Dienstag, 12. März 2019

Drei Duos ergeben ein Trio

Mehr duch Zufall als durch Absicht haben sich in unserem Keller drei Cuvées aus Weißburgunder und Chardonnay angesammelt. Da diese Rebsorten-Duos alle aus dem gleichen Jahrgang (2017) und aus guten Häusern (Dönnhoff, Johner und Keller) stammten, drängte sich ein Vergleich förmlich auf. Der fand dann gestern und heute statt, und zwar zunächst als Blindprobe. 




2017 Dönnhoff Weißburgunder und Chardonnay "Stückfass"
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase kraftvoll, nussige Noten, etwas Orange, auch eine leicht grün-gemüsige (aber nicht unangenehme Note)
Am Gaumen recht kraftvoller Auftritt, schöne Fruchtnoten, anregende Säure. Macht Spaß.
88 bis 2020+

2017 Keller Weißer Burgunder und Chardonnay
Helles Gelb
In der Nase zunächst vergleichsweise verhalten, frisch, Melone(?). Wird mit Luft kräftiger und entwickelt dann auch nussige Aromen 
Am Gaumen recht schlank, animierende Säure, macht Spaß und gewinnt mit Luft
88

2017 Johner Weißer Burgunder und Chardonnay
Helles bis mittleres Gelb
Ebenfalls eher verhaltene Nase, Heu, eine leichte Orangennote, nicht allzu differenziert
Am Gaumen ebenfalls mit eher zurückhaltender Aromatik. Das zeichnet sich durch schönen Schmelz, aber im Vergleich zu den beiden anderen Weinen auch durch eine gewisse Behäbigkeit aus.
Später dann solo (und offen) getrunken ist das ein schöner Wein, aber eben nicht ganz auf dem Niveau der beiden Konkurrenten.
86 

Fazit: Das sind drei schöne Weine. Der Wein von Johner ist teilweise im Barrique ausgebaut, was ihm einen schönen Schmelz verleiht. Trotzdem gefallen mir die beiden anderen Weine etwas besser, sie wirken etwas verspielter und beschwingter.


Samstag, 2. März 2019

Dreimol Null es Null es Null

Karneval ist ja eher nicht die Zeit für gepflegten Weingenuss, da stehen eher Bier und Hochprozentiges im Vordergrund. Um trotzdem eine Verbindung zwischen Wein und Karneval zu schaffen, habe ich drei Nuller-Weine parallel verkostet. Eine alte kölsche Karnevals-Weisheit besagt nämlich, dreimol Null sei Null sei Null (guckstu und hörstu hier).

Auf "Null" habe ich natürlich nicht gehofft, sondern auf möglichst hoch in den Neunzigern. Die drei Weine auf dem Verkostungstisch waren drei Cru Classés aus Saint Julien, nämlich Saint-Pierre, Branaire Ducru (der seinerzeit noch als Branaire (Duluc-Ducru) bezeichnet wurde) und Lagrange. Ich habe zunächst blind verkostet und dann über zwei Tage offen weiter verkostet.




2000 Chateau Saint-Pierre
Mittleres Rot mit deutlichen orange-braunen Reifenoten
In der Nase zunächst etwas unangenehm, Schweiß. Mit etwas Luft verschwindet die schweißige Note und es bleibt ein etwas gedeckter Duft von dunklen Früchten und Cassis. Mit weiterer Belüftung kommt die Cassisnote immer deutlicher hervor, dann kommt Waldboden hinzu. Am zweiten Tag wirkt die Nase leicht gezehrt, mit Noten von Pilzen und Waldboden.
Am Gaumen recht herb, verhalten dunkelfruchtig, aber gute Struktur, die den Wein durchaus animierend wirken lässt - schöne reife Tannine und eine lebendige Säure. Am zweiten Tag macht sich auch am Gaumen die fortgeschrittene Reife bemerkbar, das Tannin wirkt trocknender. Old-school Bordeaux, der noch gut trinkabar ist (zu einem Steak dürfte das gut passen), den ich aber nicht mehr lange lagern würde.
86-88, bis 2020

