Dienstag, 24. Mai 2016

InterNett

Geschichten, die das Internet schreibt. Kürzlich beschrieb jemand (und lobte) bei Facebook einen bestimmten Wein (den Herzschlag, s.u.). Er wusste aber nicht, was für eine Rebsorte das ist und fragte deshalb die Community. Auftritt der Winzer. Er stellt das klar (Cabernet Sauvignon). Es schloß sich eine Unterhaltung darüber an, wo der Wein erhältlich ist (eigentlich gar nicht, aber ein paar Flaschen gebe es noch im Weingut). Na gut, dachte ich mir, bestell mal drei Flaschen. Und da in einen Karton nun mal sechs Flaschen passen, habe ich dem Weingut freie Hand gelassen, drei weitere Flaschen hineinzupacken.


2014 Herzschlag (Cabernet Sauvignon)
Sehr dunkles Rot mit leichtem Violettschimmer am Rand.
In der Nase recht ausgeprägt, geröstete Paprika, etwas Cassis.
Am Gaumen recht voluminös, weich wirkend, dunkle Früchte, wieder etwas Cassis. Trinkt sich sehr gut und unkompliziert - ein bischen Everybody's Darling.
Wirkt jetzt schon sehr rund. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Langstreckenläufer ist und würde den Wein daher eher jung trinken.
86-88, bis 2018

2015 Sauvignon blanc
Recht helles Gelb
In der Nase ausgeprägter Sortentyp, frisch, Johannisbeere, Holunderblätter, leicht grasig
Das setzt sich am Gaumen fort: Intensive Sauvignon-Frucht, frisch, macht Lust auf den nächsten Schluck.
83-85

2015 Nettswerk Chardonnay
Recht kräftiges Gelb
In der Nase recht ausgeprägt, würzig, Birne, spürbare Holznote.
Auch am Gaumen würzig, Schmelz, spürbare, aber gut eingebundene und unaufdringliche Holznote, gute Länge. Dürfte ein sehr guter Essensbegleiter sein.
86-88, bis 2018+

2015 Avantgarde Grauburgunder "Hansen"
Goldgelb.
In der Nase deutliche Holzprägung, etwas Vanille, nussig, Melone
Auch am Gaumen noch vom Holz dominiert, süßlich wirkender Schmelz, sehr nachhhaltig, generös, wirkt aber (trotz seiner 14%) nicht alkoholisch.
Dem Wein sollte man noch etwas Zeit geben um sein Potential zu zeigen.
86-88+, 2017-2020+

Freitag, 6. Mai 2016

Hinterm Horizont geht's weiter

Alvarinho (oder Spanisch Albarino) ist eine Rebsorte, die sich eher am Rand meines Horizonts bewegt. Ab und an kommt mir einer ins Glas. Im großen und ganzen habe ich die Weine als frisch, gut trinkbar, aber nicht denkwürdig in Erinnerung (wobei ich fairerweise eine Ausnahme erwähnen sollte - der 2013er Palacio de Brejoeira war im Mai 2015 richtig gut, ich gab ihm 89-91 Punkte und hätte wohl 6 Flaschen bestellt, wenn ich gewußt hätte, wo man den Wein in Deutschland bekommt).

Verleitet (verführt?) durch eine Anzeige und den Hinweis auf 94 Punkte im Wine Advovat habe ich mir nun kürzlich drei Flaschen 2015er Soalheiro bestellt. Damit bewege ich mich aber, wie eingangs erwähnt, noch innerhalb meines Horizonts. Da sich aber erstens drei Flaschen in einem Karton einsam fühlen und zweitens 75 Euro für eine kostenfreie Lieferung erforderlich waren, habe ich ein wenig im Shop gestöbert. Und fand einen restsüßen Alvarinho, mit 9% Alkohol wohl so ähnlich ausgebaut wie ein deutscher restsüßer Kabinett. Das hatte ich noch nicht (und wußte auch nicht, dass es das gibt). Also mußten auch davon drei Flaschen in die Kiste. Und heute war dann die Stunde der Wahrheit:



