Donnerstag, 28. Oktober 2021

Scheure(h)be

Dieser Wein ist scheu wie ein Reh, und zwar gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist er aromatisch sehr schön, aber auch recht zurückhaltend - als ob er sich verstecken wollte. Zum anderen versteckt der Wein sich auch auf dem Markt - er ist nämlich kaum zu bekommen. Vom 2019er habe ich drei Flaschen ab Weingut bekommen können, beim Nachfolgejahrgang 2020 bin ich dann leider leer ausgegangen. Wenn man nach dem Wein googelt, findet man nur Händler die ausverkauft sind (und, als sie es noch nicht waren, in vielen Fällen 40-50% Aufschlag auf den Weingutspreis verlangt haben).

 


 

2019 Keller Scheurebe Kabinett 

Helles Gelb mit leichtem Grünschimmer
Verhaltener, unaufdringlicher Duft nach Stachelbeeren und exotischen Früchten (Maracuja?)
Auch am Gaumen von zurückhaltender Statur, aber mit sehr reintöniger, exotisch angehauchter Frucht. Schöne Balance zwischen Süße und Säure, ordentliche Länge 

88-90, bis 2024+, sehr konservativ geschätzt. Ich wäre nicht überrascht, wenn der Wein auch in 10 Jahren noch tadellos dastünde. Da ich aber nur noch eine Flasche habe, werde ich das wohl nicht überprüfen können.

 

Freitag, 15. Oktober 2021

Mosel 8x14 (Riesling 2014 Teil 1)

"Eigentlich" wollte ich nur den 2014er Wintricher Riesling von Julian Haart probieren. Der lag aber in einer Kiste zusammen mit anderen trockenen Mosel-Rieslingen aus 2014. Also vergleichen wir die doch mal. Und dann fiel mir ein, dass es ja noch mehr 2014er Mosel im Keller gibt. Am Ende wurden dann acht Weine daraus, die ich (nein, nicht an einem Abend, sondern über zwei Wochen hinweg) probiert habe. Dabei gab es dann durchaus Licht und Schatten. Das wird auch am Jahrgang gelegen haben, denn 2014 war aufgrund eines nassem Sommers und Regens während der Erntezeit kein einfacher Jahrgang. Da waren strikte Selektion, Schnelligkeit und vielleicht auch ein bisschen Glück nötig, um wirklich gute Weine zu produzieren. 




2014 Julian Haart Wintricher Riesling

Goldgelb
Recht verhaltener Duft mit nicht leicht dechiffrierbaren Fruchtnoten (Mirabelle?)
Am Gaumen wenig Frucht (vielleicht etwas grüne Birne?), dafür aber ein spannendes Mundgefühl, leicht salzige Mineralik, recht lang.
Das ist interessant und spannend, aber so richtig begeisternd ist es nicht. 

86-88, bis 2025+


2014 Schloß Lieser Lieser Niederberg-Helden Riesling GG

Reifes Goldgelb
Duft von mittlerer Intensität mit klar gelbfruchtiger Aromatik (Aprikose!)
Das setzt sich am Gaumen fort, auch hier deutlich gelbfruchtig (wieder Aprikose) und von einer lebendigen Säure begleitet. Im Finale dezent salzig-mineralisch
Das ist ein sehr schöner Wein, wenn auch die letzte Klarheit und Präzision fehlen. 

89-91, bis 2025+


2014 Peter Lauer "Schonfels" Riesling GG

Goldgelb
Eher verhaltener, aber frisch wirkender, mineralisch unterlegter Duft mit Noten von Kräutern und gelben Früchten
Am Gaumen dominierende Mineralik, die die (gelbe) Frucht an den Rand drängt; wirkt dadurch und durch die prägnante und gut integrierte Säure spannungsgeladen wie eine gespannte Feder
Man wird verleitet zu glauben, dass der Wein noch mehr verspricht als er jetzt bietet, aber das könnte trügerisch sein. 

88-90, bis 2025+

 

2014 Heymann-Löwenstein Winninger Röttgen Riesling GG

Reifes Goldgelb
Ausgeprägter und sehr präziser Duft mit Kräuternoten (Kamille!) und etwas Birne
Am Gaumen sehr frisch wirkend, wieder mit kräutriger Aromatik und einer lebhaften Säure.
Das ist ein sehr schöner, charaktervoller und präziser Riesling, der im Kontext des Jahrgangs bemerkenswert gut gelungen ist. 

