Mittwoch, 1. November 2017

Die letzte Liebesheirat

Nein, das ist keine Absage an die Romantik. Zumal es ja jetzt, mit der "Ehe für alle", mehr und nicht weniger Liebeshochzeiten geben sollte.
A propos Ehe für alle. Den besten Cartoon dazu gibt es hier.
Die Liebesheirat, um die es hier geht, ist der 2013er Wein der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft. Ein Müller-Thurgau (mit etwas Chardonnay und Muskateller) des Jahrgangs 2012 aus alten Reben, zum Teil im Barrique ausgebaut, von Bernhard Huber. Und es war nun halt die letzte Flasche.
Das war immer (und ist noch) ein schöner Wein. Die dafür seinerzeit aufgerufenen 23,80€ sind allerdings auch ein ambitionierter Preis.





2012 Bernhard Huber Malterdinger Bienengarten "Liebesheirat" Müller-Thurgau
Mittleres Gelb
In der Nase angenehme, unaufdringliche Frucht, leichte Muskatnote
Am Gaumen eher schlank, stützende Säure, pikant, wieder etwas Muskat, florale Noten, dezente und gut eingebundene Holznote.
Wirkt noch frisch, sollte nun wohl aber allsbald getrunken werden.
86-88, bis 2018


Samstag, 14. Oktober 2017

Grande Escolha

"Grande Escolha" heißt große Auswahl oder große Selektion und ist eine Zusatzbezeichnung für besonders selektionierte portugiesische Weine. Insofern paßt die Bezeichnung bestens auf die heutige Portugal-Probe der "Kölner Seilschaft", denn hier wurde in der Tat eine sehr schöne Selektion portugiesischer (Rot)Weine vorgenommen.

Die Probe bestand aus drei Teilen. Die ersten fünf Weine kamen aus der Küstenregion, vom Minho im Norden bis Setubal südlich von Lissabon. Daran schlossen sich fünf Weine aus dem Süden (Alentejo und Algarve) an. Den Abschluß machten sechs Weine aus den bergigen Regionen des Nordens, darunter vier Douros.



2015 Quinta do Avelar Tinto (verschiedene Rebsorten, 80-jährige Reben)
In der Nase Kräuter und Zwetschgen
Am Gaumen weich, würzig, mit einer etwas rustikal wirkenden Bitternote
83-85

2012 Quinta da Lapa Reserva Touriga National (100% Touriga National)
In der Nase dicht, noch unentwickelt, Kirsche
Würzig, reifes Tannin, leicht schokoladig, dunkle Früchte, dezente Vanillenote
86-88

2013 Quinta de Baixo (Niepoort) Poeirinho (100% Baga)
Zu 100% aus der Rebsorte Baga (guckstu hier) gekeltert und nur 11,5% Alkohol. Keine Ahnung, wie das in Portugal geht.
Sehr schöne Nase, intensive Frucht, Kirsche
Am Gaumen leichtgewichtig mit schöner Frucht, noch spürbares Tannin. Schöner, eigenständiger Wein.
89-91

2005 Covela Tinto (Touriga National, Cabernet Franc, Merlot)
In der Nase sehr kräutrig (vom Cabernet Franc in der Cuvée?), ganz leicht grün, wird mit Luft gefälliger.
Auch am Gaumen kräutrig, noch viel Tannin. Das ist nicht mein Wein, und so habe ich ihn denn auch  schlechter beurteilt als meine Mitverkoster.
83-85

2009 Comporta Alicante Bouschet (100% Alicante Bouschet)
Fast schwarzes dunkelrot
In der Nase intensiv, dunkelfruchtig, Räucherspeck
Am Gaumen sehr nachhaltig, viel reifes Tannin, leicht medizinale Note, lang
86-88

2014 Comenda Grande Tinto (verschiedene Rebsorten)
Schöne Nase, die zunächst kühl wirkt, dann aber auch etwas marmeladig-überreife Noten entwickelt
Am Gaumen weich, angenehme Frucht, eher einfach, spürbarer Alkohol
83-85

