Montag, 27. März 2023

Der Streikwein

Morgen also grosser Streiktag - kein Bahnverkehr. Da ich aber Montagmorgen in Mannheim sein muss, bin ich wohl oder übel schon an Sonntag gefahren und habe im Hotel übernachtet. Nicht schön, aber ging halt nicht anders. Immerhin gab es einen guten Riesling. 


2019 Knipser Dirmsteiner Mandelpfad Riesling GG

Goldgelb
Zunächst verhaltener Duft nach gelben Früchten und Zitrus. Mit mehr Luft wird das intensiver, vielschichtiger und es kommen dezent rotfruchtige sowie kräutrige Noten hinzu.
Am Gaumen sehr strukturiert und gleichzeitig "saftig" wirkend mit Grip, sehr gut integrierter Säure und langem, salzig-mineralischem Finale. Aromatisch dominiert hier die Zitrusfrucht. 

91-93, dürfte mit weiterer Reife noch etwas zulegen

Sonntag, 19. März 2023

Mehr Burgund

Die Côte Chalonnaise liegt südlich der deutlich bekannteren Côte d'Or. Die Weine von dort erzielen in der Regel deutlich geringere Preise als die der Côte d'Or, weisen aber gerade deshalb oft ein deutlich besseres Preis-Leistungsverhältnis auf. Die (jedenfalls mir) bekanntesten Orte sind Mercurey und Givry. 

Vor ein paar Wochen las ich Interessantes über das (mir bis dahin unbekannte) Weingut Champs de l'Abbaye der Familie Hasard und beschloß, mir einen Roten und einen Weißen zur Probe zu bestellen. And here we go. 


2021 Champs de l'Abaye Bourgogne rouge Le Clos des Roches

Leuchtendes helles bis mittleres Rot mit leichtem Violettschimmer
Duftet intensiv nach Kirschen, dunklen Früchten, Gewürzen und etwas Pfeffer
Auch am Gaumen pralle Frucht, wieder Kirsche und dunkle Früchte, kein spürbares Holz, sehr dezentes Tannin, mittlere Länge. Mit etwas mehr Luft zeigt der Wein dann auch ein paar Ecken und Kanten; das Tannin tritt deutlicher hervor und auch leicht "grüne" Noten (von mitvergorenen Rappen?) machen sich bemerkbar.
Unmittelbar nach dem Öffnen war ich geneigt, das für einen unkomplizierten Spaßwein zu halten, aber da steckt wohl doch etwas mehr dahinter. 

88-90, dürfte langlebiger sein als man zunächst vermutet, fünf Jahre sind wohl eher die Untergrenze. 


2020 Champs de l'Abbaye Rully "Les Cailloux"

Mittelgelb
Recht ausgeprägter und mineraisch geprägter Duft, Zündplättchen, dann Brotkruste, etwas Zitrus und Orangenschale. Mit mehr Luft Rauch
Am Gaumen straff mit kalkiger Mineralik, wenig Frucht (ganz dezent Zitrus), lang und animierend
Gefällt mir ausgesprocehn gut. 

90-92, bis 2030+

Freitag, 10. März 2023

Mein erster 2022er

Da ich auf meinen verspäteten Anschlußzug warten muß, habe ich mich in die Premium-Lounge der Bahn am Frankfurter Hauptbahnhof begeben und läute das Wochenende mit dem hier angebotenen Weißwein ein. Dieser entpuppte sich erstens als (mein erster) 2022er und zweitens als "Pinot Grigio". Deutsche Winzer, die ihre Grauburgunder als Pinot Grigio bezeichnen, haben sicher eine andere Zielgruppe als mich (mich schreckt das ab). Aber vielleicht ist der Wein ja einfach nicht gut genug, um Grauburgunder heissen zu dürfen. Mein erster 2021er vor einem knappen Jahr (guckstu hier) hat mir jedenfalls deutlich besser gefallen als dieser 2022er. 


