Sonntag, 18. September 2022

Vier Pfälzer und ein Franke (Riesling 2014 Teil 2)

Kürzlich begegnete mir im Keller eine Kiste mit der Aufschrift "Pfalz GG 2014". Aus der Begegnung erwuchs der spontane Entschluß, die mal zu probieren - mit nur einer Ausnahme war das nämlich jeweils die erste Flasche, die ich davon geöffnet habe. Im Kühlschrank lag noch ein fränkischer 2014er, den habe ich dann mit einbezogen. 

Ausserdem habe ich beschlossen, eine Serie daraus zu machen. Nach dem Überblick über 2014er Rieslinge von der Mosel (guckstu hier) werden noch Nahe, Rheingau und Rheinhessen folgen.

 


 

2014 Horst Sauer Escherndorf Am Lumpen 1655 Riesling GG

Reifes Goldgelb
Recht ausladender Duft nach gelben Früchten (Pfirsisch), einem Hauch Kokos und auch exotischen Fruchtnoten (Mango?) 
Das setzt sich am Gaumen fort mit einer etwas ins Barocke gehenden Stilistik, wieder gelbe Früchte mit exotischen Einschlag. Wirkt insgesamt sauber, aber auch (auf hohem Niveau) etwas behäbig mit nicht ganz perfekt integrierter Säure und einer ganz dezenten (und (noch) nicht unangenehmen) Bitternote im recht langen Finale. Auch nach einer ganzen Woche in der geöffneten Flasche noch in guter Verfassung. 

88-90, sollte m.E. in den nächsten zwei bis drei Jahren getrunken werden


2014 Ökonomierat Rebholz Siebeldinger im Sonnenschein Ganz Horn Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Mittelkräftiger und reif wirkender Duft nach tropischen Früchten; Mango, Ananas; mit mehr Luft auch Teeblätter. Nach drei Tagen deutliche Aprikosennoten. 
Am Gaumen eher verhalten, wiederum reife und eher exotische Frucht, die von einer kräftigen Säure begleitet wird, mittellanger Abgang. Angenehm niedrig im Alkohol (12%).
Das ist sauber und stimmig, aber doch etwas unterhalb dessen, was ich mir von einem GG der gehobenen Preisklasse (38 Euro in 2015) erwarte. 

87-89, solte m.E. recht bald getrnken werden


2014 Reichsrat von Buhl Forster Jesuitengarten Riesling GG 

Einmal mehr reifes Goldgelb
In der Nase zunächst verhalten, überraschend frisch wirkend, Zitrus, etwas Wachs. Mit mehr Luft etwas intensiver und mit exotischen Fruchtnoten
Am Gaumen praktisch fruchtfrei (etwas Zitrus vielleicht), aber mit großartiger Struktur: Druckvoll und mit hervorragend integrierter Säure. Sehr langes und ausgeprägt salzig-mineralisches Finale mit minutenlangem Nachhall. Die 13,5% Alkohol sind nicht spürbar.

90-92, jetzt und in den nächsten drei bis fünf Jahren 


2014 von Winning Forster Ungeheuer Riesling GG

Goldgelb
In der Nase auch nach Belüftung recht verhalten, kandierte Zitrusfrucht, etwas süßer Apfel
Am Gaumen wenig Frucht, dafür schöner Schmelz und sehr gut integrierte Säure, recht langer Abgang
Ich vermute, dass der Wein in seiner Jugend eine deutliche Holzprägung hatte. Das Holz ist jetzt sehr gut integriert. Insgesamt schöner, präziser Riesling. 

89-91, zunächst hatte ich auch an "Trinken in drei bis fünf Jahren" gedacht, aber nach zwei Tagen in der offenen Flasche hatte der Wein stark abgebaut - vielleicht sollte man sich doch etwas damit beeilen. 


2014 Christmann Königsbacher Idig Riesling GG 

Reifes Goldgelb
Recht intensiver Duft nach gelben, auch exotischen Früchten (Mango), Petrol
Am Gaumen schön gereift, schöner Schmelz, wieder gelbfruchtig und mit feiner, den Wein marmorierender Säure, langer, mineralisch unterlegter Abgang.