2014 Herdade dos Grous Moon Harvested (100% Alicante Bouschet)
In der Nase schöne, "offene" Frucht
Auch am Gaumen schöne Frucht, weiches Tannin, es fehlt etwas an Komplexität
86-88

2014 Marques dos Vales Grande Escolha (verschiedene Rebsorten)
Schwarzrot
In der Nase sehr konzentriert, noch unentwickelt, dunkle Früchte
Auch am Gaumen sehr konzentriert mit viel reifem Tannin, der Alkohol (15%) ist gut integriert, Potential, lang
92-94

2011 Herdade do Esporao Reserva (verschiedene Rebsorten)
Schwarzrot
Sehr schöne, eher "leise" Nase
Am Gaumen schöne Frucht, eher internationaler Stil, leicht trocknendes Tannin
86-88

2005 Comenda Grande Polémico (Cabernet, Syrah)
Zunächst ein deutlicher Stinker in der Nase, Pilze, Käse, Gewürze. Das gibt sich mit Luft und es zeigt sich eine reife, würzige Frucht
Am Gaumen würzig, Leder, reifes Tannin, ganz dezente "grüne" Cabernet-Note.
86-88 



2014 Quinta dos Termos Reserva (verschiedene Rebsorten)
In der Nase zurückhaltend, fast floral, dunkle Früchte
Am Gaumen schön würzig, aber auch leicht trocknend
86-88

2004 Lagar de Darei José (verschiedene Rebsorten)
In der Nase dunkle Früchte, frisches dunkles Brot(?)
Am Gaumen dann relativ wenig Frucht.
Eigenständiger Wein, dem man sein Alter definitiv nicht anmerkt
86-88

2014 Qunita das Tecedeiras Reserva (verschiedene Rebsorten)
Schöne Nase, dunkelfruchtig, kühl wirkend
Am Gaumen "weich" wirkend, konzentriert, würzige Frucht
89-91

2009 Qinta do Crasto Reserva Old Vines (verschiedene Rebsorten im gemischten Satz)
Schöne Nase, reife Frucht, ätherisch, komplex
Auch am Gaumen reife Frucht, jetzt beginnende Trinkreife. Sehr schöner Wein.
92-94

2007 Vale de Pios Vinha das Arzilas (Touriga Nacional, Tinto Cao)
Feine, eher zurückhaltende Nase, Räucherspeck, ätherisch
Am Gaumen herb wirkende Frucht, leicht trocknendes Tannin, Alter nicht spürbar - braucht sogar fast noch Zeit
89-91

2005 Quinta do Crasto Maria Teresia (verschiedene Rebsorten im gemischten Satz)
Großartige Nase, intensiv, komplex, Tabak, dunkle Früchte, mit Luft auch Orange(?)
Am Gaumen komplex, elegant, von mittlerem Körper, aber großer Länge, das Alter ist nicht spürbar. Groß.
95-97

Fazit: Sehr schöne Probe mit vielen sehr guten bis hervorragenden und einem großen Wein. Viele der Weine zeichnen sich durch ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Lagerfähigkeit aus.

Inspiriert durch die Probe (bei der ich bis auf den "Maria Teresia" alles ausgespuckt habe) kam dann am Abend noch der hier auf den Tisch:

2005 Quinta do Crasto Reserva Old Vines
Mittleres bis dunkles, kaum gereift wirkendes Rot
In der Nase schöne, ausgeprägte und herb wirkende Frucht, Sauerkirsche
Am Gaumen reife Frucht, würzig
Hat noch Tannine, die dem Wein Struktur verleihen. Hat sein Trinkreifeplateau erreicht und sollte sich noch einige Zeit auf diesem Niveau halten.
89-91, bis 2020

Dienstag, 3. Oktober 2017

Beaujolais

Beaujolais hatte ich als Region lange nicht auf dem Schirm. Auch eine recht umfangreiche Probe, an der ich vor gut drei Jahren teilnehmen konnte (guckstu hier) hat daran nicht viel geändert. Als mich dann aber Anfang des Jahres der Fleurie "La Chapelle des Bois" von Desjourneys begeistert hat (s.u.) kam mir der Gedanke, eine Beaujolais-Probe zusammenzustellen. Zehn Weine kamen auf den Tisch und lieferten eine sehr gute Gesamtperformance ab. Die meisten der nachfolgenden Notizen stammen von einer Nachverkostung am Tag nach der Probe, wobei sich einige Weine im Vergleich zum Vortag spürbar verändert zeigten.