2022 Vier Jahreszeiten Pinot Grigio 

Recht ausgeprägter und etwas parfumiert wirkender Duft nach Kernobst, Melone
Am Gaumen ausgeprägte und wieder parfumiert wirkende (Primär)Frucht, leichter Süßeeindruck (anscheinend 8g, wie ich mir später ergugelt habe), kurz.
Das ist ein sauberer, sicher mit Aromahefen vinifizierter Wein, den man unfallfrei trinken kann. Nicht mehr und nicht weniger.

80-82, jung trinken

Sonntag, 5. März 2023

Der Endgegner (Riesling 2014 Teil 4 - Rheingau)

An diesem Wochenende stand die vierte Etappe der Riesling 2014-Tour auf dem Programm: der Rheingau mit leider nur drei Weinen. Darunter allerdings eine Ikone.

Vorherige Etappen waren Mosel, Pfalz mit einem Gastspieler aus Franken und Nahe.


2014 Prinz Hallgartener Schönhell Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Mittelkräftiger Duft mit ausgeprägten Noten gelber Steinfrüchte (Aprikose)
Am Gaumen mittelgewichtig mit reif wirkende Aprikosenfrucht, präsenter Säure und recht langem, würzigem Abgang 

89-91, sollte IMHO in den nächsten zwei bis drei Jahren getrunken werden 


2014 Robert Weil Kiedricher Gräfenberg Riesling GG 

Mittleres Gelb mit Goldschimmer
Recht ausgeprägter und spannender Duft mit "dunkler" Würze (Tannenwald?), dann aber zunehmend gelben Früchten und Zitrusnoten
Recht kraftvoller Auftritt am Gaumen, trotz der Kraft aber ein in sich ruhender Wein mit ausgeprägter Zitrusfrucht, dunkler Mineralik, unaufdringlich-präsenter Säure und sehr langem, wieder zitrusfruchtigen Finale. 

92-94, bis 2030+


2014 P.J. Kühn Mittelheimer Sankt Nikolaus Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Schon direkt nach dem Öffnen entströmt dem Glas ein ebenso faszinierender wie schwer zu beschreibender  Duft. Da sind vor allem kräutrige Noten (Kamille?), daneben etwas Zitrus. Mit mehr Luft und Temperatur noch intensiver und mit einer deutlich mineralischen Komponente
Baut am Gaumen sofort eine druckvolle Präsenz auf, aromatisch sind da wieder Kräuter und (teilweise kandierte) Zitrusfrüchte, vor allem ist da aber eine den Wein marmorierende Säure und ein sehr griffiges Mundgefühl. Kilometerlanger Abgang - der Wein bleibt wirklich minutenlang am Gaumen haften. 
Das ist nicht einfach "nur" ein großer Riesling, sondern eine Ikone. Vor Jahren habe ich den Wein mit 95-97 bewertet und in meine Riesling Hall of Fame aufgenommen (guckstu hier). Ich habe mich gestern und heute gefragt, was an diesem Wein besser sein müsste, damit er die Höchstbewertung verdient. Mir ist nichts eingefallen.

98-100, Potential bis ins nächste Jahrzehnt


Fazit: Den Schönhell von Prinz hatte ich seinerzeit wegen sehr guter Bewertungen (94 bei Wein plus) und seines moderaten Preises (ich habe unter 20 Euro bezahlt) bestellt. Für den gezahlten Preis ist das ein schöner Wein, aber an die "Bewertungsvorgaben" kommt er meiner Ansicht nach nicht heran. Der Gräfenberg ist ein hervorragender Riesling und wird dem Renommée von Weingut und Lage vollauf gerecht. Wenn man gegen den Sankt Nikolaus antreten muss, ist das dann aber doch so, als würde man mit dem Messer zu einer Schiesserei gehen.

Hermannshöhle 2021

Ich konnte kürzlich unsere Bestände der 2021er Hermannshöhle etwas aufstocken. Daher schien es mir vertretbar, eine Flasche (natürlich eigentlich viel zu früh) zu öffnen. Ich habe es nicht bereut.


