Samstag, 6. Januar 2018

Getrüffelter Bauchpinsel

Liebe Leser/innen, zwei Warnungen vorweg: Erstens ist das hier hauptsächlich ein Bericht über einen Restaurantbesuch und gehört damit eigentlich gar nicht hierher (aber ganz am Ende gibt es dann doch noch eine Verkostungsnotiz). Zweitens ist der Bericht wahrscheinlich noch weniger objektiv als das, was ich hier sonst so schreibe. 

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich hier über ein Abendessen im J'AIME in Bangkok berichtet (guckstu hier). Das war denkwürdig erstens, weil das Essen sehr gut war. Ich habe dem Restaurant damals einen Stern zugesprochen. Mittlerweile gibt es einen Guide Michelin für Thailand und das J'AIME hat - genau, einen Stern. Vielleicht sollte ich mich mal als Tester beim Guide Michelin bewerben. Appetit für den Job hätte ich jedenfalls genug. Es war denkwürdig zweitens, weil ich an einem Samstagabend zur besten "Sendezeit" der einzige Gast war.

Nun - ich war heute wieder da. Es war deutlich voller und ein Mehr-als-ein Sterne-Erlebnis. Aber der Reihe nach. Bei meiner Online-Reservierung hatte ich (honni soit qui mal y pense) meinen letztjährigen Besuch erwähnt und wurde beim Empfang durch die Chefin, Marine Lorain (die Tochter von Jean-Michel Lorain), dann auch darauf angesprochen und ausgesprochen freundlich zum gleichen Tisch wie beim ersten Mal geleitet. Also wieder diese Sitzbank, in der man versinken könnte. Schon hier fühlte ich mich einigermassen gebauchpinselt. Geordert habe ich dann das 5-Gang-Menu mit Weinbegleitung. Ich hätte auch mehr Gänge genommen, aber bei den umfangreicheren Menus sagte mir die Zusammenstellung weniger zu.

Was genau das Amuse Bouche war, habe ich nicht verstanden, was am Englisch des Kellners, an meinem Englisch oder an uns beiden lag. Es schmeckte wie fein abgestimmtes Kartoffelpüree und war ungefähr so aufregend. Der dazu (und zum ersten Gang) gereichte Vouvray Petillant war ebenfalls gut, ohne denkwürdig zu sein.


Erster Gang des Menus war ein Rote-Beete-Borschtsch (ok, der ist eigentlich immer aus Roter Beete, aber es stand halt so auf der Karte) mit einer Kugel aus Sour Cream, sehr aromatisch und gut abgestimmt.


Anschliessend Languste mit Carpaccio von Palmherzen. Letzteres war recht säuerlich, die Languste aber hervorragend. Dazu wurde ein 2014er Puilly Fuissé (2014 Terres de Pierres, Maison Verget) gereicht, der mir ausgesprochen gut gefallen hat.


Ab jetzt wird es immer besser. Der nächste Gang war eine Tarte von Wachtel und Foie Gras, annonciert als "Signature Dish". Und zwar zu Recht, das war wirklich grossartig.


Ich war nun in freudiger Erwartung des Hauptgangs, für den ich Rinderfilet gewählt hatte. Ich war dann etwas irritiert, als mir eine Gabel und ein Fischmesser vorgelegt wurden. Kurz darauf kam dann die Chefin und brachte eine getrüffelte Seezunge. Der Küchenchef habe sich so gefreut, dass ich nach einem Jahr wieder da sei, dass er mir diesen Gang als Aufmerksamkeit des Hauses zukommen liesse. Hat sie so gesagt. Ach wären nur alle Häuser so aufmerksam, die ich jährlich oder öfter besuche. Das war nun wirklich ein getrüffelter Bauchpinsel. Und schmeckte so gut, wie es aussah.

Getrüffelter Bauchpinsel. Oder so.
Kann man da noch einen draufsetzen? Ja, man kann. Nämlich das beste Rindfleisch, das ich je gegessen habe. Punkt. Filet vom Kamui beef. Davon hatte ich vorher ehrlich gesagt noch nie etwas gehört (wieder eine Bildungslücke geschlossen). Es ist Angus-Rind, das in Japan wie Kobe wagyu aufgezogen wird, also mit Bier, Musikberieselung und täglichen Streicheleinheiten. Oder so ähnlich. Jedenfalls war das Fleisch phantastisch. Großartiger Geschmach, schmelzende Konsistenz und genau der richtige Fettgehalt, um das perfekt abzurunden. War. Das. Gut. Hätte Gott so etwas geschaffen, wenn er gewollt hätte, dass wir Vegetarier werden?

Der dazu gereichte 2016er Cotes-du-Rhone Belleruche von Chapoutier war übrigens ausnehmend gut, schon das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass mich ein einfacherer Wein von Chapoutier wirklich überzeugt (für den anderen guckstu hier).

Best Beef ever
Als zusätzlichen Gang (vorab und gegen Aufpreis zu ordern, was ich nur empfehlen kann) gab es geschmolzenen Reblochon mit Kartoffeln, Trüffeln und Pancetta. Das war zwar sehr gut, hat mich aber nicht ganz so begeistert wie das Knoblauchbrot beim letzten Mal.


Dafür war das Dessert diesmal viel besser. Ein großartiges Passionsfruchtsorbet mit nahezu schaumiger Konsistenz, ein hervorragendes Millefeuille und ein Entremet au chocolat Macaé et abricot. Dazu wurde ein Muscat de Beaume de Venise gereicht, der mir so gut gefallen hat, dass ich dann doch noch den Stift gezückt und Notizen gemacht habe.


2015 Domaine des Bernardins Muscat de Beaume de Venise
Goldgelb, mit einem deutlichen Einschlag in Richtung orange-rosa (das ist bei gedämpftem Kunstlicht schwer auszumachen)
In der Nase ausgeprägt, prägnanter Muskatduft, floral
Am Gaumen ausladend, wieder floral, Muskat, trotz intensiver Süße (und trotz 15% Alkohol) frisch wirkend, viskose Textur, schön. So etwas trinkt man viel zu selten - und es ist gar nicht teuer, der 2016er kostet ab Werk 13,80. In Deutschland ist der Wein allerdings nicht so leicht zu bekommen und kostet dann auch eher 20 Euro.
89-91

Zum Abschluß eines mehr als gelungenen Abends gab es dann noch einen Ausblick auf das gediegene Ambiente des U Sathorn Hotels, in dem sich das J'AIME befindet. In diesem Sinne: Bis nächstes Jahr.

Gediegenes Ambient am U Sathorn Hotel


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