Das Line-up
Vorweg gab es das hier. Hat mit Beaujolais zwar nichts zu tun, ist aber sehr gut:

2014 von Buhl Riesling-Sekt 20Mo
Goldgelb
In der Nase ausgeprägte Rieslingnoten, gelbe Früchte
Am Gaumen betont trocken, wieder deutlich Riesling, gute Länge, feine Perleage.
89-91

2014 Domaine du Penlois Morgon
Mittleres, jugendliches Rot
In der Nase recht ausgeprägt mit schöner, jugendlich wirkender Frucht; Zwetschgen, kräutrige Noten und etwas, was ich in Ermangelung eines besseren Ausdrucks als "metallisch" (aber nicht unangenehm) bezeichnen würde
Auch am Gaumen ausgeprägte, irgendwie "fröhlich" wirkende Frucht, auch hier wieder an Zwetschgen erinnernd. Hat genug Tannin, um dem ganzen Grip zu geben. Das ist ein Spaßwein mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis, den ich eher jung trinken würde.
86-88, bis 2019

2013 Dominique Piron Morgon "La Chanaise"
Mittleres Rot
In der Nase ausgeprägte Frucht, Kirsche, leicht ins Likörige gehend.
Die Frucht wirkt am Gaumen verhaltener, irgendwie "gebremst". Der Wein hat zwar mehr Tiefe als der Penlois (und auch mehr Tannin), aber dafür geht ihm das Unbeschwerte etwas ab.
86-88, bis 2020+

2011 Jean-Marc Burgaud Morgon "Côte du Py"
Mittleres Rot
Jetzt (am zweiten Tag) zeigt sich in der Nase eine etwas störende Gumminote, die ich am ersten Tag nicht registriert habe.
Am Gaumen ist die Frucht (Kirsche) etwas in den Hintergrund getreten; ausgeprägtes Tannin. Das macht in dieser Verfassung weniger Spaß als die beiden ersten Weine, allerdings habe ich den Wein vom ersten Tag deutlich besser in Erinnerung.
83-85?, bis 2020?

2015 Louis Claude Desvignes Morgon "Côte du Py"
Sehr dunkle, schwarz-violette Farbe
In der Nase sehr konzentriert und kompakt wirkend, die Frucht hat sich noch nicht entfaltet
Auch am Gaumen sehr konzentriert wirkend, kompakter Fruchtkern, viel reifes Tannin, dezente Säure. Das läßt hervorragendes Potential erkennen, braucht aber eindeutig noch Zeit. Mit 14.5% übrigens auch der alkoholreichste Wein im Feld.
89-91+, 2020-2025+

2010 Jules Desjourneys Fleurie "Chapelle des Bois"
Sehr dunkles Rot mit Violettnoten am Rand
In der Nase eine sehr ausgeprägte, tiefe und sehr elegant wirkende Kirschfrucht
Am Gaumen kommt die Frucht erst mit Verzögerung zum Vorschein, aber auch hier zeigt sich dann eine tiefe, irgendwie aristokratisch wirkende Kirschfrucht. Mir gefält das sehr gut, wenn ich auch nicht ganz so begeistert bin wie bei der ersten Verkostung dieses Weins (guckstu hier
89-91, bis 2022