91-93, würde ich (bzw. werde ich, denn ich habe noch 2 Flaschen) in den nächsten 2-3 Jahren trinken

2014 Maximin Grünhäuser Abtsberg Riesling trocken 

Mittleres Gelb mit leichtem Goldschimmer
Duft von mitlerer Intensität, sehr animierend und frisch wirkend mit Noten von Limettenschale und Kräutern, mit mehr Luft auch etwas Pfirsisch
Am Gaumen schlanker Bau (auch nur 11% Alkohol laut Etikett), herb-kräutrige Aromatik und wieder sehr frischer Eindruck.
Sehr schöner Wein, der zwar nicht sonderlich tief und komplex ist, aber durch Präzision und Frische überzeugt und von den bis hier probierten Weinen erstens der ist, der am jüngsten schmeckt (blind hätte ich den Wein vermutlich deutlich jünger eingeschätzt als er ist) und dem ich zweitens das größte Lagerpotential zuspreche. Sehr gutes Preis-Qualitätsverhältnis (mit € 13,90 war das der preiswerteste Wein der Runde)

88-90, dürfte noch mindestens fünf, wahrscheinlich auch 10 Jahre Spaß machen

Interessant in diesem Kontext übrigens die Trinkreifeeinschätzung von Stephan Reinhardt im Wine Advocate (veröffentlicht 2016): 2024-2040(!)


2014 Maximin Grünhäuser Abtsberg Riesling trocken "Alte Reben"

Goldgelb
Eher verhaltener, vorwiegend kräutriger Duft, daneben Stachelbeeren(?)
Am Gaumen recht fokussiert, wieder mit vorwiegend kräutriger Aromatik, dezemte Zitrusnote im recht langen Nachhall
Wirkt genau so präzise und sogar ein wenig nachhaltiger als der "normale" Abtsberg, dafür aber nicht so animierend. Ebenfalls noch einiges Lagerpotential.

88-90, sicher noch fünf und mehr Jahre Potential


2014 Karthäuserhof Riesling GG

Goldgelb
In der Nase sauber, dezente Kräuterwürze, Stachelbeeren
Am Gaumen wird der Wein zunächst von einer kräftige Säure dominiert. Aromatisch von Kräutern und etwas Limette geprägt, schöne Frische im recht langen Abgang.

89-91, bereitet sicher noch drei bis vier Jahre Freude


2014 Fritz Haag Brauneberger Juffer Riesling GG 

Dunkles Goldgelb mit Orangeschimmer
In der Nase reife gelbe Früchte (Aprikose, Pfirsisch), begleitet von einer kräutrig-würzigen Note
Das setzt sich am Gaumen fort: auch hier gelbfruchtig mit einer kräuterwürzigen Komponente, aber auch einer leichten Bitternote im mittellangen Abgang 

87-89, würde ich in den nächsten ein bis zwei Jahren trinken

 

Fazit: Man merkt einigen der Weine doch an, dass das kein einfacher Jahrgang war. Es fehlt teilweise etwas an Präzision, Klarheit und Frische. Die zwei für mich bemerkenswertesten Weine waren der "einfache" Abtsberg und der Röttgen von Heymann-Löwenstein. Der Abtsberg ist zwar kein sehr komplexer und tiefer Wein (das muß er bei einem Preis von € 13,90 auch nicht sein), hat aber eben genau die Präzision und Frische, die einigen anderen Weinen fehlt. Außerdem tippe ich, dass das der langlebigste von allen Weinen hier ist. Chapeau. Der Röttgen ist einfach ein hervorragender Wein mit eigenständigem Charakter und klar der beste der Runde hier. Nochmal Chapeau.

 

 

 

Mit dem Steinwingert in den Herbst

Bei dem Herbstwetter heute hatte ich Lust auf Rotwein. Beim Blick ins Regal "begegnete" mir der 2014er Steinwingert von Friedrich Becker. Davon haben wir zwar mehrere Jahrgänge im Keller, aber getrunken habe ich den noch nie. Der Steinwingert ist (ebenso wie der "Herrenwingert") ein Wein der Kategorie "Erste Lage". Er kostete seinerzeit knapp über 30 Euro, da darf man auf einen schönen Wein hoffen.



2014 Friedrich Becker Spätburgunder Steinwingert 

Leuchtendes mittleres Rot
In der Nase recht intensiv, zunächst eine feine Rauchnote, dann intensive Kirschfrucht, dezent kräutrig
Am Gaumen zupackend mit Tanninbiß und recht lebhafter Säure, wieder ausgeprägte Kirschfrucht, sehr gut eingebundenes Holz, das stützt, ohne vordergründig zu wirken, recht lang.
Sehr schöner, kraftvoller Spätburgunder am Beginn der Trinkreife 

89-91, wird sicher noch fünf Jahre Freude bereiten