Sonntag, 19. Mai 2019

Flaschenpost aus dem Libanon

Das libanesische Chateau Musar ist mir natürlich ein Begriff, aber oft getrunken habe ich die Weine noch nicht. Das ist wahrscheinlich ein Fehler, denn die zwei oder drei Begegnungen in der Vergangenheit waren durchweg erfreulich. Die Weine sind eigenständig (was vermutlich neben der Herkunft auch an der ungewöhnlichen Rebsortenzusammenstellung mit Cabernet Sauvignon, Carignan und Cinsault liegt). Der Wein wird aus Trauben bereitet, die von vielen Vertragswinzern nach Vorgaben des Chateaus angebaut werden. Erzeugt werden verschiedene Weiß- und Rotweine, aber das Flaggschiff ist (natürlich) der rote Chateau Musar. Heute gab es den 2007er, den ich vor einiger Zeit aus Neugier als Einzelflasche bestellt habe.

Einen netten, wenn auch etwas älteren Reisebericht gibt es hier (Serge Hochar verstarb Ende 2014. Labor Omnia Vincit ist der Wahlspruch des Gutes, der auch das Etikett ziert).





2007 Chateau Musar, Bekaa Valley, Libanon
Mittleres Rot mit leichten orange-braunen Reifenoten
Faszinierende und vieschichtige Nase, Leder, Gewürze, reife dunkle Früchte und eine leicht ätherische Note, die dem ganzen Frische verleiht. Mit mehr Luft kommt Kirsche hinzu.
Am Gaumen sehr komplex, dunkelfruchtig, wieder Gewürze, dezente Fruchtsüße und genug Tannin, um dem ganzen Grip zu geben, lang. Die 14% Alkohol sind nicht spürbar und der Wein macht auch nicht satt - im Gegenteil, man hat Lust auf den nächsten Schluck und das nächste Glas. Jetzt in hervorragender Trinkreife.
92-94, bis 2025

Fazit: Ein hervorragender und eigenständiger Rotwein.

Donnerstag, 16. Mai 2019

Volle Breitseite

Nachdem es in den letzten Monaten hier was Rotweine angeht doch recht bordeauxlastig war, geht es heute noch ein Stück weiter nach Süden, nämlich ins spanische Toro-Gebiet. Die Weine der Bodega Numanthia haben hier durch sehr positive Kritikerbewertungen von sich Reden gemacht, insbesondere im Jahrgang 2004. Ich habe seinerzeit davon einige Flaschen gekauft, aber den Wein seit vielen Jahren nicht mehr getrunken. Heute war mir nach einer vollen Breitseite zumute, und der Numanthia hat geliefert...



2004 Numanthia
Mittleres bis dunkles Rot mit ersten bräunlichen Reifenoten am Rand
In der Nase intensiv, rote und dunkle Früchte, etwas Leder, Gewürze. Wirkt insgesamt deutlich jünger, als er ist. Am zweiten Tag ist eine leicht portige Note wahrnehmbar.
Schiesst am Gaumen aus allen Rohren: Sehr intensiv und nachhaltig, wärmender Alkohol, sehr lang und dabei leicht trocknend im Abgang. Eindrucksvoll, aber ohne die Finesse, die einen grossen Wein ausmacht.
90-92, bis 2025


Fazit: Der Wein ist so dick, dass er nur seitwärts durch die Tür passt. Gut ist er schon (auch wenn ich die vor langer Zeit vom Wine Advocate vergebenen 98 Punkte nicht mal aus der Ferne erkennen kann), aber er macht auch schnell satt.

Freitag, 10. Mai 2019

Von den Küsten der Steiermark

Das Wissen über die Steiermark ist offenbar begrenzt. So wurde sie im Film "Der letzte Tempelritter" ans Meer verlegt, denn im Film ist von den "Küsten der Steiermark" die Rede (der Film ist auch ansonsten nicht wirklich sehenswert). Was Wein angeht, bringe ich die Steiermark vor allem mit Sauvignon Blanc in Verbindung. Den gibt es natürlich (und wie!), aber es gibt vielfältige andere Weine und eine anscheinend experimentierfreudige Winzerschaft. Einen kleinen Einblick gab es auf einer Probe, die im Mai in Mannheim stattfand, mit eigens importierten Weinen.




Es ging los mit einem Wein aus der "Butter-und-Brot"-Sorte Welschriesling

2018 Krispel Welschriesling Klassik
In der Nase recht ausgeprägte Frucht, etwas Pfirsisch, auch leicht ins grasig-kräutrige gehend
Am Gaumen leichtgewichtig, im ersten Eindruck fast etwas parfümiert, Limette, leichte, aber nicht unangenehme Bitternote, eher kurz. 
83-85

Schilcher ist eine Spezialität der Weststeiermark. Er ist (meist) ein Rosé und wird aus der Rebsorte Blauer Wildbacher gekeltert. Sein Ruf ist (bzw. war) durchaus etwas zweifelhaft. Von Papst Pius VI, der Ende des 18. Jahrhunderts durch die Region reiste, ist das Zitat überliefert "Sie haben Uns einen rosaroten Essig vorgesetzt, den sie Schilcher nannten". So schlimm ist es heute nicht mehr.