2015 Domaine Thillardon Chenas "Chassignol"
Mittleres Rot mit Violettschimmer
In der Nase intensive Frucht, eher dunkelfruchtig
Am Gaumen eher leichtgewichtig mit ausgeprägter, aber noch nicht entfalteter Frucht und einer an Lösungsmttel erinnernde Note. Die Meinungen gingen hier etwas auseinander; für mich ist das nicht auf dem Niveau der 2015er von Desvignes und Rottiers. Es wäre interessant zu beobachten, wie sich das entwickelt.
86-88+, 2020-2025+

2015 Domaine Richard Rottiers Moulin à Vent
Dunkles Violettrot
In der Nase (noch) verhaltene, aber tief und elegant wirkende Kirschfrucht
Am Gaumen noch sehr verschlossen wirkend, sehr konzentriert, aber da ist viel Potential, reifes Tannin. Braucht Zeit.
89-91+, 2020-2025+

2015 Domaine Richard Rottiers Moulin à Vent "Champ de Cour"
Ebenfalls dunkles Violettrot
In der Nase verhalten, violette Früchte, tief, elegant
Am Gaumen enorme Konzentration, aber noch völlig verschlossen, viel reifes Tannin. Das ist noch einen Tick besser als der "einfache" Moulin à Vent und könnte groß werden.
92-94+, 2020-2030+

2011 Jules Desjourneys Moulin à Vent 
Mittleres bis dunkles Rot
In der Nase eher "leise", dunkelfruchtig, elegant
Am Gaumen konzentriert, aber nur verhaltene Frucht, ausgeprägtes Tannin. Für meinen Geschmack nicht auf dem Niveau des 2010er Fleurie.
86-88+, bis 2025

2009 Clos de Rochegrès Château des Jacques Moulin à Vent
Mittleres bis dunkles Rot mit ersten Reifenoten
In der Nase reife Frucht, vor allem Zwetschgen. Am ersten Abned war eine leicht Stallnote zu verspüren, die aber jetzt nicht mehr wahrnehmbar ist.
Auch am Gaumen reife Frucht, noch spürbares Tannin, ordentliche Länge.
89-91, bis 2020

Fazit: Insgesamt eine Probe auf hohem Niveau. Insbesondere waren auch einige Weine mit hervorragendem Preis-Genußverhältnis dabei. Von den einfacheren Weinen gefiel mir der Penlois sehr gut, das ist viel Trinkspaß fürs Geld (ca. 10 Euro). In der nächsthöheren Liga konnten der Chenas von Desvignes und der "einfache" Moulin à Vent von Rottiers überzeugen (beide um 18 Euro). Der beste Wein der Probe war für mich der "Champ de Cour". Bei 25 Euro für diese Qualität sollte man eigentlich nachkaufen, aber der Wein scheint in Deutschland nicht mehr erhältlich zu sein.

Donnerstag, 28. September 2017

UnBernabelevable

Heute gab es (mal wieder) eine aus Neugier mitbestellte Einzelflasche. Dass in der Gegend von Madrid Wein hergestellt wird, hatte ich bislang nicht bewußt zur Kenntnis genommen, überrascht hat es mich natürlich auch nicht. Anscheinend können die Weine richtig gut sein. Und wenn der Name dann auch noch zu einem solchen Wortspiel einlädt (man verzeihe mir die Plattitüde...), dann ist ein Post hier fällig.



2014 Bernabeleva Arroyo del Tortolas
Mittleres Rot. Für einen spanischen Rotwein mit immerhin 15,5% Alkohol ist das überraschend hellfarbig.
In der Nase anfangs verhalten, mit Luft intensiver; anfangs Tabak, dann Kräuter und Fruchtnoten, die an die südliche Rhone erinnern (was angesichts von 100% Grenache nicht allzu sehr überrascht); etwas Leder. Mit noch mehr Luft bekommt das etwas florales, was dem Wein eine elegante Note gibt. Am zweiten Tag auch Himbeernoten.
Am Gaumen sehr intensiv, intensiver, als Farbe und Nase vermuten lassen. Auch hier aromatisch südliche Rhone, Kirsche, Gewürze; man spürt die Kraft, ohne dass der Wein übermäßig alkoholisch wirken würde, samtiges Tannin, lang.
Das ist die sprichwörtliche Faust im Samthandschuh, aber es macht auch recht schnell satt.
89-91, bis 2025


