Sonntag, 23. Februar 2020

Der Gegenentwurf

Nach einer umfangreichen Verkostung von 2009er Bordeaux gestern (Bericht folgt) war mir heute nach einem Gegenentwurf zumute. Die 2009er gestern waren von dem sehr warmen Jahrgang geprägt, alkoholreich, mit teilweise pflaumiger Frucht und machnmal auch (zu) starkem Holzeinsatz.
Heute gab es einen Wein aus dem eher schwachen Jahrgang 1997, der zudem von Anfang an darunter litt, dass er zu viel zu hohen Preisen auf den Markt kam. Das heißt nicht, dass es keine ordentlichen Weine gegeben hätte. Einen davon hat Chateau Poujeaux gemacht. Robert Parker bewertete im Wine Advocat den 1997er besser als die Weine der eigentlich höher eingeschätzten Jahrgänge 1995 und 1996. Poujeaux ist der einzige 1997er, den ich seinerzeit in der Subskription gekauft habe. Heute war die letzte Flasche "dran".



1997 Chateau Poujeaux
Mittleres Rot mit verhaltenen orange Reifenoten am Rand
In der Nase schon kurz nach dem Öffnen recht ausgeprägt, Leder, etwas Cassis, eine ganz leichte Minznote
Am Gaumen recht schlank mit einem eher ins rotfruchtige gehenden Geschmackseindruck, wieder etwas Leder und noch recht präsentes Tannin, herbes Finale.
Das ist in der Tat ein Gegenentwurf zu den 2009ern: Kein Charmebolzen, sondern Old-School-Bordeaux, der nicht als Solo-Wein gedacht ist. Und der Wein bestätigt den "Verdacht", dass Poujeaux im schwierigen Bordeaux-Jahr 1997 einen sehr ordentlichen und offensichtlich auch durchaus langlebigen Wein auf die Beine gestellt hat.
87-89, wird bei guter Lagerung durchaus noch das ein oder andere Jahr durchhalten  

Mittwoch, 19. Februar 2020

Auf der Sonnenseite

Napanook ist der Zweitwein des Dominus und wird aus den gleichen Reben (hauptsächlich Cabernet Sauvignon, etwas Cabernet Franc und Petit Verdot) gekeltert. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die Rebzeilen des Weinguts sind nämlich in Ost-West-Richtung ausgerichtet (üblich ist Nord-Süd). Die Ost-West-Ausrichtung führt dazu, dass die Reben eine "Sonnenseite" und eine "Schattenseite" haben, nämlich die Süd- bzw. Nordseite. Das erlaubt eine Selektion nach der Sonneneinstrahlung. Soweit ich weiß werden die Trauben für den Dominus primär auf der kühleren Nordseite, die für den Napanook eher auf der sonnigen Südseite geerntet. Der Preis für den Dominus liegt leider ausserhalb meines Budgets, aber für einen Napanook hat es gereicht.



2016 Dominus Estate "Napanook"
Dunkles Rot mit leichtem Violettschimmer
In der Nase recht intensiv, dunkle Früchte, Cassis, erdige Noten
Am Gaumen intensiv mit etwas alkoholischer Wärme, ein noch nicht aufgefächerter Kern dunkler Fruchtaromen, Zartbitterschokolade, viel reifes Tannin, recht lang
90-92, bis 2025+

Samstag, 8. Februar 2020

Ein Nachmittagsriesling

Überraschender Besuch am späten Nachmittag. Nach dem Kaffee sollte ein Wein her, nach Möglichkeit "nicht zu trocken". Im Kühlschrank fand sich diese wunderbare und mit 7% Alkohol auch absolut nachmittagstaugliche Spätlese.




2013 Julian Haart Wintricher Ohligsberg Riesling Spätlese
Mittleres Gelb
In der Nase ganz klare, animierende Fruchtaromen, Orange,
Auch am Gaumen intensive, ins Exotische spielende Fruchtaromen, der (analytisch vermutlich recht hohe) Restzucker wird von einer wie mit dem Laser fokussierten Säure in Schach gehalten.
Geniale Kombination von Leichtigkeit und Intensität.
92-94, bis 2030

Riesling for Runaways

Nach längerer Pause gestern mal wieder Riesling. Meine Wahl fiel auf das 2014er Nackenheimer Rothenberg GG von Gunderloch. Die vor einigen Jahren geöffnete erste Flasche hatte auf mich keinen bleibenden Eindruck gemacht. Offenbar hatte ich den Wein da in einer ungünstigen Phase erwischt.




2014 Gunderloch Nackenheimer Rothenberg Riesling GG
Kräftiges Goldgelb
In der Nase nach etwas Belüftung ziemlich intensiv mit Kräuternoten und teils kandierten Zitrusfrüchten
Am Gaumen betont herb, eine mundfüllende Mischung aus Kräuern und Zitrusfrüchten, die von einer ausgeprägten Säure in der Spur gehalten wird. Insbesondere im langen Abgang eine deutlich spürbare salzige Note.
Das ist Riesling für Fortgeschrittene. Kein Crowd Pleaser, der laut "trink mich" schreit, sondern bei aller Intensität ein eher subtiler Wein, der nach etwas Beschäftigung verlangt.
91-93, bis 2025

Mittwoch, 5. Februar 2020

Die heilige Tasse

Der "Copa Santa" der Domaine Clavel im Languedoc ist ein Wein, der mich schon länger begleitet. Beginnend mit dem 1998er haben einige Jahrgänge dieser Syrah-dominierten Cuvée den Weg in unseren Keller gefunden, aber einige Flaschen haben bislang den Weg hinaus nicht gefunden. Heute begegneten mir zwei Flaschen des Jahrgangs 2004 und eine davon war dann auch gleich "dran". Allzu große Hoffnungen hatte ich nicht, aber offensichtlich habe ich das Alterungspotential des Weins unterschätzt. Das war und ist noch richtig gut.


2004 Domaine Clavel Terroir de la Mejanelle "Copa Santa"
Dunkles Rot mit bräunlichen Reifenoten am Rand
In der Nase recht intensiv und mit ausgeprägter Frucht, Schwarzkirsche, Kräuter
Am Gaumen kraftvoll mit noch präsenten Tanninen, wieder kirschfruchtig, leichte aber nicht wirklich störende alkoholische Bitternote
Ausgesprochen gut gereift und schön zu trinken, sollte aber wohl nicht mehr weiter gelagert werden. 
87-89, trinken