Donnerstag, 1. Februar 2018

Weltklasse oder Kreisklasse?

Die Bordeaux-Bewertungen in "Vinum" verfolge ich seit Jahren mit einer gewissen Skepsis. Zu offensichtlich scheint es mir, dass der Verkoster spezifische Vorlieben hat. So bekommt etwa Chateau Moulin Haut Laroque seit vielen Jahren sehr hohe Bewertungen (2012 nach Arrviage 17 Punkte; 2014 nach Arrivage 17.5, was jeweils eine gleich hohe oder höhere Bewertung als etwa Beausejour-Becot oder Canon-la-Gaffeliere bedeutet). Nichts gegen den Wein (wir haben mehrere Jahrgänge selbst im Keller), aber in dieser Liga spielt er meiner Ansicht nach nicht (muß er auch nicht - er kostet ja nur einen Bruchteil). Seit einigen Jahren werden bei den Bordeaux-Verkostungen auch einige Güter aus Margaux, die dort nach meiner Wahrnehmung eher in der zweiten Reihe stehen, mit sehr hohen Benotungen bedacht, die Chateaux Ferriere (2014 nach Arrivage 19 Punkte) und Monbrison (18,5) etwa.

Den Vogel abgeschossen hat dann aber bei den Arrivage-Verkostungen des Jahrgangs 2014 Chateau Durfort-Vivens, ein deuxieme Cru, das ich doch bisher eher als notorischen Underperformer wahrgenommen habe. Für den 2014er gab es bei der Arrivage-Verkostung in Vinum 19 Punkte (genau so viel wie Latour und Mouton-Rothschild, während Lafite und Margaux "nur" auf 18,5 kamen). Im Text zu Durfort-Vivens heißt es "...hat Premier-Cru-Niveau. Einer der besten Weine des Jahres".  Ein Weltklassewein also offenbar - und er ist für um die 40 Euro zu haben. Also kistenweise bestellen? Nun bekommt der gleiche Wein allerdings, ebenfalls nach der Abfüllung verkostet, von Neal Martin im Wine Advocate 86 Punkte und den Kommentar "this just does not appeal as much as other Margaux 2014s tasted in bottle". Also doch ein Kreisklassewein? Dafür wären 40 Euro ziemlich happig.

Ich wollte wissen, was da los ist, und habe mir eine Flasche 2014er Durfort-Vivens besorgt. Um den Wein besser einordnen zu können, habe ich ihn parallel (und am ersten Tag blind) neben zwei anderen 2014er Margaux verkostet, nämlich Labergorce und Malescot St. Exupery. Beide werden von Vinum klar schlechter (16,5 bzw. 17,5) und von Neal Martin klar besser (93 bzw. 92) bewertet als Durfort-Vivens.

Ein kleiner Nebeneffekt: Durfort-Vivens war der einzige deuxieme Cru, den ich bislang noch nie getrunken habe. Das hätten wir also jetzt auch erledigt. 



2014 Chateau Labergorce
Tiefdunkles Rot, zum Rand hin dezentes Rosa
In der Nase verhalten, aber sehr elegant, dunkle Früchte, auch eine mineralische Note; mit mehr Luft etwas Holzkohle und etwas intensiver. Am zweiten Tag in der Nase ausgeprägter und mit eher an Himbeeren erinnernder Frucht.
Am Gaumen elegant und samtig, hochfeines Tannin, keine Bitternoten, dezente Fruchtausprägung.
Ein "leiser", sehr eleganter Wein mit Potential. Wirkt am zweiten Tag noch etwas kraftvoller.
92-94, 2020-2030

2014 Chateau Malescot St. Exupery
Tiefdunkles Rot, am Rand eine ganz leichte Orange-Note.
In der Nase etwas intensiver als der erste Wein, dunkle Früchte, fleischig, mit mehr Luft entwickelt sich eine rotfruchtige Note.
Die fleischige Note findet sich am Gaumen wieder, dezente Frucht, wirkt ganz leicht rustikal; auch hier keine Bitternote.
Schöner und schon recht zugänglicher Wein, aber es fehlt etwas die Eleganz des ersten Weins. Legt über drei Tage zu und gefällt mir am dritten Tag am besten.
89-91+, 2019-2025+

2014 Chateau Durfort-Vivens
Ebenfalls tiefdunkles Rot mit ganz dezenter Orange-Note am Rand.
In der Nase vergleichsweise ausgeprägt, etwas eigenwillig mit deutlicher Kräuternote, Teeblätter.
Auch am Gaumen kräutrig, sehr weiches Tannin ohne Bitternoten, aber kaum Frucht.
Eigenwillig, und mir ist auch nicht ganz klar, wohin sich das entwickelt.
86-88+, 2020-2025

Fazit: Der 2014er Labergorce ist "the wine to have". Ein hervorragender, sehr eleganter Bordeaux mit exzellentem Preis-Leistungsverhältnis. Die 93 Punkte von Neal Martin kann ich absolut nachvollziehen. Den Wein hatte ich im Sommer bereits verkostet (guckstu hier). Das Holz hat sich überraschend schnell weiter eingebunden und die im Sommer konstatierte Bitternote kann ich jetzt auch nicht mehr wahrnehmen. Den Labegorce gibts derzeit noch für etwa 25 Euro, und das scheint mir ein sehr schlauer Kauf zu sein (ich habe nachbestellt). Der Malescot, obgleich ein schöner Wein, ist hier nur zweiter Sieger. Und der Durfort-Vivens? Kreisklasse ist vielleicht ein zu hartes Wort, aber mehr als Regionalliga ist das nicht. Von Weltklasse ist der Wein ungefähr so weit entfernt wie Martin Schulz von der Kanzlerschaft.

Natürlich ist das hier nur eine Momentaufnahme von Weinen, die sich weiter entwickeln und verändern werden. Den Malescot und den Labegorce kann ich weiter verfolgen, den Durfort-Vivens allerdings nicht - nochmal 40 Euro ist mir der Spaß dann doch nicht wert.

1 Kommentar:

  1. Auch mir sind diese Bewertungen manchmal ein Rätsel, was sehr an der Glaubwürdigkeit am "größten" Weinmagazin des deutschsprchigen Raum krazt. Pontet Canet ist ein großer Wein keine Frage, aber der gewinnt nahezu jedes Jahr die Verkostung bei Vinum. Meiner Meinung nach ungerechtfertigt. Im Vergleich zu den Premier Cru's sicher nicht so komplex. Anscheinend spielt hier auch das Preis-Leistungsverhältnis eine Rolle, oder sonst irgendwas aber es wird auf jeden Fall nicht mit gleichen Maß gemessen.

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