Montag, 18. September 2017

Punktbauchlandung


Es sollte an diesem doch herbstlich-kühlen Abend ein Rotwein sein. Also bin ich in den Keller und habe etwas rumgesucht. Zuerst fiel mein Blick auf den 2015er Chianti classico von Fonterutoli. Den hatte ich im Frühsommer auf einer Probe für gut befunden und dann gekauft. Dann aber fiel mir der 2013er "Bastides Miraflors" aus den Cotes Catalanes in die Hände. Der war mit seinen 93 Parker-Punkten beworben worden und ich bin drauf reingefallen. Na ja, bei einem 10-Euro-Wein sind 93 natürlich auch ein Wort und der finanzielle Einsatz beim Erwerb von drei Flaschen ist begrenzt. Da ich zufällig heute Werbung für den sogar mit 94 Parker-Punkten ausgezeichneten 2015er gesehen hatte, wollte ich nun doch mal wissen, wie das schmeckt und nahm also (erstmal) den "Bastides".




2013 Lafage "Bastide Miraflors"
Recht dunkles, noch jung wirkendes Rot
In der Nase von der Syrah geprägt, würzig, Pfeffer, auch etwas Tapenade
Am Gaumen dann ein ziemlicher Schock: Das hat zwar viel Kraft, wirkt aber vordergründig süß und recht strukturlos. Nach einer halben Stunde im Glas wird das nicht besser und auch am nächsten Tag noch das gleiche Bild. Ich kann davon nicht mehr als ein halbes Glas trinken. Damit ist dann auch klar, dass ich sicher keinen 2015er bestellen werde.
83-85?

Also wieder in den Keller und dann reumütig doch den Fonterutoli raufgeholt.

2015 Castello di Fonterutoli Chianti classico
Leuchtendes, jugendlich wirkendes mittleres Rot
In der Nase recht ausgeprägte Kirschfrucht, etwas Marzipan, ein Hauch Rumtopf
Am Gaumen schon recht rund wirkend, wieder kirschfruchtig mit lebendiger Säure und im Abgang noch spürbarem Tannin.
89-91, bis 2022+


Freitag, 15. September 2017

A Sky Full of Wines

Das KölnSKY befindet sich im 28. Stock eines Hochhauses direkt gegenüber dem Dom auf der Schäl Sick (Nicht-Kölner dürfen das gugeln). Die große Glasfront bietet einen ziemlich spektakulären Blick auf Dom, Hohenzollernbrücke und den Rest der Stadt. Genau dort präsentierten zehn renommierte deutsche Güter eine Auswahl ihrer Weine. Dazu wurden "kölsche Tapas" serviert. Am Abend gab es noch ein hochkarätiges Dinner mit Weinbegleitung, an dem ich aber nicht teilgenommen habe.

Zwei Verbesserungsvorschläge für den Fall einer Neuauflage im nächsten Jahr: Erstens wäre ein Programm mit einer Liste der zu verkostenden Weine hilfreich. Zweitens wäre es sinnvoll, Spucknäpfe nicht nur an den Ständen aufzustellen. Zwar brachte mir auf Nachfrage ein sehr freundlicher Bediensteter einen an meinen Tisch, aber mehr als dieser eine war wohl nicht aufzutreiben. A propos freundlich: Das war eine insgesamt gut gelaunte Veranstaltung - ich habe nur freundliche Menschen erlebt. Ich käme nächstes Jahr gerne wieder.

