Montag, 21. Dezember 2020

Eine Winzerlegende ist gegangen

Seitdem ich Wein trinke (und das tue ich schon ziemlich lange) war das Weingut Fritz Haag (zusammen mit J.J. Prüm und Egon Müller) für mich der Inbegriff des Mosel-Rieslings. Nur Riesling (jedenfalls zu Zeiten Wilhem Haags - später kam auch etwas Weissburgunder dazu). Nur zwei Lagen, Brauneberger Juffer und Juffer-Sonnenuhr. Andere Weingüter kamen und gingen (jedenfalls in meiner Wahrnehmung), aber diese drei waren die Felsen in der Brandung. Und untrennbar verbunden mit dem 1605 erstmals erwähnten Weingut Fritz Haag ist die Person von Wilhelm Haag, dem Mann, dem man einen gefürchtet festen Händedruck nachsagte. Er, geboren 1937, leitete das Weingut seit Ende der 50er Jahre, bevor er es 2005 an seinen jüngeren Sohn Oliver übergab. Unter seiner Regie sind großartige rest- und edelsüße Rieslinge entstanden. 20 Jahre war er Vorsitzender des Großen Rings. Für mich war er immer Inbegriff einer Winzerpersönlichkeit.

Wilhelm Haag ist am 16. Dezember verstorben, aber er lebt weiter in der Erinnerung, in vielen großartigen Weinen aus seiner Schaffenszeit und auch in den Weinen, die seine Söhne im Familienweingut Fritz Haag und im Weingut Schloß Lieser erzeugen.

 

Wilhelm Haag im März 2018
 

Dieser Post ist natürlich unvollständig ohne eine Verkostungsnotiz zu einem Wein aus der Ära Wilhelm Haags. Die gibt es auch in unserem Keller, aber von dem bin ich bis Ende Januar viele tausend Kilometer entfernt. Daher muss der Post bis Februar unvollständig bleiben.  

So, und hier ist jetzt, mit acht Wochen Verspätung, das Update: 



2002 Fritz Haag Brauneberger Juffer-Sonnenuhr Riesling Spätlese

Reifes Goldgelb
In der Nase ganz klassisch, gelbe Steinfrüchte, ein Hauch reife Ananas, Buttergebäck
Am Gaumen gereifte gelbfruchtige Aromen, die Süße ist nur noch dezent wahrnehmbarr und wird von einer ausgeprägten Säure in Schach gehalten.
Sehr schön gereifte Spätlese

89-91, in den nächsten Jahren trinken

 

Sonntag, 29. November 2020

Chateau du Cèdre

Das Chateau du Cèdre in Cahors ist mir schon lange ein Begriff, aber ich habe noch nie einen der Weine produziert. Dabei gibt sich doch einer meiner Stammhändler alle erdenkliche Mühe, die Weine regelmäßig und in den höchsten Tönen anzupreisen (etwa "Weltklasse-Wein" für den Le Cèdre 2016). Also wollte ich dann doch mal einen Versuch starten. Es gibt meines Wissens fünf "reguläre" Rotweine, angefangen vom "Marcel" für knapp 6 Euro über den 2 Euro teureren "Héritage" und den "Chateau du Cèdre" zu 15,50 bis hin zu den Spitzenweinen "Le Cèdre" (33 Euro) und der mehr als doppelt so teuren "Grande Cuvée". Daneben gibt es ungeschwefelte Weine, die als "Extra Libre" bezeichnet werden. Alle Weine bestehen ganz oder ganz überwiegend als Malbec, teilweise mit kleinen Beimischungen von Merlot. Die Rebsorte Malbec hat angeblich in Cahors ihre Heimat (und wird hier eher als Cot bezeichnet). Das bekannteste Anbaugebiet ist jedoch heutzutage Mendoza in Argentinien.

Zum Probieren gekauft habe ich mir die Nr. 2 und 4 der "regulären" Roten, also den Héritage und den Le Cèdre, jeweils aus dem als sehr gut geltenden Jahr 2016.

