Montag, 29. Mai 2017

Happy Birthday

Jeden Montag gibts das nicht. Aber heute ist Geburtstag, da darf das mal sein. Wozu hat man das Zeug denn im Keller? Zuerst also ein gediegener Champagner, der 2002 "Rare" von Piper-Heidsieck. Ok, die Flasche kann man kitschig oder dekadent finden, aber der Inhalt ist grosse Klasse, mit superfeiner Perlage.

Und dann mußten wir doch auch auf der aktuellen Welle reiten, dem Keller-Hype. Daß das ein hervorragendes Weingut ist, wird niemand ernsthaft bestreiten. Aber der aktuelle Hype mit astronomischen Preisen für den G-Max (den ich noch nie probieren durfte) und exorbitanten Preisen auf Ebay und anderswo für die "normalen" GGs hat schon etwas irreales. Kürzlich las ich von einer Abtserde-Vertikale, bei der der 2006er (zur allgemeinen Überraschung) am Ende die Nase vorne hatte. Nun, wir haben exakt einen Jahrgang Abtserde im Keller. Welchen? Genau, 2006. Den gab es seinerzeit mal für 36 €. Die erste unserer drei Flaschen haben wir vor Jahren getrunken und waren enttäuscht. Heute war Wiedergutmachung angesagt. Und wie.






2002 Piper-Heidsieck "Rare"
Sehr feine, tiefe Nase, Brioche, exotische Früchte, Zitrus
Am Gaumen sehr nachhaltig, ausgeprägte Zitrusfrucht, sehr feine Perlage, lang.
92-94

2006 Keller Riesling GG Abtserde
Reifes Goldgelb
Beim Riechen springen mich gleich kandierte Zitrusfrüchte an. Die Nase ist intensiv und tief, mit Belüftung kommen zu den Zitrusnoten exotische Früchte hinzu. Das ganze wird begleitet von einer  packenden Mineralität.
Am Gaumen packt sofort die kalkige Mineralität zu, daneben ausgeprägte Zitrusfrucht und wieder exotische Früchte. Sehr lang.
Keinerlei erkennbare Reifenoten; der Wein wirkt tatsächlich eher so, als habe er seine volle Trinkreife auch nach 10 Jahren noch nicht erreicht. Dürfte bei guter Lagerung auf jeden Fall noch viele Jahre vor sich haben. Wer sagt da, daß 2006 ein schwieriger Jahrgang war? Großes Riesling-Kino und aufgenommen in meine Riesling Hall of Fame.
95-97, bis 2025


Privat(e) Schmelz zum Dienst!

Beim Aufräumen im Keller fanden sich in einem Regal ganz unten noch einige gereifte Österreicher, die irgendwie in Vergessenheit geraten waren. Zum einen waren das zwei 2004er von Nigl aus dem Kremstal, der Grüne Veltliner "Privat" und der Riesling "Privat". Zum anderen waren das zwei 2005er Smaragde vom Wachauer Weingut Schmelz, ebenfalls ein Grüner Veltliner (Pichl Point) und ein Riesling (Stenriegl). Einmal ans Tageslicht gezerrt mußten sie dran glauben. Das Ergebnis war etwas durchwachsen. Ein wirklich sehr guter Wein, zwei ordentliche und ein Korktreffer.




2004 Nigl Grüner Veltliner Privat
Reifes Goldgelb mit leichtem Orange-Ton
In der Nase ein sherryartiger Reifeton, Apfel, Bienenwachs, Kräuter
Auch am Gaumen reif, aber noch sehr präsent, gaumenfüllend, dezente Sherrynote, stützende Säure
86-88, trinken

2004 Nigl Riesling Privat
Mittleres Gelb
Reif, Petrolnote, Verdacht auf leichten Kork
Der Korkverdacht bestätigt sich.
ohne Wertung

2005 Schmelz Grüner Veltliner Smaragd Pichl Point
Auch hier reifes Goldgelb mit leichtem Orange-Ton
Sehr schöne Nase, etwas Apfel, gelbe Früchte, in sich ruhend
Am Gaumen sehr schön, gelbfruchtig, viel Schmelz (Nomen est Omen), sehr stimmig und harmonisch. Das ist richtig gut.
89-91, bis 2018

2005 Schmelz Riesling Smaragd Steinriegl
Sattes Goldgelb
In der Nase zu Beginn etwas modrig und etwas korkig wirkend. Das wird mit Luft schwächer, verschwindet aber nicht ganz. Nach Belüftung gelbfruchtig mit Aprikosennoten (oder muß ich "Marillen" schreiben?)
Am Gaumen reife, aprikosengeprägte Rieslingfrucht, prägnante, aber etwas aufgesetzt wirkende Säure, auch hier wieder schöner Schmelz. Macht aber lange nicht so viel Spaß wie der Veltliner.
83-85, trinken

Freitag, 19. Mai 2017

Alt und grau?

Heute gab es zwei Weine, die ich im Keller vergessen hatte. Beide habe ich im Jahr nach der Ernte gekauft und die jeweils letzte Flasche dann nie aufgemacht. Nun endlich waren beide fällig.