2015 Soalheiro Alvarinho Vinho Verde - Moncao e Melgaco
Helles bis mitteleres Gelb mit leichtem Grünschimmer
In der Nase von mittlerer Intensität, vegetabile Noten, Melone, gewisse Komplexität
Am Gaumen recht kraftvoll, leicht nussig, frisch und mit gewisser Länge. Dürfte noch einiges Entwicklungspotential haben.
Das ist - vor allem auch angesichts des Preises (10,80€) ein sehr schöner Wein. 94 Punkte kann ich aber weit und breit nicht sehen.
86-88+

2014 Soalheiro "alc. 9%" Alvarinho Docil Vinho Regional Minho
Mittleres Gelb.
In der Nase springt einen zunächst etwas Grasig-Grünes an, dass an so manchen Sauvignon erinnert. Später setzen sich dann fruchtige Noten (Stachelbeeren?) durch, die aber auch eher "grün" wirken.
Wirkt am Gaumen dann etwas eindimensional. Der Restzucker erinnert an deutschen Kabinett. Zwar wirkt die Süße, da von genügend Säure gepuffert, nicht aufdringlich, doch fehlt die für einen guten Kabinett charakteristische Intensität.
83-85

Donnerstag, 28. April 2016

Ten Years Make A Difference

"Eigentlich" wollten wir nur einen guten Rotwein zum Essen trinken. Unsere Wahl fiel auf Alejandro Fernandez 2004er Tinto Pesquera. Der gefiel dann aber so gut (und die Flasche war so schnell leer), dass noch eine weitere Flasche ihren Korken lassen mußte. Diesmal fiel die Wahl auf den 10 Jahre älteren 1994er. Das ist der Jahrgang, mit dem ich Pesquera zum ersten Mal richtig wahrgenommen hatte.




2004 Pesquera
Sehr dunkles, fast schwarzes Rot, am Rand schon ganz leicht bräunlich.
In der Nase intensiv, dunkelfruchtig, Gewürzbasar.
Kraftvoll mit viel dunklen Früchten, wärmender Alkohol, ohne erkennbare Reifenoten. Jetzt in bester Trinkreife.
89-91, bis 2020+

1994 Pesquera
Reife, am Rand orange-bräunliche Farbe.
Tolle, vielschichtige Nase, Fleisch, balsamische Noten, Sandelholz, Kirsche.
In sich ruhend, das Tannin abgeschmolzen, präsente Kirschfrucht, nachhaltig. Der macht anfangs noch richtig Spaß. Mit mehr Luft wirkt er aber dann dooch etwas gezehrt und am Gaumen macht sich ein ganz leicht moussierender Eindruck breit. Sollte wohl daher jetzt bald getrunken werden.
89-91, austrinken. 

Fazit: Zwei tolle Rotweine mit hervorragendem Preis-Leistungsverhältnis. Ich würde gerne den 2004er jetzt mit dem 1994er vor 10 Jahren vergleichen, aber dazu bräuchte ich wohl einen Fluxkompensator.

Samstag, 2. April 2016

Wie die Jungfrau zum Kinde...

... bin ich zu diesem Wein gekommen.

Bei Facebook war (in der Gruppe "Hauptsache Wein") jemand auf der Suche nach einer ganz bestimmten Flasche für eine Probe (2010 Kallstadter Saumagen Riesling Kabinett trocken von Köhler-Ruprecht, um genau zu sein). Da wir davon zufällig drei Flaschen hatten, habe ich angeboten, eine zur Verfügung zu stellen. Wir haben uns (weil es bis zum nächsten Weinwichteln noch so lange dauert...)  darauf verständigt, dass ich im Gegenzug eine Überraschungsflasche bekomme. And here we go.



Die Überraschung ist mal gelungen. Ich kannte noch nicht einmal das Anbaugebiert (Conca de Barberà, westlich von Barcelona wie ich mir dann später ergugelt habe), geschweige denn den Wein. Und schon durch die grüne Flasche hindurch war zu erkennen, dass der Wein nicht weiß war, sondern eher rosé. Oder orange. Es versprach also, spannend zu werden. Um meine Ahnungslosigkeit nicht trüben zu lassen habe ich beschlossen, den Wein zu probieren, ohne vorher irgend etwas darüber in Erfahrung zu bringen.