 


 

 

2016 Cèdre Héritage
Recht dunkles Rot mit ganz leichtem Violettschimmer
In der Nase recht intensiv, aber eher einfach gestrickt, dunkle Früchte, Maraschino-Kirsche, etwas Vanille
Wirkt am Gaumen sehr rund mit weichem Tannin, einer schönen und leicht säuerlichen Frucht, eher kurz
Gut gemachter, leicht rustikaler Wein, der für seinen Preis (unter 8 €) ordentlichen Gegenwert bietet.
84-86, bis 2022

2016 Le Cèdre
Dunkles Rot mit recht deutlichem Violettschimmer
In der Nase komplexer und vielschichtiger als der Héritage, aber mir durchaus ähnlicher Aromatik: dunkle Früchte, eingelegte Kirschen, aber auch kräutrige Noten
Kraftvoller Auftakt am Gaumen, saftige Frucht, der eine feine Säureader Frische verleiht. Noch recht viel reifes Tannin, das dem Wein Struktur verleiht, deutlich länger als sein "kleiner Bruder".
88-90, bis 2030+

Fazit: Beides sind in ihrer jeweiligen Kategorie gute Weine, aber IMHO keine Preis-Leistungs-Wunder


Sonntag, 25. Oktober 2020

Old School

Heute gab es Lamm und dazu sollte es Bordeaux sein. Nachdem ich schon länger um die Flasche herumgeschlichen bin, habe ich mich dann für diesen 1986er Cos d'Estournel entschieden. 1987 in der Subskription gekauft (für 40 DM - das waren noch Zeiten).

An diese Subskription erinnere ich mich auch deswegen noch, weil mein Vater damals (anders als in den Jahren davor) keine Bordeaux subskribiert hat, weil er meinte, er sei zu alt, um sie in ihrer Trinkreife zu geniessen. Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Erstens bin ich heute ein paar Jahre älter als er damals war und habe kräftig 2019er subskribiert. Zweitens trinkt mein Vater auch heute noch gerne guten Wein und wird es hoffentlich auch noch lange tun. 



 

1986 Chateau Cos d'Estournel 

Kräftiges mittleres bis dunkles Rot, am Rand orange-braune Reifenoten
Intensiver Duft mit Noten von Leder, Zedernholz, roten und dunklen Früchten und etwas Tabak
Am Gaumen kraftvoll und intensiv ohne irgendwie "dick" zu sein, sehr typische Aromatik mit dunklen Früchten, etwas Kakao. Jetzt in perfekter Trinkreife; sehr harmonisch mit nur noch verhaltenem, mürben Tannin.
Das ist großartiger Old-School-Bordeaux, der bei guter Lagerung noch einige Jahre vor sich hat. 

94-96, bis 2025+ 

Die gute Nachricht zum Schluss: Das war nicht die letzte Flasche

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Klassenunterschied?

Zu Clos Fourtet, einem Premier Grand Cru Classé B aus Saint-Émilion, habe ich eigentlich keine Beziehung und habe auch noch nie einen Wein des Gutes getrunken. Aber ich habe, warum auch immer, sechs Flaschen des 2008ers subskribiert. Gestern habe ich dann endlich die erste Flasche geöffnet - und war "underwhelmed".  Ich wollte dann wissen, ob das am Wein oder am Jahrgang liegt (obwohl 2008 jetzt nicht direkt als schlecht gilt) und habe daher heute den 2008er Pavie Macquin geöffnet. Das Ergebnis des Vergleichs war ziemlich eindeutig.

 


 

 

2008 Clos Fourtet

Mittleres bis dunkles Rot
In der Nase florale Noten, dunkle Früchte (Brombeeren), etwas nasser Stein, das Ganze von eher mittlerer Intensität. Am dritten Tag wirkt das intensiver und es kommen rotfruchtige Nuancen hinzu.
Am Gaumen eher zurückhaltend, nicht sehr ausgeprägte Frucht und eher verhaltenes Tannin. Auch hier wirkt der Wein am dritten Tag intensiver und nachhaltiger.
Am ersten Tag notierte ich "Das ist ein schöner Wein, aber wenn 1er Grand Cru Classé auf dem Etikett steht, erwartet man doch etwas mehr." Am dritten Tag präsentierte der Wein sich dann besser. Die nachfolgende Bewertung ist entsprechend angepasst.   
90-92, bis 2025+


2008 Chateau Pavie Macquin

Mittleres bis dunkles Rot, leichte Randaufhellung mit Orange-Noten
In der Nase recht ausgeprägt, rote und dunkle Früchte, auch florale Noten; wirkt noch etwas monolithisch und wenig ausdifferenziert. Am zweiten Tag schälen sich rotfruchtige Noten heraus, etwas Tabak.
Am Gaumen konzentriert; intensive, aber noch nicht ganz aufgefächerte Fruchtnoten, viel (reifes) Tannin, lang,ein Kraftpaket. 
Sehr schöner Wein mit Potential, aber eher auf der mächtigen Seite 
92-94, bis 2030+ 


Fazit: Anfangs schien mir das ein echter Klassenunterschied zu sein, aber der Clos Fourtet legte über zwei Tage zu und konnte den Abstand zumindest verringern.

