Freitag, 13. September 2019

Pittermännchen

Für den Kölner ist klar, was ein Pittermännchen ist - ein 10-Liter-Fass Kölsch natürlich. Der Rieslingfan denkt vielleicht eher an die Nahe, wo es in Dorsheim eine Lage mit dem Namen Pittermännchen gibt. Wir haben nur einen Wein aus dieser Lage im Keller, ein Grosses Gewächs von Diel, gekauft 2013. Von den drei Flaschen musste heute die erste dran glauben. Das schien mir der angemessene Abschluss eines anstrengenden Freitags zu sein. Fazit? Für dieses Pittermännchen lasse ich jedes Kölsch stehen.




2012 Diel Dorsheimer Pittermännchen Riesling GG
Kräftiges Gelb
Komplexer, tiefer, aber ganz unaufgeregter und in sich ruhender Duft, Noten von gelben Früchten, Orangen, Olivenöl(?), mit mehr Luft ind Kräutrige wechselnd
Auch am Gaumen ein in sich ruhender Wein, sehr harmonisch mit perfekt integrierter Säure, dabei ganz trocken wirkend, hat im Abgang etwas ganz leicht Öliges.
Sehr schöner Riesling, jetzt im "Trinkfenster" aber mit Potential für weitere Jahre.

93-95, bis 2023+




Mittwoch, 28. August 2019

Stehaufmännchen

Diesem Wein bin ich zum ersten Mal 2015 auf einer Probe mit Weinen aus dem Veneto begegnet. Ich fand ihn sehr gut, so dass ich 6 Flaschen gekauft habe. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass das Weingut Quintarelli einen legendären Ruf besitzt, vor allem für seinen Amarone (der ist aber preislich deutlich jenseits meines Beuteschemas angesiedelt). Das Six-Pack hat mir ein Bekannter eigens vom Weingut mitgebracht.

Der Primofiore ist der kleinste Rotwein des Gutes, eine Cuvee aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Corvina und Corvinone.  Derzeit werden für erhältliche Jahrgänge Preise von knapp unter 50 Euro aufgerufen. Das ist meiner bescheidenen Meinung nach absurd. Für den ab Weingut bezogenen 2011er habe ich 23 Euro bezahlt.

Leider hat der Wein dann allerdings das nicht gehalten, was er bei der ersten Begegnung versprach. Einige Flaschen waren sogar regelrecht fehlerhaft. Auch auf einer weiteren Veneto-Probe Ende 2018 notierte der Wein (nicht nur meiner Meinung nach) schlecht, mit oxidativen Noten und gezehrt wirkend. Ich war daher durchaus froh, als die letzte Flasche weg war. Oder genauer gesagt, als ich dachte die letzte Flasche sei weg. Denn vor einigen Tagen fand ich beim Aufräumen im Keller doch noch eine Flasche. Die habe ich dann heute geöffnet, naheliegenderweise ohne grosse Erwartungen. Aber erstens kommt es anders...




2011 Giuseppe Quintarelli "Primofiore"
Mittleres Rot mir orange Reifenoten
In der Nase ziemlich intensiv, mit pflaumiger Frucht, etwas Tabak und Kräutern
Am Gaumen druckvoll, reife Frucht (wieder Pflaume und Kräuter), Tannin weitgehend abgeschmolzen, wärmender Alkohol, mittlere Länge, ganz leichte Bitternote im Abgang. Wirkt etwas eindimensional und hält dadurch nicht ganz, was die Nase verspricht.
86-88, bis 2020

Das ist ordentlich, aber nicht weltbewegend. Es ist nicht schlimm, dass das jetzt endgültig die letzte Flasche war. Die Elogen, die auf Cellartracker über diesen Wein teilweise geschrieben werden (guckstu hier) kann ich nicht nachvollziehen.


Donnerstag, 15. August 2019

Leo will

Léoville Barton gehört seit den Anfängen meiner Bordeaux-Karriere zu meinen Favoriten. Schon in den 90ern habe ich eine Reihe von Jahrgängen subskribiert, grosse (1990) wie kleine (1992-94). Von einigen Jahrgängen habe ich noch keine Flasche geöffnet, darunter auch der ja als lagerfähiger Jahrgang geltende 1996er. Kürzlich konnte ich bei Ebay zwei Flaschen 1996er Léoville Poyferré erstehen. Ebay ist oft ein Glücksspiel, gerade bei älteren Weinen, aber in diesem Fall war mir die Verkäuferin aus zahlreichen Transaktionen bekannt und ich wusste, dass ich top-gelagerte Weine bekommen würde.