2011 Joan Ramon Escoda "Els Bassots", Conca de Barberà DO
Kräftiges, nicht ganz klares Orange
In der Nase recht ausgeprägt, schwer zu dechiffrieren: hefe-geprägt, Banane?, mit mehr Luft auch Apfel
Am Gaumen viel Tannin, sehr herb wirkend, mit kräutriger Würze, nachhaltig und lang. 
Hinterläßt mich etwas ratlos. Auf der einen Seite ist das ein erkennbar guter Wein, aber auf der anderen Seite macht er mir erkennbar keinen Spaß. Es ist interessant, derlei ab und an zu trinken, aber kaufen würde ich mir das sicher nicht. 
Wie sich das weiter entwickelt, kann ich nicht einschätzen. Daher ist meine Bewertung mit noch mehr Vorsicht zu geniessen als sonst. 
83-85?, bis 2018+ 

Anschließend habe ich dann natürlich doch gegugelt. Der Wein ist in der Tat auf der Maische vergoren und dadurch orange. Die Rebsorte (Chenin Blanc) hätte ich im Leben nicht erraten. Der Wein wurde vier Monate in französischer Eiche ausgebaut. Der Wine Advocat (Luis Guitierrez) ist wohl weniger konservativ als ich und vergab 2014 91 Punkte.

Freitag, 25. März 2016

Weinzwonull - Ein spannendes Projekt mit traurigem Ende (Weinrallye #96 - Projektweine)



Das ist die Geschickte eines spannenden Projekts mit leider traurigem Ende. Aber der Reihe nach. Im Jahr 2010 wollte die Zeitschrift Vinum zusammen mit der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft einen "Wein 2.0" kreieren. Bei diesem "interaktiven" Wein sollten zentrale Entscheidungen während der Wachstums- und Ausbauphase per Abstimmung getroffen werden. Als Projektpartner wurde der Deutzerhof an der Ahr gewonnen, vertreten durch Johann und Wolfgang Hehle. Die Reben für den Wein 2.0 waren Spätburgunderreben im Mayschosser Mönchberg. Jeder, der mitmachen wollte, konnte sich registrieren und mußte sich verpflichten, später 3-12 Flaschen des so entstehenden Weins zu 20 Euro pro Flasche abzunehmen. Klar, daß ich dabei mitmachen mußte. Der ursprüngliche Teilnahmeaufruf findet sich immer noch hier:

http://www.vinum.info/probieren/wein2_0_einstieg.php?cois=ch

Bei jeder anstehenden Entscheidung wurden den Teilnehmern mehrere Alternativen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen beschrieben und zur Abstimmung gestellt. Die Entscheidungen reichten vom Rebschnitt über Begrünung und Spritzung bis zu Details der Vergärung und des Ausbaus und schließlich dem Verschluß und dem Namen für den Wein. Kurz zussammenfassen kann man die Entscheidungen so: die Teilnehmer haben sich regelmäßig für qualitätsfördernde, mengenreduzierende und aufwendigere Verfahren entschieden. Wer möchte, kann die ganze Entstehungsgeschichte im Weinzwonull-Blog nachlesen:

http://www.vinum.info/blog/category/weinzwonull/

Der oben erwähnte traurige Teil der Geschichte hat mit dem Wein selbst zunächst nichts zu tun. Johann Hehle, der 26-jährige Sohn von Wolfgang Hehle, kam im Dezember 2010 bei einem Autounfall ums Leben. Als dann im April 2011 in einer der letzten Abstimmungen der Name des Weins festgelegt werden sollte, entschied sich eine überwältigende Mehrheit der Teilnehmer für "Für de Scheng" (Scheng war der Spitzname von Johann Hehle). Leider nahm das Unglück weiter seinen Lauf, Wolfgang Hehle, der Vater Johanns, verstarb im März 2013 nach schwerer Krankheit.