Samstag, 10. Oktober 2020

Die zarteste Versuchung...

Das Weingut Hofgut Falkenstein an der Saar kannte ich vom Hörensagen. Zwei Dinge waren dabei interessant. Erstens bewirtschaftet das Gut Lagen, die (jedenfalls in meiner Wahrnehmung) nicht zu den grossen Namen der Saar gehören. Und zweitens waren die Weine offenbar schwer zu bekommen, weil immer schnell ausverkauft. Nachdem nun aber Mosel Fine Wines (ein frei erhältlicher und sehr empfehlenswerter regelmäßiger Führer zu den Weinen von Mosel, Saar und Ruwer, der von zwei Enthusiasten herausgegeben wird, guckstu unbedingt hier) galaktische Bewertungen für die 2019er veröffentlicht hat, habe ich mich dann doch mal auf die Suche gemacht und bei verschiedenen Quellen den ein oder anderen Wein aufgetrieben. Es gibt, obwohl das Gut mit etwa 9 Hektar Rebfläche nicht besonders groß ist, jedes Jahr ziemlich viele verschiedene Weine. Es wird nämlich quasi jedes einzelne Faß separat abgefüllt, so dass es zum Beispiel mehrere feinherbe Spätlesen aus der Lage Niedermenniger Herrenberg gibt. Die Fässer wiederum haben Namen, die sich (jedenfalls teilweise) auf den Etiketten wiederfinden und zu so kuriosen Bezeichunugen wie "Meyer Nepal" oder "Mutter Anna" führen.




2019 Krettnacher Euchariusberg Riesling Spätlese -6-
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase eher leise, aber delikat und vielschichtig, gelbe Früchte (Pfirsisch) und ein Hauch Mango
Am Gaumen fast tänzerisch leicht, auch hier wieder gelbfruchtig mit klarer Pfirsischnote, recht dezent wirkende Süße, pikante Note im Abgang.
89-91, bis 2030+

2019 Niedermenniger Herrenberg Riesling Spätlese feinherb "Meyer Nepal"
Helles Gelb mit grünlichen Reflexen
In der Nase zurückhaltender, aber animierender Duft nach Limette, grünen Äpfeln und Kräutern, auch nasse Kieselsteine
Am Gaumen leichtgewichtig, tänzelnd, von einer laserartigen, vibrierenden Säure getragen, sehr dezent schmeckbare Restsüße (analytisch sind es meines Wissens 27 g/L), Aromen von Äpfeln. Ein "zarter" Wein, filigran, elegant und mit angesichts des schlanken Baus und des sehr niedrigen Alkoholgehalts (8,5% laut Etikett) erstaunlicher Länge.
91-93, bis 2030+

2019 Krettnacher Euchariusberg Riesling Kabinett -Athuro-
Helles Gelb mit leichtem Grünschimmer
Eher zurückhaltender, aber animierender Duft nach gelben Früchten (Pfirsisch) und Kräutern
Am Gaumen leichtgewichtig, wieder gelbfruchtig, hervorragende Süße-Säure-Balance; die Süße (etwa 40 g/l) wird durch die rasante Säure soweit gezähmt, dass ein fast feinherber Geschmackseindruck entsteht. Für einen so leichten Wein erstaunliche Länge
89-91, bis 2030+

2019 Niedermenniger Herrenberg Riesling Kabinett trocken "Mutter Anna"
Helles Gelb mit leichtem Grünschimmer
In der Nase zurückhaltender, aber delikater Duft, grüner Apfel, Limettenschale
Am Gaumen leichtgewichtig aber dennoch mit geschmacklicher Tiefe, ausgeprägte Säure, wieder Limette, Kräuter. In seiner verspielten, leichten Art (11% Alkohol) extrem trinkanimierend und überraschend lang. 
90-92, bis 2025+

