Sonntag, 28. Februar 2021

Eine Entdeckung aus den Abruzzen

Auf der Suche nach etwas ganz anderem bin ich zufällig auf diesen Wein gestossen und habe aus Neugier eine Flasche bestellt. Er stammt aus den Abruzzen und wird aus der authochtonen Rebsorte Pecorino gekeltert, die außer in Italien anscheinend nur noch in Peru angebaut wird (guckstu hier). Ein Glücksgriff, denn das ist ein wirklich guter und eigenständiger Wein.

 


 

2018 De Fermo Pecorino Colline Pescaresi "Don Carlino"

Kräftiges Goldgelb
In der Nase recht intensiv, primär mit Kräuteraromen, Hefe, etwas Apfelschale
Spannende Textur am Gaumen, griffiger Gerbstoff, gut integrierte Säure, salziges Mundgefühl, ganz dezenter Schmelz (Holzausbau?). Aromatisch auch hier wieder kräutrig, ohne wahrnehmbare Fruchtnoten. Gute Länge.
Das ist ein ausgesprochen spannender Wein, bei dem (so vermute ich) mit längerer Maischestandzeit gearbeitet wurde. Das passt hier hervorragend und ergibt einen ebenso interessanten wie "trinkigen" Wein. Wie lange das lagerfähig ist, vermag ich nicht zu sagen, aber ein paar Jahre sollten da sicher noch "drin" sein.

90-92, bis 2025?

 

Samstag, 27. Februar 2021

"mon cœur est à Calon"

Ich habe eine Schwäche für Château Calon-Ségur, für die ich selber keine gute Erklärung habe. Ich habe den Wein in einer ganzen Reihe von Jahren - grossen wie kleineren - subskribiert. Die aus den wirklich guten Jahren liegen noch unangetastet im Keller. Von denen aus den kleineren Jahren habe ich einige getrunken. Sie waren alle gut, aber keiner war wirklich beeindruckend (was natürlich wiederum auch an den Jahrgänge liegen dürfte). Auf das erste Wow-Erlebnis warte ich also noch. Vielleicht bieten das die Weine der jüngeren Jahrgänge wie 2016, 2018 und 2019, in denen Calon-Ségur angeblich hervorragend gelungen ist. Vielleicht geht es mir auch nur wie dem Marquis de Ségur, von dem die Aussage überliefert ist "Je fais du vin à Lafite et à Latour, mais mon cœur est à Calon". Nur - warum ich mein Herz gerade an dieses Gut verloren haben sollte, muß ich erst noch herausfinden. Nächste Station auf der Suche war heute der 2001er und damit ein weiterer Wein aus einem eher kleineren Jahrgang.

 


2001 Chateau Calon-Ségur 

Sehr dunkles Rot mit leichter orange-bräunlicher Reife am Rand
Duftet zunächst verhalten, mit mehr Luft intensiver nach feuchtem Waldboden, dunklen Früchten und Crême de Cassis. Nach einigen Stunden in der Karaffe werden die dunkelfruchtigen Note intensiver, ein rauchiger Aspekt tritt hinzu und das Ganze wirkt zunehmend stimmiger und eleganter.
Am Gaumen mittelgewichtig mit eher kühler Stilistik, auch hier wieder ein Mix aus Bodennoten und dunklen Früchten, noch präsentes und leicht trocknendes Tannin, dadurch etwas rustkal wirkend. Recht langes, auf mineralischen Noten endendes Finale
Das ist ein schöner, klassischer Bordeaux aus einem mittleren Jahrgang der sicher noch das ein oder andere Jahr durchhält. Allzu sehr strapazieren sollte man sein Glück allerdings nicht, denn am zweiten Tag wirkte der Wein deutlich gezehrt.

89-91, bis 2023

Einstieg auf hohem Niveau

Weine aus dem Piemont trinken wir eher selten und wir haben auch nicht viel davon im Keller. Kürzlich habe ich aus Neugier eine Flasche des Barolo "Castiglione" von Vietti aus dem sehr guten Jahrgang 2016 gekauft. Der Castiglione ist der Einstiegs-Barolo des Hauses Vietti. Er wird aus den Trauben mehrerer kleiner Lagen gekeltert, die nicht separat ausgebaut werden. "Einstiegs"-Barolo heisst im übrigen weder, dass der Wein in irgendeinem Sinne "einfach" wäre, noch, dass er besonders preiswert wäre (um die 45 €). Er bietet aber sehr guten Gegenwert für seinen Preis.

 


2016 Vietti Barolo "Castiglione"

Mittleres bis dunkles Rot, am Rand altrosa
In der Nase intensiv und vielschichtig, Pflaume, Schwarzkirsche, Rosenblätter, Gewürznoten (Nelke?), Tabak und eine pfeffrige Würze
Am Gaumen kraftvoll, an Pflaume erinnernde Frucht, Tabak, eine ordentliche Ladung noch leicht trocknendes Tannin, feiner Säurenerv, lang
Sehr schöner Wein, der bei aller Konzentration nie schwer oder schwerfällig wirkt. Schon gut trinkbar, aber mit Potetial für längere Lagerung. Dafür spricht auch, dass der Wein auch nach zwei Tagen in der geöffneten Flasche noch voll präsemt und in bester Form war.