Für diesen Beitrag habe ich die vorletzte Flasche des Weins 2.0 geöffnet. Und um das Geschmeckte einordnen zu können, habe ich ihm einen 2010er Spätburgunder Alte Reben von Huber an die Seite gestellt. Nicht wegen der traurigen Parallele (Bernhard Huber verstarb im Juni 2014), sondern weil das der einzige andere deutsche 2010er Spätburgunder im Keller war.

2010 Deutzerhof "Für de Scheng" - Wein 2.0
Helles bis mittleres Rot
In der Nase recht ausgeprägt, etwas Bitterschokolade, dunkle Früchte
Am Gaumen entwickelte Frucht, spürbare Säure. Hat am ersten Tag etwas Ruppiges, dass sich aber am zweiten Tag legt.
86-88 bis 2020

2010 Huber Spätburgunder Alte Reben
Mittleres Rot
In der Nase spürbares Holz, daneben Wacholder und dunkle Früchte, recht tief.
Gut integriertes Holz, entwickelte Frucht, auch hier mit spürbarer Säure, elegant. Der Wein hat noch Biss und dürfte noch einige Jahre vor sich haben.
89-91, bis 2020+ 


Sonntag, 20. März 2016

Pokalüberraschungen

Der Pokal hat seine eigenen Gesetze (ja, ich weiß, 5 Mark ins Phrasenschwein...). Es kommt zu ungleichen Paarungen zwischen Vereinen aus verschiedenen Ligen. Unterklassige Vereine können über sich hinauswachsen und den Favoriten besiegen. Oder der Favorit schwächelt einfach. Bei Weinproben gibt es ähnliche Phänomene. Man kann Weine aus verschiedenen Ligen gegeneinander antreten lassen. Am besten funktioniert das in Bordeaux, weil es da so schön hierarchisch zugeht. Zu einer sehr solchen Probe versammelten sich im März 14 Weinfreunde in Köln. Das Konzept der Probe sah vor, dass jeweils ein Cru Bourgeois und ein Cru Classé aus gleichem Jahrgang nacheinander verkostet wurden. Alle Weine stammten aus sehr guten bis großen Jahrgängen (2000, 1996, 1995, 1990, 1989, 1986, 1985, 1982). Verkostet wurde offen.



2000 Chateau La Tour de By, Medoc
Schöne Nase, rotfruchtig, etwas Pflaume, leichte Minznote. 
Am Gaumen mittelgewichtig mit eher verhaltener Frucht und auch ein wenig uncharmant.
85

2000 Chateau Laroque, St. Emilion
Schöne, offene Kirschfrucht.
Auch am Gaumen Kirsche, wirkt aber etwas eindimensional, mittlere Länge.
87

Eine Partie auf durchschnittlichem Niveau. Der Favorit setzte sich durch ohne wirklich zu glänzen. 


1996 Chateau La Tour de By, Medoc
Klassische Nase, Leder, dunkle Früchte, etwas animalisch. 
Nachhaltig und klassisch, aber auch etwas uncharmant. 
87

1996 Chateau Dassault, St. Emilion
In der Nase kräftig, fleischig, Gewürze, mit Luft Kirsche.
Noch viel Tannin und dadurch etwas uncharmant wirkend. Kein schlechter Wein, aber nicht mein Stil. 
86

Eine enge Partie auf überschaubarem Niveau. In meiner Punktwertung lag der Underdog knapp vorne, aber andere Punktrichter am Tisch hatten da andere Wertungen auf dem Zettel.


1995 Chateau La Tour de By, Medoc
Wirkt in der Nase anfangs fast etwas korkig. Das legt sich mit Luft und es kommen dunkelfruchtige Noten zum Vorschein. 
Am Gaumen recht reif, Teer, dunkle Früchte. Wohl mittlerweile auf dem absteigenden Ast und auch etwas trocknend. 
85

1995 Chateau Leoville las Cases, St. Julien
Nach der Papierform der Favorit der Probe - und dieser Rolle wurde er vollauf gerecht. 
Tolle Nase, zwar noch verschlossen, abe mit wunderschöner Frucht und angedeuteter Intensität.
Am Gaumen herb, "männlich", viel feinkörniges, samtig wirkendes Tannin, noch sehr kompakt, dunkelfruchtig. Großes Bordeaux-Kino. 
94+


In dieser Partie spielte der Favorit groß auf und ließ dem klassenniedrigeren Gegner nicht den Hauch einer Chance.