2019 Niedermenniger Herrenberg Riesling Spätlese feinherb "Palm"
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase verhalten, gelbfruchtig, Pfirsisch, Kräuter
Auch am Gaumen gelbfruchtig, ausgeprägte Säure, Süße sehr dezent, animierend
89-91, bis 2030+

2019 Niedermenniger im Kleinschock Riesling Kabinett
Helles Gelb mit leichtem Grünschimmer
Zurückhaltender, aber sehr animierender Duft nach Kräutern, etwas Limettenschale
Ausgeprägte Säure läßt einen fast halbtrockenen Geschmackseindruck entstehen; kühle Stilistik, gelbfruchtige Aromatik
87-89

2019 Niedermenniger Herrenberg Weißburgunder Spätlese trocken
Recht helles Gelb
In der Nase eher zurückhaltend, reife Melone, Sommerwiese
Am Gaumen kräftige, für Weißburgunder ungewöhnliche Säure, die Frucht tritt hier etwas in den Hintergrund. Frisch und animierend.
84-86, bis 2023

Fazit: Ich kann jetzt sehr gut verstehen, warum die Weine immer so schnell ausverkauft sind. Das sind hervorragende Rieslinge (der Weissburgunder hat mich nicht so begeistert), die einen ganz anderen Stil verkörpern als zum Beispiel van Volxem. Wenn ich nur ein Wort für die Beschreibung der Weine verwenden dürfte, wäre das "zart". Die zarteste Versuchung seit es Riesling gibt, sozusagen.







Der nächste 15er

Weine von Balthasasr Ress stehen nicht auf meiner jährlichen Einkaufsliste. Nicht, weil sie schlecht wären, sondern weil Budget und Lagerkapazität nun mal nicht unbegrenzt sind. Das 2015er GG aus dem Hattenheimer Nussbrunnen bekam nun aber so positive Resonanz (zum Beispiel 98 Punkte bei Wein Plus), dass ich dann doch drei Flaschen davon gekauft habe.  Nach der positiven Erfahrung mit dem 2015er Morstein von Wittmann vor Kurzem (guckstu hier) hoffte ich auf einen ähnlich grossartigen Riesling - und wurde nicht enttäuscht.


 

 2015 Balthasar Ress Hattenheimer Nussbrunnen Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Am ersten Tag sehr ausgeprägte und vor alllem von Kräutern geprägte Nase; am zweiten Tag kommt kandierte Zitrusfrucht hinzu
Am Gaumen ein perfekt balancierter Wein mit hervorragend integrierter Säure, Schmelz und mineralischem Fundament, aromatisch auch hier eher kräutrig als fruchtig. Bei cellartracker hat jemand über diesen Wein geschrieben "power without weight", und das trifft es sehr gut.
93-95, bis 2030 

Fazit: Grosses Riesling-Kino abseits des Rheingauer Mainstreams mit Potential für viele weitere Jahre. Ich habe tatsächlich gegoogelt und einen Händler gefunden, bei dem ich noch drei Flaschen nachbestellen konnte. Wenn ich eine Probe mit 2015er Riesling GGs organisieren würde, würde ich diesen Wein in einen Flight mit Peter Jakob Kühns "Nikolaus" packen.

 

Montag, 5. Oktober 2020

Gelungener Nachkauf

Ich hatte seinerzeit (also 2016) keinen Morstein gekauft und mir später mit Mühe eine Flasche für die Vertikale besorgt - der Wein war quasi vom Markt verschwunden. Vor etwa einem Jahr habe ich den 2015er Morstein dann aber zufällig auf der Webseite eines grossen Händlers entdeckt und gleich "zugeschlagen". Nachdem nun sieben Flaschen im Keller lagen, war die Zeit zum Test gekommen - und der Test wurde mit Bravour bestanden.

 


2015 Wittmann Westhofener Morstein Riesling GG
Reif wirkendes Goldgelb
In der Nase ausgeprägte Frucht, zunächst Mirabelle und gelbe Steinfrüchte. Anfangs eine leicht medizinal wirkende Note, die aber mit mehr Luft verschwindet und kräutrigen Noten weicht
Entwickelt am Gaumen viel Zug, wieder gelbe Früchte, etwas Zitrus, im langen Abgang eine deutliche, kalkige Mineralität, hervorragend integrierte Säure.
93-95, bis 2025+