91-93, jetzt in schöner Trinkreife; würde ich in den nächsten drei bis fünf Jahren trinken


Fazit: Im Vergleich zum "Lumpen" ist der Ganz Horn zurückhaltender, dafür ist die Säure besser integriert. Trotzdem sehe ich den Lumpen knapp vorne. Interessant ist, dass der Wein mir nach einer Woche in der geöffneten Flasche fast besser gefällt, als am ersten Tag. Der Jesuitengarten ist "a different animal". Der Wein lebt von seiner Struktur, das aber ganz hervorragend. Leider zeigt der Wein in der Nase weniger als am Gaumen, was einer noch höheren Bewertung entgegensteht. Das ist bei von Winnings Ungeheuer ähnlich, auch da ist der Duft verhalten, der Wein am Gaumen aber sehr schön. Allerdings fehlt ihm die packende Mineralik des Jesuitengartens und er läßt nach zwei Tagen in der geöffneten Flasche sehr stark nach. Der Idig ist der insgesamt für mich beste Wein. Zwar hat auch er nicht die packende Mineralik des Jesuitengartens, kann das aber durch den sehr schönen Duft, die präzise Frucht und die gut eingebundene Säure mehr als kompensieren. 


Nachtrag: Im Mai und Juni 2023 habe ich dann diese beiden hier noch im Keller wiederentdeckt und probiert: 

2014 Daniel Aßmuth Dürkheimer Fuchsmantel Riesling Alte Reben 

Goldgelb
Duft zunächst verhalten, nach etwas Belüftung reife gelbe Früchte, auch etwas nasser Kieselstein
Am Gaumen mineralisch, gelbe Früchte und rote Beeren, betont herb und trotzdem saftig, lang.
Starker Auftritt; bräuchte sich im Konzert der Pfälzer Großen Gewächse des Jahrgangs nicht zu verstecken. Mit seinerzeit €13,90 unter Wert verkauft. 

88-90, hat noch Reserven für sicher weitere drei bis fünf Jahre


2014 von Winning Ruppertsberger Reiterpfad Riesling

Nach etwas Belüftung schöner und recht kraftvoller Duft nach süßen gelben Früchten
Am Gaumen dann ebenfalls gelbfruchtig, auch etwas kandierte Zitrusfrucht, aber insgesamt etwas diffus wirkend. Gewisser Süßeeindruck, herbe Note im Finale. 

84-86, würde ich in den nächsten zwei bis drei Jahren trinken


Nach-Nachtrag: Im Herbst habe ich im Rahmen eines Pakets eine Flasche 2014er Kalmit von Kranz gekauft, einem Wein, den ich aus anderen Jahrgängen kenne und schätze (guckstu hier):  

 

2014 Kranz Ilbesheimer Kalmit Riesling GG

Reifes Goldgelb 
Recht ausgeprägter und ausladender Duft nach exotischen Früchten (reife Ananas) und einem Hauch Karamell
Das setzt sich am Gaumen fort: Ausladend mit ausgeprägter Frucht, recht langes und leicht salziges Finale, endet auf eine dezente Bitternote
Das erinnert mich stilistisch eher an den Escherndorfer Lump als an die anderen Pfälzer Rieslinge

90-92, bald trinken

Samstag, 10. September 2022

Hundert

Nun ist es also passiert. Ein trockener deutscher Riesling ist im Wine Advocate mit 100 Punkten ausgezeichnet worden. Obwohl der Wine Advocate viel von seinem Nimbus eingebüsst hat, seit Robert Parker nicht mehr selbst verkostet und das Unternehmen von Michelin übernommen wurde, ist er (in meiner Wahrnehmung zumindest) doch noch diejenige Publikation, die insgesamt die grösste Aufmerksamkeit auf sich zieht. 100 "Parker-Punkte" (die natürlich gar keine Parker-Punkte mehr sind, aber von Händlern weiter gerne so bezeichnet werden) sind ein Wort.

Tatsächlich ist es gar nicht das erste Mal, dass ein trockener deutscher Riesling 100 Punkte erhält. Bereits voriges Jahr wurde der 2019er G-Max des Weinguts Keller mit der Höchstnote ausgezeichnet. Der G-Max ist aber ab Weingut nur in der streng limitierten "Keller-Kiste" erhältlich, und wer ihn am Sekundärmarkt kaufen will, muss einen vierstelligen Betrag hinlegen. So ein Wein kann 100 Punkte bekommen, ohne dass das grosses Aufsehen erregt oder viel Widerspruch herausfordert. Jetzt aber das 2021er Dellchen von Dönnhoff. Dieser Wein ist (bzw.: war) mit 54 Euro ab Weingut nicht direkt billig, aber doch in einer Preisklasse, die für viele Weinfreunde erschwinglich ist. Also ging der Run sofort los und der Wein war binnen kürzester Zeit überall ausverkauft (oder vielleich auch nur ausgelistet, um dann irgendwann mit einem dreistelligen Preis wieder im Angebot zu sein). Was auch sofort losging, war die Diskussion. Einige freuten sich einfach, dass ein trockener deutscher Riesling mit 100 Punkten geadelt und damit quasi in den Weinolymp aufgenommen wurde. Andere verwiesen auf die "Punkteinflation". Tatsächlich ist die Zahl der Weine, die von professionellen Verkostern mit sehr hohen Punktzahlen bedacht werden, in den letzten Jahren deutlich angestiegen. 