1990 Chateau Prieure Lichine, Margaux
Sehr schöne Nase, in sich ruhend, reif, dunkle Früchte. 
Reif, etwas Teer, lang. 
90

1990 Chateau Sociando Mallet, Haut Medoc
Sehr schöne Nase, intensiv, dunkle Früchte, etwas Leder. 
Old School-Bordeaux, dunkelfruchtig, ein Hauch von Rustikalität. Sehr schön. 
92

Eine Partie auf hohem Niveau. Die etwas rustikalere Spielweise des Underdogs siegte letztlich über die Spielkultur des ranghöheren Weins. Zum Ausgang dieser Partie gab es allerdings auch andere Meinungen.


1989 Chateau Chasse Spleen, Moulis
Sehr schöne dunkelfruchtige Nase. 
Auch am Gaumen sehr schön, wieder dunkelfruchtig, zwar gereift, aber Tannin und Säure verleihen dem Wein Struktur. Für einen Cru Bourgeois wirklich sehr schön. 
91

1989 Chateau Rausan Segla, Margaux
Tolle Nase, intensiv, elegant, Heidelbeeren, typisch Margaux.
Auch am Gaumen dunkelfruchtig und sehr elegant, ein eher leiser, aber trotzdem sehr nachhaltiger Wein. Sehr schön. 
93

Eine ganz hochklassige Partie. Der Underdog lieferte eine grossartige Partie ab, aber der Platzhirsch hatte die passende Antwort und setzte sich verdient durch. Der Verlierer aber kann den Platz hoch erhobenen Hauptes verlassen.


1986 Chateau Sociando Mallet, Haut Medoc
In der Nase Milchschokolade, dunkler Früchte, etwas Kirsche. Verblaßt mit Luft allerdings zunehmend. 
Am Gaumen dann sehr gedeckte Frucht, Verdacht auf schleichenden Kork, daher ohne Bewertung.

1986 Chateau Leoville Barton, St. Julien
Schöne Nase, dunkle Früchte, etwas Minze, Cassis. 
Auch am Gaumen dunkelfruchtig, etwas Teer, lang. Sehr schöner Wein ohne die Ruppigkeit mancher 1986er. 
92

Der Herausforderer trat gehandicapt an. Hier sollte eine Wiederholungspartie angesetzt werden. Diese allerdings verspricht spannend zu werden.


1985 Chateau de Pez, St. Estephe
In der Nase eher rotfruchtig und etwas rustikal. 
Am Gaumen reif, etwas Leder, die Frucht verblaßt allerdings langsam. Sollte jetzt getrunken werden.
88

1985 Chateau Mouton Baronne Philippe, Pauillac
In der Nase dunkelfruchtig, Teer. 
Auch am Gaumen Teer, verhaltene aber präsente Frucht und noch in sehr guter Verfassung.
89

Eine enge Partie auf ansprechendem Niveau, die den Favoriten am Ende knapp vorne sah.


1982 Chateau La Tour de By, Medoc
In der Nase noch präsente Frucht, Heidelbeeren, eine leicht metallische Note, die ich aber weder als störend noch als fehlerhaft empfand. 
Am Gaumen reif und dunkelfruchtig. Geschmacklich noch "voll da" und nicht gezehrt wirkend. Nach über 30 Jahren noch in sehr gutem Zustand und vielleicht die Überraschung der Probe. 
90

1982 Chateau La Lagune, Haut Medoc
Hier gab es Diskussionen, ob der Wein "nur" schon auf dem absteigenden Ast ist oder ob er es komplett hinter sich hat. Für mich war letzteres der Fall - der Wein ist m.E. nicht mehr mit Genuß trinkbar. Daher: ohne Bewertung

Der Favorit war völlig von der Rolle. Der Underdog wuchs über sich hinaus, aber das wäre gar nicht nötig gewesen.