2017 Reiterer Schilcher Engelweingarten Alte Reben
Sehr kräftiges Rosa mit Orangenoten
In der Nase dezent rotfruchtig mit Himbeeren und Erdbeeren
Auch am Gaumen rotfruchtig, ausgeprägte Säure, leichte Bitternote, dezent nussig.
83-85

Als nächstes gab es einen Muskateller-Sekt

Polz Non-vintage Muskateller brut (traditionelle Flaschengärung)
In der Nase dezente, aber feine Musaktnote, gelbe Früchte, Holunderblüte
Auch am Gaumen feine Muskatelleraromatik, kräftige Perlage
84-86

Danach ein Chardonnay, der in Österreich als Morillon firmiert

2017 Schauer Morillon Schiefergestein
In der Nase fein, spürbarer Holzeinsatz
Am Gaumen deutliche Holzprägung, nussig, leichte Zitrusnote
Hätte mir mit weniger Holzeinsatz wohl noch besser gefallen
85-87

Nun aber zur steirischen Paradesorte, dem Sauvignon, der hier sehr gut gelingt. Wir beginnen mit einem Wein aus der Kategorie "Steirische Klassik", die wohl am ehesten einem Gutswein entspricht (allerdings sind die Weine etwas teurer als deutsche Gutsweine guter Häuser).

2017 Erwin Sabathi Sauvignon Blanc Steirische Klassik
Nase recht ausgeprägt, exotische Frucht, Stachelbeere, leicht ins grasig-grüne gehend
Am Gaumen vergleichsweise neutral, ausgeprägte Säure, gewisse Länge
85-87

Der nächste Wein war ein "Rieden-Wein", was einer Ersten Lage nach VdP-Regeln in etwa entsprechen dürfte.

2017 Wohlmuth Sauvignon Blanc Steinriegl
In der Nase intensiv und nachhaltig, eher gelbfruchtig, Holunderblüten
Auch am Gaumen nachhaltig, intensive aber unaufdringliche Frucht, sehr dezent grasig
Leicht exotische Noten, gut integrierte Säure, lang. Der Wein spielt eine Liga höher als sein Vorgänger
89-91

Es geht noch eine Stufe höher, nämlich mit der "Grossen STK Lage"

2015 Tement Sauvignon Blanc Zieregg
Recht kräftiges Gelb
In der Nase zunächst eher "leise" aber nachhaltig, rauchig, gelbfruchtig, noch fast verschlossen wirkend
Am Gaumen sehr nachhaltig, sehr gut integriertes Holz, feine Säure, komplex und lang, dezent cremig.
Das ist großes Kino und gehört zum besten, was ich an Sauvignon Blanc bislang getrunken habe 
93-95

Riesling wird in der Steiermark eher wenig angebaut, aber in der Region Sausal in der Südsteiermark mit ihren Schieferböden gelingt er offenbar hervorragend

2016 Wohlmuth Riesling Edelschuh
In der Nase ausgeprägt, klare Rieslingaromatik, gelbe Steinfrüchte
Auch am Gaumen ausgeprägte Noten von gelben Steinfrüchten, hervorragend integrierte Säure.
Hervorragender Riesling auf dem Niveau guter GGs.
92-94

Nun kamen die Exoten. Zunächst ein Orange-Wein von Werlitsch. Das Weingut ist für seine "Ex-Vero"-Weine aus Sauvignon und Chardonnay bekannt, gehört daneben aber auch zu den Orange-Wein-Pionieren. Orange-Weine sind Weissweine, die im Prinzip wie Rotweine ausgebaut werden, also lange auf der Maische belassen werden. Die Farbstoffe aus den Schalen ergeben die orange Färbung, ausserdem haben die Weine oft ausgeprägte Tannine, die man bei Weissweinen ja eher nicht erwartet. Ich bin ehrlich gesagt kein Fan von Orange-Weinen. Bislang habe ich jedenfalls noch keinen getrunken, von dem ich mir eine Kiste in den Keller gewünscht hätte.

2015 Werlitsch "Glück" (Orange-Wein, Sauvignon und Chardonnay) aus der Tonflasche
Trüb, kräftiges Goldgelb
In der Nase intensiv, apfelig, aber auch eine ganz leicht muffige Note
Hat am Gaumen etwas "Strahlendes", wieder Apfel, vielschichtig, nachhaltig und lang, deutliche Tanninprägung
Ich kann verstehen, dass man diesen Wein faszinierend findet (ist er), aber ich kann genauso verstehen, wenn man ihn nicht mag. Der Wein erfordert Aufmerksamkeit, und mehr als ein Glas will man davon wahrscheinlich auch nicht trinken. Meine Erfahrung mit Orange-Weinen ist begrenzt, aber dieser hier gehört definitiv zu den besten, die ich bislang probiert habe 
91-93?

Der nächste Wein ist kein Orange-Wein, sondern ein Sauvignon, der nach jahrelangem Ausbau als Spätfüllung auf den Markt kam

2011 Maria und Sepp Muster "Graf" Sauvignon Blanc Spätfüllung
Reifes Goldgelb
Spannende Nase, etwas oxidativ, auch etwas Lösungsmittel ("Uhu"), Apfel
Auch am Gaumen leicht oxidativ, recht komplex, Schmelz, Holz kaum wahrnehmbar
88-90?

Die Steiermark ist zwar eindeutig Weissweinland, aber zum Abschluss gab es dann einen der seltenen Roten - und einen richtig guten noch dazu:

2007 Polz Urbani Reserve (50% Zweigelt, Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon)
Mittleres Rot ohne Reifetöne
In der Nase elegant, dunkelfruchtig
Am Gaumen eher schlank, rauchig, kühl wirkende Stilistik, Sauerkirsche, schön
90-92

Fazit: Eine schöne und vor allem sehr vielfältige und spannende Probe. Dass die Steiermark Sauvignon kann, ist keine neue Erkenntnis. Positiv überrascht hat mich der hervorragende Riesling von Wohlmuth (der aber leider nicht nur qualitativ, sondern auch preislich in der Liga der guten GGs mitspielt) und der "Urbani", der für knapp über 20 Euro (der Wein ist noch verfügbar) ein guter Kauf ist.