Am Ende geht Probieren über Studieren, und da wir in der glücklichen Lage sind, ein paar Flaschen des 2021er Dellchens zu besitzen, haben wir eine aufgemacht und (über vier Tage aus Burgundergläsern) geprüft.

 


2021 Dönnhoff Norheimer Dellchen Riesling GG 

Kräftiges Strohgelb
Zwar noch etwas monolithisch wirkender, aber intensiver und sehr reintöniger Duft mit deutlich wahrnehmbaren Noten von Zitrus und gelben Früchten (Pfirsisch), daneben auch Gewürznoten (Kurkuma?). Mit etwas mehr Luft kommen frische Pflaumen hinzu.  Der Duft wird intensiver und bekommt eine strahlende Anmutung. Am zweiten und dritten Tag weitgehend unverändert; ich bildete mir ein, einen Hauch Kokos wahrgenommen zu haben.
Am Gaumen wirkt der Wein noch sehr unfertig. Er baut sofort Druck am Gaumen auf, die Frucht ist aber noch nicht entfaltet. Hervorragend intrgrierte reife Säure, unaufdringlich-präsente Mineralik, sehr langes Finale. Am zweiten und dritten Tag sind klare gelbfruchtige Noten wahrnehmbar.
Ohne Zweifel ein großer Riesling, der, wenn man ihm Zeit und Luft gibt, jetzt schon andeutet, was er kann, der aber eigentlich noch reifen muss. Und ausserdem ein klarer Fall für meine Riesling Hall of Fame

95-97, die restlichen Flaschen sollten noch drei bis fünf Jahre im Keller ruhen und werden danach bis weit ins nächste Jahrzehnt Freude bereiten.



Freitag, 2. September 2022

Zweimal Beaujolais

Wir brauchten einen Wein zum Kochen, für ein Schmorgericht. Da er wenig Tannin haben sollte, fiel meine Wahl auf einen Beaujolais, den 2018er Fleurie vom Clos de la Roilette. 

Zum Essen sind wir dann bei Beaujolais geblieben, allerdings ein paar Jahre zurückgegangen. Den 2009er Clos de Rochegrès hatte ich 2014 bei einer Beaujolais-Probe (wo er der für mich beste Wein war) kennengelernt und danach sechs Flaschen gekauft.


 

2018 Clos de la Roilette Fleurie

Recht dunkles Rot mit leichtem Violettschimmer
Schöner Duft mit Noten von Veilchenpastillen und Kirschen
Am Gaumen schöner, fruchbetonter und lebhafter Wein mit zurückhaltendem, dezent stützendem Tannin
Das ist ein schöner, wenn auch irgendwie harmloser Wein, der für seinen moderaten Preis (ca. 14 Euro) einen guten Gegenwert bietet. Bewertungen von 94 Punkten wie im Wine Advocate kann ich allerdings nicht nachvollziehen.

86-88, sollte m.E. in den nächsten zwei bis drei Jahren getrunken werden


2009 Chateau des Jacques Clos Rochegrès Moulin-à-Vent

Dunkles Rot mit bräunlichen Reifenoten
Recht intensiver und komplexer Duft mit Schwarzkirsche, einer an Fleisch oder Blut erinnernden Note, die an Syrahs von der Nordrhone erinnert, und einem mentholartigen Oberton
Sehr kraftvoller Gaumenauftakt, das ist ein schwer zu entwirrendes Aromengeflecht, in dem auf jeden Fall Kirsche und Trockenkräuter eine Rolle spielen, stützendes Tannin und etwas Säure geben dem Wein ein gutes Gerüst, im recht langen Finale wiederum eine mentholartige Note, die einen frischen Eindruck hinterläßt
Das ist ein bemerkenswert guter Wein, komplex und durchaus mit Potential für weitere Jahre Lagerung. Und ich habe keine Ahnung, wo ich das einsortiert hätte, wenn man mir das blind vorgesetzt hätte. 

92-94, bis 2025+


Was haben wir hier gelernt?
Erstens, traue keinen Bewertungen ausser Deinen eigenen. Der Clos de la Roilette ist ein schöner Wein, der für seinen Preis einen guten Gegenwert bietet. Aber 94 Punkte? Nie im Leben.
Zweitens, Beaujolais kann komplex und Beaujolais kann reifen. Der Clos Rochegrès ist ein hervorragender Rotwein, der auch nach 13 Jahren noch nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen ist. Für 25 Euro (aktuelle Jahrgänge eher um 30) bekommt man hier einen hervorragenden Rotwein.