2008 Clemens Busch Vom grauen Schiefer Riesling trocken
Reifes Goldgelb
In der Nase recht ausgeprägt, deutlich auf der kräutrigen Seite, dazu Bienenwachs
Am Gaumen ein etwas karger, wieder kräuterbetonter Stil, kleidet den Gaumen trotzdem vollständig aus, gute Länge
Spannender, durchaus eigenständiger Wein.
86-88, bis 2018

2009 Clemens Busch Vom grauen Schiefer Riesling trocken
Ebenfalls reifes Goldgelb, in der Farbe fast kein Unterschied zum 2008er 
In der Nase etwas leiser, deutlich fruchtbetonter, Orangenschale, Zitrus
Auch am Gaumen Orangennoten, deutlich reifere und cremigere Stilistik als der 2009er, spürbarer Restzucker, wirkt insgesamt ein bischen langweilig und ist wohl auch schon etwas über den Punkt.
83-85, trinken

Fazit: Man kann darüber streiten, ob nun 2008 oder 2009 das "eigentlich" bessere Jahr ist. Am Anfang wurden die 2009er sicher höher eingeschätzt, aber mittlerweilse bevorzugt so mancher die 2008er. Wie dem auch sei: Hier ist der 2008er der eindeutig spannendere Wein.

Donnerstag, 4. Mai 2017

Hattenheim

Spontane Ausflüge sind doch meistens die schönsten. Am Sonntag sind wir kurz entschlossen mit dem Zug in den Rheingau nach Hattenheim gefahren, um den einen Tag mit schönem Wetter zu geniessen (vorher und nachher war das Wetter ja eher gräuslich). Zur Einstimmung gab es erstmal Riesling-Sekt (den extra brut) beim Weingut Barth.

Anschliessend sind wir runter zu den Fässern am Rhein gegangen, dem Hattenheimer Weinprobierstand. Der wird abwechselnd von verschiedenen Winzern betrieben, so dass man mit der Qualität des gebotenen Weines Glück oder Pech haben kann. Wir waren aber gar nicht des Weines wegen gekommen, sondern weil angeblich der Spundekäs dort sehr gut sein soll. Überprüfen konnten wir das nicht, denn er war schon ausverkauft. Während wir dort sassen, begann ein Pärchen, dort Musik zu machen, englische Titel, vor allem aber französische Chansons. Mit Livemusik und Riesling am Rhein in der Sonne zu sitzen, hat schon was.




Zum Abendessen ging es in den Krug, wo es unter anderem eine hervorragende "Boston Fish Chowder" gab. Zum Hauptgericht haben wir dann den 2013 er "Josef-Franz"-Spätburgunder getrunken. Jedes Jahr lassen sich Franz Keller von der Adlerwirtschaft und Josef Laufer vom Krug einen selektionierten Rheingauer Spätburgunder exklusiv abfüllen. Der 2013er stammt von August Kessler und ist sehr gut, aristokratisch fast (habe keine detaillierten Notizen gemacht).

Der "Boston Fish Chowder" im Krug

Auf dem kurzen Weg zum Bahnhof haben wir dann noch die Abendstimmung geniessen können. Und da die Rückfahrt lang ist, hatten wir uns dafür noch eine Flasche Spätburgunder besorgt. Ich wußte ehrlich gesagt gar nicht, daß Johannes Leitz auch Spätburgunder macht. Und guten dazu:

2013 Leitz Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder
Mittleres Rot, am Rand rosa
In der recht ausgeprägten Nase dominieren kräutrige Noten, dahinter dezente Kirschfrucht, mineralische Noten
Auch am Gaumen kirschfruchtig, die Kräuter hier nur noch im Hintergrund. Schön, wenn auch vielleicht ein klein wenig vordergründig.
86-88, bis 2020+

Abendhimmel über Hattenheim

In vollen Zügen...



Montag, 1. Mai 2017

II, I, 500

Das Weingut Von Winning produziert jedes Jahr drei Sauvignons. In einer etwas unorthodoxen Zählweise heißen die II, I und 500. Sauvignon II und I stammen teilweise aus zugekauften Trauben; der Sauvignon I wird im Holz ausgebaut, der Sauvignon II nicht. Der Sauvignon 500 ist das Spitzenprodukt aus dieser Rebsorte. Die Trauben stammen aus eigenen Weinbergen und werden in 500-Liter-Fäassern ausgebaut. Das Ergebnis ist dann auch ambitioniert bepreist (der aktuelle Jahrgang kostet ab Weingut 38 Euro).

Vom Sauvignon II des Jahrgangs 2012 hatten wir 2013 sechs Flaschen gekauft. Eine Flasche davon hatten wir im Keller vergessen (den Wein sollte man vermutlich nicht vier Jahre einkellern). Da wir auch die beiden anderen Weine aus gleichem Jahrgang haben, lag es nahe, sie nebeneinander zu probieren.



2012 Von Winning Sauvignon II
Helles bis mittleres Gelb
In der Nase zurückhaltend, etwas verwaschene Zitrusfrucht, Kräuter
Am Gaumen vordergründige Säure, wieder verwaschen wirkende Frucht.
Das war im ersten und zweiten Jahr nach der Ernte ein schöner Wein, aber er hat deutlich abgebaut. Das soll kein Vorwurf sein, denn das ist sicher kein Wein, der für längere Lagerung gemacht oder gedacht ist.
75-79, austrinken.

2012 Von Winning Sauvignon I
Kräftiges Gelb
In der Nase deutlich vom Holz geprägt,
Auch am Gaumen deutliche Holzprägung, viel (etwas süßlich wirkender) Schmelz, eher dezente Frucht, passende Säure, ordentliche Länge.
86-88, bis 2017

2012 Von Winning Sauvignon 500
Reifes Gelb
In der Nase recht zurückhaltend, deutliche Holzprügung, gelbfruchtig, Zitronenmelisse, dezente Holundernote.
Am Gaumen ziemlich kraftvoll und nachhaltig, viel Schmelz (aber ohne die süßliche Note des Sauvignon I), stützende Holznote, lang.Wird wohl nicht mehr besser, dürfte sich aber auf diesem Niveau noch etwas halten.
89-91, bis 2020