2021 Dönnhoff Niederhäuser Hermannshöhle Riesling GG

Mittleres Gelb
Direkt nach dem Öffnen (und eigentlich noch zu kalt): Ausgeprägter, etwas wilder Duft mit eher grünen Aromen; Stachelbeere, Kräuter, Wachs, im Hintergrund auch gelbfruchtige Aromen, läßt grosse Tiefe erahnen
Mit mehr Luft kommen gelbfruchtige Aromen und etwas Mandarine zum Vorschein, daneben auch Kokos. Insgesamt sehr straff und mit "kühler" Anmutung.

Am Gaumen noch sehr kompakt, auch hier zunächst grün wirkende Aromatik, vielschichtig, sehr lang und mit bestens dosierter und integrierter Säure. Hat trotz aller Komplexität nichts Schweres an sich. 

Über mehr als eine Woche verändert sich der Wein praktisch nicht. 

Ein grosser Riesling, der aber noch nicht zeigt, was er wirklich kann. Und ein neuer Mitbewohner in meiner Riesling Hall of Fame.

95-97+, auch wenn der Wein jetzt schon Größe zeigt, sollte er besser noch ein paar Jahre im Keller verbringen.



Freitag, 3. März 2023

Entdeckung in Burgund

Kürzlich las ich etwas sehr Positives über den 2019er Côte de Nuits-Villages "La Montagne" von Jean-Jacques Confuron. Da sich das nach einem sehr guten und dabei bezahlbaren Burgunder anhörte, habe ich mir eine Bezugsquelle ergugelt und dort neben dem 2019er auch gleich den 2018er La Montagne sowie einen weiteren 2018er probehalber erworben. Die Probe aufs Exempel wurde dann gestern und heute durchgeführt und mit Bravour bestanden.

 


 

2018 Confuron Côtes de Nuits-Villages "Les Vignottes"

Mittleres bis dunkles, jugendlich wirkendes Rot, am Rand altrosa
In der Nase spannend und vielschichtig; Hagebutte, etwas Jod, dann Schwarzkirsche und Kräuternoten
Am Gaumen mittelgewichtig und sehr elegant, vergleichsweise zurückhaltende Kirschfrucht, wieder etwas Jod, seidenweiches Tannin, recht langer Abgang 

90-92, würde ich in den nächsten 3-5 Jahren trinken


2018 Confuron Côtes de Nuits-Villages "La Montagne"

Mittleres bis dunkles, jugendliches Rot mit Violettschimmer
In der Nase etwas zurückhaltender als der "Les Vignottes", Kirschen, etwas Kräuter (Rosmarin?)
Am Gaumen mit etwas mehr Ecken und Kanten und etwas burschikoserem Tannin; da ist wieder Kirsche, auch dunkle Früchte, gute Länge, aber ohne die seidige Eleganz des "Les Vignottes". 

88-90, eher noch ein bis zwei Jahre liegenlassen 

 

2019 Confuron Côtes de Nuits-Villages "La Montagne"

Mittleres Rot mit deutlichem Violettschimmer
Verhaltener Duft, zunächst eine Note von in Rotwein gedünsteten Zwiebeln, dann Kirsche
Am Gaumen recht zupackend, Kirsche, Trockenkräuter. Eine lebhafte Säure und (sehr reifes, fast seidiges) Tannin geben dem Wein Struktur. Am zweiten Tag wirkt die Frucht noch etwas präsenter

89-91, trinkt sich schon gut, hat aber Potential


Fazit: Der 2018er "Les Vignottes" ist ein hervorragender Spätburgunder, der insbesondere (und das ist im Burgund wahrlich nicht selbstverständlich) ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis aufweist (30 Euro, wird aber teilweise online auch für 40 und 50 Euro angeboten). Der 2018er "La Montagne" ist auch ein schöner Wein, kommt aber zumindest derzeit noch etwas unzugänglicher und kantiger daher. Er ist zwar preiswerter (24 Euro), aber ich würde trotzdem den "Les Vignottes" vorziehen. Den 2019er "La Montagne" sehe ich (trotz des etwas ungewöhnlichen ersten Dufteindrucks) leicht vor dem 2018er, aber hinter dem 2018er Les Vignottes. Da das Weingut an der Preisschraube gedreht hat und der 2019er "La Montagne" teurer ist, als der 2018er "Les Vignottes" ist die Sache für mich damit klar.