Und wenn man Barton und Poyferré im Keller hat, dann will man wissen, was Leo will. Daher habe ich vor einigen Tagen einen kleinen Vergleich auf die Tagesordnung gesetzt.




1996 Chateau Léoville Barton
Mitleres Rot, am Rand dezente Reifenoten
In der Nase klassischer Oldschool-Bordeaux, Leder, dunkle Früchte, auch etwas Fleisch. Mit Luft kommt eine etherische Note hinzu. Nach zwei Stunden auch etwas Tabak und rote Früchte.
Kommt am Gaumen immer noch recht kernig rüber, mit präsenter Säure und intaktem Tanningerüst. In der Aromatik dezent dunkelfruchtig. 
91-93, bis 2025+

1996 Chateau Léoville Poyferré
In der Farbe sehr ähnlich, vielleicht einen Hauch dunkler
Wirkt in der Nase etwas weiter entwickelt, im Vordergrund stehen hier gewürzige Noten, mit mehr Luft aber auch hier Leder und dunkle Früchte (reife Brombeeren)
Am Gaumen im Vergleich zum Barton etwas runder, aber auch hier noch präsentes Tannin, dunkelfruchtig, schöne Komplexität und Länge. Hinterläßt einen Eindrick von Harmonie und Eleganz.
92-94, bis 2023+

Fazit: Léoville Barton ist Oldschool-Bordeaux ohne Kompromisse. Ein Klassiker, der ein Steak braucht. Der Poyferré kommt runder daher, und um ein Glas solo zu trinken, wäre er meine erste Wahl.


RS

Mit "RS" bezeichnet Audi Autos mit ganz viel PS unter der Haube (und ganz vielen Euros auf dem Preisschild). Für deutlich kleineres Geld kann man RS beim Weingut Salwey zwar nicht fahren, aber trinken. Im Unterschied zu den Audi RS haben die Weine von Salwey aber gerade nicht besonders viel PS unter der Haube, sondern (jedenfalls gemessen an ihrer sehr warmen Herkunft am Kaiserstuhl) eher wenig PS. Man macht hier nämlich Weine mit erfreulich niedrigem Alkoholgehalt.

Vor kurzem hatten wir im (sehr empfehlenswerten) Aachener Restaurant La Becasse das 2015er Grauburgunder GG aus dem Oberrotweiler Henkenberg. Der Wein hat mich ziemlich begeistert; das war so mit das beste, was mir an Grauburgunder bislang untergekommen ist. Ich habe unmittelbar danach ein paar Flaschen geordert. Heute gab es aber erstmal die "Reserve Salwey", den "RS" eben. Bei Salwey ist RS nämlich gar nicht das Top-Modell, sondern der Ortswein. Aber der kann was.





2015 Salwey Grauburgunder "RS"
Kräftiges, fast zitroniges Gelb
In der Nase zurückhaltend, aber sehr fein; nussig, etwas Melone, Feuerstein
Am Gaumen fast zart wirkend, aber trotzdem mit Grip und Biß, betont trocken, wieder nussig, vegetabile Noten, gute Länge.
88-90, bis 2022

Fazit: In einem warmen Jahr in einer warmen Region so einen feinen, fast zarten Grauburgunder mit nur 12,5% unter der Haube zu machen, dazu gehört schon etwas. Chapeau!

Donnerstag, 1. August 2019

Entdeckungsreise

Ich fahre sehr viel mit dem Zug, bestelle aber sehr selten Wein im Speisewagen. Das Angebot der deutschen Bahn animiert auch nicht dazu, weder in qualitativer noch in preislicher Hinsicht. Vielleicht bin ich da ungerecht, aber wenn ich "Rotkäppchen-Sekt" auf einer Karte sehe, fällt bei mir die Klappe.

Heute fahre ich aber mit einem Schweizer Zug (durch das Rheintal zwischen Mainz und Bonn). Die Weinauswahl ist zunächst einmal auf Schweizer Weine beschränkt. Die deutsche Bahn hatte vor einigen Jahren auch mal den Versuch gestartet, nur noch deutsche Weine anzubieten, das dann aber nach einiger Zeit wieder aufgegeben. Ich empfinde die Beschränkung auf Schweizer Weine nicht als Beschränkung, sondern als spannend, denn ich kenne mich da nicht aus. Es gibt einen Sekt und sieben Weine zur Auswahl - und zwar nicht nur in den sonst üblichen 0,25-Liter-Flaschen, sondern in verschiedenen Formaten zwischen 0,1 Liter und einer ganzen Flasche. Ich entschied mich für einen Fendant aus dem Valais. Ein Chasselas aka Gutedel also, einer in der Schweiz sehr verbreiteten weissen Sorte.