92-94, bis 2030+

Freitag, 26. Februar 2021

Ein Schnäppchen

Im November flatterte mir das Restpostenangebot eines Händlers in den virtuellen Briefkasten. Eine sehr schöne Auswahl vor allem an gereiften edelsüßen Rieslingen, und das mit 50% Rabatt. Da konnte ich trotz übervollen Kellers nicht widerstehen. Unter anderem landete eine Versteigerungs-Auslese des Karthäuserhofs in meinem Einkaufskorb, für etwas über 17 Euro pro Halbflasche. Die erste Flasche gab es heute zum Nachtisch. 



2010 Karthäuserhof Eitelsbacher Karthäuserhofberg Riesling Auslese Nr. 43 (Versteigerung) 

Reifes Goldgelb
In der Nase sehr schöne Frucht, primär Pfirsisch und Aprikose, exotische Noten (Maracuja), Vanillegebäck
Am Gaumen viskose Textur, wieder gelbe Steinfrüchte mit leicht exotischem Einschlag, die Süße wird von einer analytisch vermutlich hohen, aber sehr unaufdringlichen Säure bestens balanciert, im sehr langen Abgang an Quitte erinnernde Bitternote
Hervorragende Auslese und jetzt in bester Trinkreife. 

92-94, bis 2030+


Freitag, 19. Februar 2021

Die Mosel sieht rot

Die Mosel ist Rieslinggebiet. Das war zwar historisch gesehen nicht immer so, prägt aber trotzdem das heutige Image des Anbaugebiets. Mittlerweile wird aber auch (wieder) vermehrt Rotwein angebaut, primär Spätburgunder. Einige Winzer, wie Markus Molitor und Daniel Twardowski, erzielen dabei durchaus beachtliche Preise für ihre Pinots. 

In einer virtuellen Probe haben wir heute drei Mosel-Pinots getestet. Alle entstammen dem Jahrgang 2016  und dem leicht gehobenen Preissegment (25-32 €).



2016 Nik Weis St. Urbans Hof Pinot Noir "unfiltriert"

Mittleres Rot mit leichter Brauntönung am Rand
In der Nase recht ausgeprägt und charmant wirkend, Schokolade, dunkle Früchte
Auch am Gaumen Schokolade, wieder dunklé Früchte, zurückhaltendes Tannin. Am zweiten Tag kommt eine deutlich wahrnehmbare Holzwürze hinzu.
Angenehm zu trinken und ohne Ecken und Kanten. 

86-88, bis 2024 


2016 Markus Molitor Brauneberger Mandelgraben Pinot Noir *

Helles Rot
Gibt in der Nase (noch?) nicht viel preis, in der Tendenz eher rotfruchtig, mit Luft zunehmend interessanter werdend
Am Gaumen sehr stimmig mit schöner Harmonie zwischen der (wieder eher roten) Frucht, dezentem Gerbstoff und recht lebhafter Säure, mittlere Länge. Mit mehr Luft tritt die Säure etwas stärker in den Vordergrund. Wirkt am zweiten Tag tiefgründiger und interessanter.
Weniger zugänglich, aber am Ende etwas spannender als der Wein von Nik Weis
88-90+, bis 2025+


2016 Steinmetz und Hermann Pinot Noir 

Mittleres Rot
In der Nase interessant und recht tiefgründig, florale Obertöne, dann rotfruchtige Noten (Erdebeeren, Himbeeren) und Noten von Trockenkräutern 
Am Gaumen prägende Säure, rotfruchtige Aromatik, spürbares Tannin
Das ist am ersten Tag der spannendste der drei Weine mit klarem Zukunftspotential. Am zweiten Tag kann der Wein von Molitor aber (mindestens) gleichziehen.

88-90, 2023-2028+


Fazit: Das sind drei sehr ordentliche, aber auch sehr unterschiedliche Pinots. Der Wein von Nik Weis ist charmant, aber irgendwie auch nicht sehr spannend. Der Pinot von Markus Molitor fährt noch mit angezogener Handbremse. Man hat das Gefühl, dass da noch etwas kommen könnte, und tatsächlich wird der Wein über Tage in der geöffneten Flasche besser. Abgefüllt ist der Wein in einer Flasche, die so schwer ist, dass sie eigentlich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen sollte. Der Pinot Noir von Steinmetz und Hermann ist am ersten Tag der spannendste, aber auch der forderndste Wein der Serie. Zudem hat er (mit 12% laut Etikett) den niedrigsten Alkoholgehalt. Längerfristig würde ich aber eher auf den Wein von Molitor setzen.