Room with a view




Ein für mich neues Weingut ist Klumpp aus Bruchsal. Dem Namen nach war es mir bekannt, aber getrunken habe ich noch nie etwas von dort. Die Weißweine kommen alle mit ein paar Gramm Restsüße daher. Von den Gutsweinen hat mir der 2016er Weißburgunder am besten gefallen, er ist sehr sortentypisch mit lebendiger Säure und bietet viel fürs Geld (86-88). Bei den Lagenweinen gefiel mir der 2015er Kirchberg Chardonnay sehr gut, bei dem das Holz zurückhaltender war als bei den anderen Lagenweinen (86-88). Allerdings wirkte der Chardonnay noch etwas unnahbar und braucht noch etwas Zeit. Sehr gut gefallen hat mir der 2013er Himmelreich Blaufränkisch mit seiner kräftigen, an Brombeeren erinnernden Frucht und seinem würzigen, "weichen" Charakter (89-91).

Bei Fürst war gleich der erste Wein ein Volltreffer. Der 2016er Riesling "pur mineral" ist ein toller Gutswein. Schon in der Nase sehr schön, Maracuja. Das setzt sich am Gaumen fort: schöne Frucht, unverschämter Trinkfluß. So viel Frucht war selten. Mein Coup de Coeur (86-88+, die den Trinkspaß aber nur unzureichend abbilden). Der 2016er Bürgstädter Berg Riesling ist verhaltener, aber komplexer und tiefer mit Orangennoten in der Nase und mineralischem Charakter am Gaumen. Sehr schöner Wein (89-91). Die 2015er Rotweine fand ich derzeit noch schwierig zu beurteilen. Das Große Gewächs aus dem Centgrafenberg hat zwar klares Potential, aber derzeit auch noch eine leicht bittere Holznote (89-91+?). Der Frühburgunder "R" war zwar ebenfalls holzgeprägt, hatte aber die Bitternote nicht (89-91+).

Mein Coup de Coeur. So viel Frucht war selten


Bei Schnaitmann gab es zunächst den 2016er Schnaiter Altenberg Riesling, der eine ausgeprägte, ins exotische gehende Frucht aufweist und dann kraftvoll und mit dezentem Schmelz die Kehle hinabrinnt (86-88). Gut gefallen hat mir der 2015er Spätburgunder "Junge Reben". Der ist eher dunkelfruchtig, rund und am Gaumen mit schöner Frucht (86-88). Der 2015er Lemberger "Simonroth" zeigt in der Nase eine dezente, elegant wirkende Frucht. Am Gaumen zeichnet er sich durch schöne Frucht und einen schönen Säurenerv aus, wirkt aber doch irgendwie auch ein wenig einfach (86-88).

Den Mittelrhein vertrat Matthias Müller. Ich habe drei Rieslinge probiert. Bereits der 2016er Hamm-Ohlenberg ist ein schöner, gelbfruchtiger Riesling mit schöner Frucht, Schmelz und dezenter Süße. Die 2016er "Edition MM" ergänzt das um eine feine mineralische Note (89-91). Für 14,30 Euro ab Werk ist das viel Riesling. Das 2016er GG aus dem Hamm-Engelstein wirkt auf mich recht ähnlich. Damit ist das natürlich auch ein sehr schöner Riesling (und mit 20 Euro für ein GG auch vergleichsweise preiswert), aber meine Wahl unter Preis-Leistungs-Aspekten wäre die Edition MM.

Einen  echten Exoten hatte Dr. Heger im Angebot, einen 2016er Muskat-Ottonel. In der Nase ausgeprägter, etwas perfümiert wirkender Muskatduft. Auch am Gaumen dominiert die Muskataromatik und läßt den Wein etwas eindimensional wirken (83-85). Sehr schön dann der 2016er Weißburgunder aus dem Breisacher Eckartsberg, einer neuen Lage im Portfolio. Sehr schöne, gelbfruchtige Nase, derzeit noch verschlossen aber mit gutem Potential, kein spürbares Holz (86-88+). Von den drei weißen GGs gefiel mir der 2015er Chardonnay "Gras im Ofen" am besten. Das Holz ist zwar deutlich wahrnehmbar, aber am Gaumen nicht dominierend. Dahinter verbirgt sich ein sehr schöner Wein mit feinem Schmelz. Wird bestimmt sehr gut, wenn sich das Holz eingebunden hat (89-91+). Das 2014er Spätburgunder GG Vorderer Winklerberg weist in der Nase einen festen, irgendwie "grasig" wirlenden Duft auf. Der Wein hat zwar erkennbares Potential, wirkt derzeit aber sehr verschlossen mit einer leichten Bitternote vom Holz (89-91+).