Fazit: Insgesamt eine sehr schöne Probe mit vielen sehr guten und einigen wirklich grossartigen Weinen (Leoville Las Cases 1995, Rausan-Segla 1989). Die Cru Classés haben die Gesamtwertung gewonnen, aber in eingen der Paarungen war der Cru Bourgeois vorne. Insbesondere Sociando Maller 1990 und Chasse-Spleen 1989 sind hervorragende Weine und der 1982er La Tour de By war eine sehr positive Überraschung.



Donnerstag, 10. März 2016

"Kellertränen" oder "Die Mutter aller Spätlesen"

Als Weintrinker und Sammler hat man ja so einiges im Keller. Man kann die Vorräte in drei Kategorien einteilen. Erstens sind da die Weine, bei denen man sich wünscht, die letzte Flasche sei schon getrunken. Davon haben wir einige, aber ich verkneife es mir, Beispiele zu nennen. Dann gibt es die Kategorie "neutral". Das sind oft (Alltags)Weine, die gut, aber eben nicht denkwürdig sind. Wenn die letzte Flasche weg ist, ist sie eben weg. Oder es sind Weine, bei denen der Nachfolgejahrgang schon bereitliegt oder die Bestellung jedenfalls beschlossene Sache ist. Dann gibt es aber die Weine, die nicht ersetzbar sind. Nicht, weil sie so teuer wären (das gibt es auch, aber darum geht es heute nicht), sondern weil sie eben denkwürdig sind. Weine, bei denen man um die letzten Flaschen herumschleicht, und sich nicht recht traut, sie zu entkorken. Es wäre ja dann fast nichts mehr übrig. Und wenn dann doch die letzte Flasche dran glauben muß, fließen eben ein paar Kellertränen.



Um so einen Wein geht es heute. Eine traumhafte Spätlese. Die Mutter aller Spätlesen, sozusagen. Sie stammt vom Weingut Crusius an der Nahe. 2002 Norheimer Kirschheck. Zuerst gekauft 2005 und dann nochmal in 2006. Der zweite Karton hat gerade mal knapp über 6 Euro pro Flasche gekostet, weil es zu der Zeit im Weingut gerade 30% Rabatt auf alle älteren Weine gab. Einen Wein mit einem besseren Preis-Leistungsverhältnis habe ich nie gehabt und werde ich wohl auch nie wieder bekommen.

Wir hatten zwischenzeitlich auch 2002er Norheimer Kirschheck Spätlese von Dönnhoff, und ich habe mir mehr als einmal den Spaß einer Blindprobe mit den beiden Weinen erlaubt. Das war aber immer eine sehr einseitige Angelegenheit (und das, wo ich bekennender Dönnhoff-Fan bin).

In den Untiefen des Internets habe ich noch eine alte Verkostungsnotiz von mir gefunden (aus dem April 2006):

"Mittleres Goldgelb. In der Nase sehr fein und delikat, gelbe Früchte. Auch am Gaumen mit sehr feiner, mineralisch unterlegter Frucht und grossartigem Süße-Säure-Spiel. Hat sich seit letztem Jahr geöffnet und dabei deutlich zugelegt. Grossartige Spätlese, jetzt (und bis 2010) auf dem Höhepunkt. 92 Punkte"

Falsch daran war nur die Prognose "bis 2010". Heute wurde die letzte Flasche entkorkt und dabei zeigte sich, dass der Wein nach wie vor grossartig ist und noch einige Jahre vor sich hat. Diese Prognose werde ich aber leider nicht mehr überprüfen können.


2002 Crusius Norheimer Kirschheck Riesling Spätlese
Helles Goldgelb.
In der Nase ganz sauber, Teeblätter, Aprikose, recht tief.
Am Gaumen frisch wirkend, schöne Fruchtnoten werden von einer immer noch lebhaften Säure bestens balanciert. Die Süße ist spürbar, aber doch etwas in den Hintergrund getreten. Langer Nachhall. Es ist faszinierend, wieviel Intensität es hier bei nur 7% Alkohol gibt und wie frisch der Wein noch wirkt. Das ist (nach wie vor) eine große Spätlese, die ich blind deutlich jünger geschätzt hätte und die Potential für einige weitere Jahre hat. Chapeau.
92-94, bis 2020