2000 Chateau Lagrange
Noch recht dichtes Rot mit ganz leichten bräunlichen Reifetönen
In der Nase sofort sehr präsent, kernig wirkend, dunkle Früchte, Cassis, Zedernholz. Auch am zweiten Tag recht intensiv, Cassis und dunkle Früchte.
Am Gaumen sehr schön, kräftige, maskulin wirkende Frucht, ein feiner Säureschleier und strukturgebende (aber reife) Tannine. Am zweiten Tag kommt eine leichte Teernote hinzu.
Sehr schöner Wein, ebenfalls eher Old-School und mit Potental für weitere Jahre.
89-91 (und klar am oberen Ende dieser Kategorie), bis 2025

2000 Chateau Branaire-Ducru
Mittleres Rot mit leichten Orangenoten
In der Nase verhalten und im ersten Eindruck gezehrt wirkend. Mit mehr Luft wird das intensiver mit Noten von Laub und Gewürzen. Mit noch mehr Luft kommt eine etwas portig wirkende Frucht hinzu, auch etwas Lakritz. Nach etwa drei Stunden dann eher verhalten, aber sehr fein nach dunklen Früchten (Heidelbeeren und Brombeeren) duftend. Am zweiten Tag dann recht unverändert, dunkle Früchte, vor allem Heidelbeeren.
Am Gaumen zunächst wenig Frucht, dafür tertiäre Aromen, herb, etwas trocknendes Tannin. Mit Belüftung zeigt der Wein etwas mehr, aber das leicht trocknende Finale bleibt und trübt das Vergnügen etwas. Am zweiten Tag kommt eine leichte Bitternote im Finale hinzu. Auch hier würde ich nicht mehr allzu lange warten wollen.
86-88, bis 2020

Fazit: Der Lagrange hat hier klar die Nase vorn. Ein kompletter, sehr schöner Bordeaux, der noch einige Jahre vor sich hat. Der Saint-Pierre und der Branaire kommen da nicht mit. Beide Weine sind zwar noch gut trinkbar, aber wohl doch schon etwas über den Zenit. Damit bleibt vor allem der Branaire unter den Erwartungen und Vorschußlorbeeren (94 Punkte von Robert Parker himself und 92 von Neil Martin, jeweils mit der Prognose "bis 2030"). Möglicherweise war diese Flasche (erst kürzlich bei Ebay gekauft) nicht optimal gelagert.

Geschichtsstunde

1975. Helmut Schmidt ist seit nicht einmal einem Jahr Kanzler, der Vietnamkrieg endet, die Roten Khmer übernehmen die Macht in Kambodscha, in Spanien stirbt Franco und Juan Carlos wird zum König proklamiert und die Briten stimmen in einer Volksabstimmung für den Verbleib in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. In diesem Jahr wuchs dieser Wein im Aßmannshäuser Höllenberg. 1975 gilt als sehr guter Jahrgang; die Weine haben mehr Säure als die des nachfolgenden Hitzejahres 1976. Und edelsüße Spätburgunder Weißherbste gelten als Spezialität der hessischen Staatsweingüter. Daher habe ich, vor nun auch schon mehr als 10 Jahren, zwei halbe Flaschen dieses Weines ersteigert und im Keller vergraben. Aus irgendeinem Grund fiel mir wieder ein, dass es die noch gibt, und so habe ich dann die erste Flasche geöffnet. Der Korken war durchnäßt, aber intakt und der Füllstand einwandfrei. Gute Voraussetzungen also für ein schönes Altweinerlebnis.



1975 Hessische Staatsweingüter Aßmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Weißherbst Beerenauslese
An Mahagoni erinnernde braune Farbe
In der Nase intensiv, Rosinen, Trockenfrüchte 
Am Gaumen intensive Süße, die aber durch eine noch präsente Säure nicht aufdringlich wirkt, wieder Aromen von Rosinen und Trockenfrüchten, allerdings nicht sehr diferenziert, lang. Wirkt noch sehr präsent und dürfte bei guter Lagerung noch viele Jahre vor sich haben.
Ich hätte den Wein bei einer Blindprobe sicher nicht als Spätburgunder Weißherbst identifiziert. Insgesamt ein sehr schönes Altweierlebnis.
89-91, bis 2025+ (verkostet im November 2018)