animierunder Duft mit reifer gelber Frucht, mit mehr Luft auch Stachelbeeren
Am Gaumen reife Frucht, sehr animierend mit guter Süße-Säure-Balance, lang.
Insgesamt sehr schön und mit gutem Trinkfluß

89-91, bis 2030+


2015 Willi Schäfer Graacher Domprobst Riesling Kabinett

Goldgelb
Etwas verhaltenerer Duft nach gelben Früchten und Zitrus, am zweiten Tag tritt reifer Apfel hinzu
Am Gaumen recht ausladend, der durchaus ausgeprägten Süße steht eine lebhafte Säure gegenüber. Endet lang auf eine herbe Note, die einen schönen Kontrapunkt setzt. Großartiger Kabinett.

91-93, bis 2030+

 

2015 Wwe. Dr. Thanisch Erben Thanisch Bernkasteler Doctor Riesling Kabinett  

Goldgelb
Zunächst etwas verhaltener und leicht rauchiger Duft mit Noten von gelben Früchten; wird mit Luft intensiver und bekommt eine kräutrige Komponente
Am Gaumen gelbfruchtig, ein Hauch Vanille, ausgeprägte Süße, die Säure ist (noch?) nicht ganz so perfekt integriert wie bei einigen anderen Weinen. Lang. 

88-90, bis 2030+


2015  Julian Haart Piesporter Schubertslay Riesling Kabinett

Am ersten Abend präsentierte sich der Wein schwierig. Verhaltener Duft mit Zitrusnoten, ich habe sogar über einen ganz leichten Korktreffer nachgedacht. Am Gaumen wirkte das eher unharmonisch mit spitzer Säure. Am ersten Abend habe ich keine Bewertung abgegeben, weil ich an eine fehlerhafte Flasche glaubte. Aber dann zwei Tage später, wie der Phönix aus der Asche: 

Mittelgelb
Recht verhaltener Duft mit (teils kandierter) Zitrusfrucht und reifem Apfel 
Am Gaumen fester Bau, zunächst etwas Kandis, dann wieder reifer Apfel, gelbe Früchte. Großartige Süße-Säure-Balance, langer Nachhall. 
Noch nicht auf dem Höhepunkt, sollte besser noch zwei bis drei Jahre liegen. 

90-92, 2026-2035+

2015 J.J. Prüm Bernkasteler Badstube  Riesling Kabinett

Hellgelb, mit Abstand die hellste Farbe aller sechs Weine
Im Duft zunächst verhalten mit Blütenduft, der mit mehr Luft ausgeprägter wird. Daneben gelbe Früchte und etwas Zitrus. Am zweiten Tag auch weisse Johannisbeere
Am Gaumen fester Bau, nur dezente Süße, sehr schöne Balance, gute Substanz und Länge

89-91, bis 2030+ 


2015 Maximin Grünhaus Maximin Grümhäuser Abtsberg Riesling Kabinett

Sattes Mittelgelb
Recht kräftiger Duft nach reifen Gelbfrüchten, mit mehr Luft auch Backgewürze, Vanille
Recht ausladend mit ausgeprägter Süße, wieder Backgewürze neben der Frucht, etwas Kandis, hätte ich blind eher als (gute) Spätlese eingestuft

89-91, bis 2030+

 

Fazit: Sechs tolle Weine - das ist wirklich Champions League in der Kategorie Kabinett. Für mich war im Gesamteindruck über mehrere Tage der Graacher Domprobst von Willi Schäfer knapp vorn. Wer den Piesporter Schubertslay nur am ersten Tag erlebt hätte, wäre wohl sehr enttäuscht gewesen (zumal für die Weine von Julian Haart mittlerweile Phantasiepreise bezahlt werden). Geduld wurde dann aber später mit einem grossartigen Kabinett belohnt. Die Weine von Max Ferd. Richter, J.J. Prüm und Grünhaus fand ich (bei allen stilistischen Unterschieden) qualitativ vergleichbar. Und auch der Bernkasteler Doctor ist für sich allein betrachtet ein hervorragender Wein - nur war hier eben die Konkurrenz noch etwas besser.

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