Insgesamt etwas enttäuscht war ich von den drei Rieslingen, die ich bei Loosen probiert habe. Der 2015er Graacher Ortsriesling ist in der Nase schiefrig, weist aber auch eine "schweißige" Note auf. Am Gaumen wirkt er zwar nachhaltig, aber irgendwie gehemmt. Hat ein paar Gramm Zucker abbekommen. Man muß abwarten, wie sich das entwickelt (83-85+?). Von den beiden 2015er GGs gefiel mir der Graacher Himmelreich besser. Ein ruhiger, eleganter Wein mit schöner Frucht, aber für mich nicht auf GG-Niveau (86-88). Das Erdener Treppchen hatte wieder eine schweißige Note in der Nase, wirkte schon im Antrunk recht süß und wirkte wenig differenziert (83-85).

Künstlers 2016er Hochheimer Hölle Kabinett trocken ist ein klassischer Rheingauer mit schöner Pfirsischfrucht und sehr saftig (86-88). Etwas kräftiger und am Gaumen mit Schmelz und (Extrakt?)Süße der 2016er Hochheimer Stielweg Alte Reben (86-88+). Auch das 2016er GG aus der Hölle weist eine ausgeprägte, tiefe, an Pfirsisch erinnernde Frucht auf. Es wirkt trockener und länger als der Stielweg Alte Reben (89-91). Nicht viel anfangen konnte ich mit dem 2012er Reichestal Spätburgunder GG. In der Nase recht weit entwickelt, Himbeeren, am Gaumen dann aber mit einer Bitternote und wenig Frucht (83-85).

Bei Meyer-Näkel gab es drei 2015er GGs. Der Pfarrwingert mit seiner schokoladigen Frucht, dezenter Säure und deutlichem Potential war ein guter zweiter (89-91+). Die Nase vorne hatte aber der Kräuterberg. Zwar noch unentwickelt, aber tief, mit schon gut integriertem Holz und sehr nachhaltig (92-94).

Bei Wittmann gefiel der reintönige, nussige 2016er Weißburgunder Gutswein (86-88). Der Gutsriesling aus gleichem Jahr riecht nach gelben und roten Früchten, ist kraftvoll mit schöner Frucht, aber wirkt auch einen Tick rustikal (86-88). Eher auf der rotfruchtigen Seite ist der sehr schöne 2016er Niersteiner Riesling. Am Gaumen nachaltig, mineralisch geprägt, das sprichwörtliche Maul voll Wein (89-91). Aus dem Jahrgang 2012 gab es dann das GG aus der Lage Aulerde. Schon überraschend (fast erschreckend) weit entwickelt. Zwar schön und komplex (89-91), aber blind hätte ich den Wein deutlich älter geschätzt. Irgendwo im Keller haben wir 2012er Morstein, den muß ich dann wohl mal dringend probieren.

Bei Dönnhoff ging es mit zwei Weißburgundern los. Der 2016er Gutswein ist elegant mit feiner Orangennote (86-88). Der 2016er Weißburgunder "S" ist noch holzgeprägt mit süßlichem Schmelz und Potential (86-88+). Die beiden Lagen-Rieslinge aus dem Kreuznacher Kahlenberg und dem Roxheimer Höllenpfad haben mir sehr gut gefallen. Der Kahlenberg ist in der Nase weißfruchtig und am Gaumen mit Pfirsischnote, reifer Säure und elegant wirkend. Auch der Höllenpfad ist pfirsischfruchtig, pikant und jetzt gut anzutrinken (beide 89-91). Noch eins drauf setzt das 2016er GG aus dem Felsenberg. In der Nase tief, rauchig und gelbfruchtig und am Gaumen sehr nachhaltig und ebenfalls gelbfruchtig (92-94).