Mittwoch, 17. Februar 2021

Schon wieder ein Nachruf

Nachdem vor einigen Jahren das Rheingauer Traditionsgut Langwerth von Simmern seine Pforten geschlossen hat (guckstu hier) wurde kürzlich bekannt, dass auch Schloss Schönborn seine Weinbauaktivitäten im Rheingau einstellt (die in Franken werden allerdings weitergeführt). Als Begründung werden wirtschaftliche Aspekte angeführt. Mit dem Skandal, in den das Gut vor einigen Jahren verwickelt war, habe die Entscheidung nichts zu tun.

Schönborn blickt auf eine Weinbautradition zurück, die bis ins 14.(!) Jahrhundert reicht und besitzt erstklassige Lagen im Rheingau, darunter den direkt am Rhein gelegenen Hattenheimer Pfaffenberg als Monopollage. In das Gut ist vor einigen Jahren noch kräftig investiert worden, wie man an der Vinothek in Hattenheim leicht erkennen kann. Insofern kam das Aus jetzt etwas überraschend.

Ich kann mich an mehrere Besuche in den 90er Jahren erinnern, bei denen der damalige Betriebsleiter, Domänenrat Robert Englert, sich viel Zeit für uns nahm. Seinerzeit habe ich auch den ein oder anderen Wein dort gekauft, obwohl das Preisniveau eher gehoben war. Von diesen Weinen ist nicht mehr viel übrig (und es haben auch nicht alle gehalten, was ich mir beim Kauf versprochen hatte). Heute habe ich aus dem Keller einen echten Oldie herausgesucht, eine 1976er Spätlese, die ich wohl irgendwann mal auf Ebay ersteigert haben muss. Derlei ist natürlich immer ein Glücksspiel, aber heute ging die Rechnung auf.



 

1976 Schloss Schönborn Winkeler Hasensprung Riesling Spätlese

Mahagonifarben
In der Nase Karamell, Teeblätter, ein Rest von Frucht (getrocknete Aprikose, mit etwas Phantasie auch Quitte), Firne, ein anfangs wahrnehmbarer etwas muffiger Ton (nasser Karton) verschwindet mit Belüftung
Zeigt am Gaumen noch schöne Präsenz, dezente Süße, wieder karamellige Noten, ganz leichte Bitternote im recht langen Abgang
Eine in Würde gereifte Spätlese, die sich noch mit Vergnügen trinken lässt.

86-88, trinken

 

 

Dienstag, 16. Februar 2021

Mal wieder ein Nachruf

Das Verkostungspaket von Wein-Plus war eine Institution. Mehrmals im Jahr bekam man ein Paket mit Weinen, die bei den Verkostungen fürden Wein-Plus Online-Weinführer gut abgeschnitten hatten. Das waren manchmal Weine bekannter Adressen, viel öfter aber Weine von (jedenfalls mir) bis dahin völlig unbekannten Winzern. Häufig waren Weine dabei, die ich mir selber nie gekauft hätte (selbst wenn ich gewusst hätte, wo es sie gibt). Lambrusco gab es mal (habe ich gut in Erinnerung), Riesling aus Oltrepo Pavese (ich hoffe, ich habe das richtig im Kopf) und vieles andere. Manche Weine gefielen mir so gut, dass ich sie nachgekauft habe. Ich erinnere mich da an einen modernen, aber sehr guten griechischen Rotwein namens Dyo Elies von Kir Yianni, oder an den Muskateller von Salwey. Aber auch die Weine, die mich nicht völlig überzeugt haben, haben doch immer zur Erweiterung des Horizonts beigetragen. 

Im Herbst 2020 ist das Verkostungspaket leider eingestellt worden. Ich weiss gar nicht, wie lange ich es abonniert hatte, zehn Jahr werden es wohl sicher gewesen sein. Ich werde es vermissen. Einige Weine aus den letzten Paketen haben wir noch im Keller. Ausgesucht habe ich einen Carmignano aus einem 2019er Verkostungspaket. Der kam heute "unter die Räder" und verdeutlichte noch einmal, dass es in den Paketen echte Entdeckungen gab.

 


 

2016 Carmignano "Terre A Mano" 

Dunkles Rot ohne Reifenoten
In der Nase recht intensive Frucht, viel "pralle" Kirsche, dezente Holzprägung, daneben Gewürznoten, insgesamt sehr stimmig und eine gewisse Noblesse ausstrahlend
Am Gaumen druckvoller Auftakt, eine volle Ladung reifes,weiches Tannin, wieder Kirsche und Gewürznoten, nachhaltig und recht lang. Sehr schöner Wein, eher auf der kraftvollen Seite, aber er bewahrt sich eine schöne Frische und wirkt dadurch nicht breit. Schon gut trinkbar, aber mit gutem Reifepotential

90-92, bis 2030