Interessant ist die Preisgestaltung: Im deutschen Fachhandel ist der Wein für 18-19 Euro zu haben (damit ist er allerdings überbezahlt; in der Schweiz mag er preiswerter sein). Angesichts dessen sind 8,60 für 0,25 Liter fair kalkuliert.



2018 Domaines Rouvinez Fendant Coteaux de Sierre
Recht helles Gelb
In der Nase ansprechend, recht ausgeprägte Frucht, Aprikose
Wirkt am Gaumen recht kräftig mit spürbarem Schmelz, dezent gelbfruchige Aromatik
84-86, bis 2020

Fazit: Das ist (natürlich) kein grosser Wein, aber er trinkt sich gut und war dem Anlass angemessen (auch wenn ein Riesling aus dem Mittelrhein besser gepasst hätte). 




Donnerstag, 18. Juli 2019

Mit der S-Klasse in der 3. Liga

Während eines Besuchs des Weinguts Franz Keller im Jahr 2016 haben mich die Spätburgunder des Jahrgangs 2013 sehr beeindruckt. Es gab eine ganze Reihe davon, angefangen beim Gutswein bis hinauf zu den grossen Gewächsen (Bundesliga). Dazwischen angesiedelt war die "A-Klasse" (2. Liga) und die "S-Klasse" (3. Liga). Wie bei Mercedes ist die S-Klasse recht teuer, aber anders als bei Mercedes ist die A-Klasse noch teurer. Wie dem auch sei - die Weine hatten etwas Erhabenes, so dass ich am Ende mehr gekauft habe, als ich ursprünglich wollte (nämlich S, A und das Grosse Gewächs aus dem Oberrotweiler Eichberg). Heute gab es die S-Klasse, mithin also den Wein aus der 3. Liga.



2013 Franz Keller Spätburgunder "S"
Mittleres bis dunkles Rot, am Rand rosa
In der Nase zunächst verschlossen mit dezenter Holznote. Mit Luft intensiver, Kirsche, Wacholder, leicht nussig. Am zweiten Tag tritt die Frucht deutlicher hervor 
Wirkt am Gaumen sehr elegent und vornehm (man möchte fast "aristokratisch" sagen), dabei aber auch nachhaltig mit dezenter Holzwürze, Kirschfrucht und einem feinen Säurenerv, samtiges, hervorragend integriertes Tannin.
Ein sehr schöner Spätburgunder, der neugierig darauf macht, wie dann erst der "A" und das Grosse Gewächs schmecken
90-92, bis 2025

Fazit: Ein Drittligist mit Bundesliga-Ambitionen (bei Qualität und Preis)

Freitag, 12. Juli 2019

Verbrannte Erde reloaded

Vor ziemlich genau einem Jahr gab es hier eine Verkostungsnotiz zu einem sehr schönen Wein aus Cornas (guckstu hier). Den Titel "Verbrannte Erde" hatte ich damals für den Post gewählt, weil der Wein "Terre Brulée" hiess. Mittlerweile habe ich gelernt, dass der Ortsname Cornas keltischen Ursprungs ist und "verbrannte Erde" bedeutet. Daher kann ich den Titel heute wiederverwenden, denn es gibt wieder einen Cornas. Diesmal allerdings  fünf Jahre älter und aus dem Jahr 2010.





2010 Domaine Durand Cornas "Empreintes"
Sehr dunkles Rot mit leichtem Violettschimmer am Rand, keinerlei Reifenoten.
In der Nase (nach ca. einer Stunde in der Karaffe) rechte intensiv, Himbeeren und dunkle Früchte. Mit mehr Luft auch Holzkohle ("Lagerfeuer") sowie eine kräutrige Note.
Am Gaumen zum Auftakt eine angenehme, frisch wirkende Fruchtnote, wieder Himbeeren, danach wird es dunkelfruchtiger, viel sehr reifes Tannin, lang.
Sehr schöner Wein am Beginn seiner Trinkreife.
92-94, is 2030