Freitag, 8. September 2017

Vorurteile

Jeder hat so seine Vorurteile. Eines meiner Vorurteile ist, daß italienische Weißweine nicht viel taugen. Damit meine ich nicht nur die unsäglichen Pinot Grigios, die einem allenthalben begegnen, sondern auch "richtige" Weissweine. Ab und an machen ich mal einen Versuch, meine Vorurteile abzubauen (zum Beispiel hier), aber so richtig gelungen ist mir das bislang nicht.

Und heute also Soave. Die drei Flaschen waren ein "Beifang" aus Neugier. Eigentlich habe ich etwas ganz anderes gesucht und auch bestellt (2015er Zieregg Sauvignon von Tement). Beim Stöbern im Shop fielen mir die Pieropans auf. Wenn Soave, dann Pieropan, soviel wusste ich. Also beschloß ich, einen weiteren Versuch des Vorurteilsabbaus zu wagen. (Und der Vollständigkeit halber für Eingeweihte: Ich habe die Flaschen bestellt, bevor der wortgewaltige Saarländer anfing, genau diese drei Weine zu propagieren. Ich habe übrigens auch etwas weniger bezahlt, als sie dort gekostet hätten.)




2016 Pieropan Soave Classico
Helles Gelb
In der Nase verhaltener, reintöniger und anfangs etwas "bonboniger" Duft. Mit der Zeit entwickelt sich eine dezente Pfirsischnote, die mit mehr Luft ausgeprägter wird.
Am Gaumen vergleichsweise neutral, mit dezenter, sauberer Frucht, auch hier Pfirsisch. Lebendige Säure, guter Trinkfluß.
Wenn wir das mal als Gutswein betrachten (was ja zumindest preislich hinkommt), dann macht der Wein dieser Kategorie alle Ehre.
86-88, bis 2018

2015 Pieropan Soave Classico "Calvarino"
Ebenfalls helles Gelb
In der Nase etwas ausgeprägter und anfangs von der Aromatik ähnlich dem ein Jahr jüngeren "Classico". Bleibt mit mehr Luft aber verhalten und entwickelt nussige Noten, aber nicht die Pfirsischfrucht des "kleineren" Weins.
Da steckt deutlich mehr Substanz hinter, dafür geht ihm das trinkanimierende etwas ab. Ausgeprägt nussig, mit mehr Luft auch dezente Fruchtnoten. Dürfte als Essensbegleiter sicher sehr gut sein und hat Potential für ein paar Jahre.
86-88+, bis 2020+  

2015 Pieropan Soave Classico "La Rocca"
In der Farbe etwas kräftiger, mittelgelb
In der Nase intensiver und tiefgründiger als der Calvarino, noch unentwickelt, nussig, mit Luft wird eine deutliche Holznote erkennbar.
Entwickelt am Gaumen ordentlich Druck, dezente Holznote, feine Extraktsüße, nachhaltig, braucht noch etwas Zeit.
89-91, bis 2018-2022+

Nachtrag: Nach zwei Tagen in der geöffneten Flasche entwickelt auch der Calvarino eine ausgprägte Pfirsischnote. Beim La Rocca hingegen dominiert nach zwei Tagen das Holz. Der einfache Classico hingegen hatte keine Chance zu zeigen, was nach zwei Tagen in ihm steckt. Die Flasche hat den ersten Abend nicht überlebt. Das ist auch eine Botschaft.

Fazit: Das sind drei sehr ordentliche Weißweine. Den "einfachen" Soave Classico finde ich dabei am überzeugendsten. Natürlich ist er weniger komplex als die beiden anderen, macht das aber durch schöne Frucht und guten Trinkfluß wett. Und übrigens: Es lohnt sich bei diesen Weinen, Preise zu vergleichen. Den "La Rocca" etwa findet man im Internet von knapp unter 20 bis knapp über 30 Euro.