Freitag, 9. Dezember 2016

Zähflüssig, vollfett

Ich bin ja eigentlich kein Fan von marmeladigen Alkoholmonstern. Und australischer Shiraz ist oft genau das (das ist jedenfalls eines meiner Vorurteile). Aber ab und an muß es dann doch mal sein. Heute war mal wieder so ein Tag. Dazu haben wir die letzte Flasche 2003 Kalleske Greenock Shiraz aus dem Keller geholt. Davon hatte ich vor ziemlich genau 10 Jahren mal 5 gekauft. Gut war der immer, aber wohl erst jetzt wirklich auf dem Höhepunkt. Ja, das ist ein Monster (mit 15,5% Alkohol), zähflüssig-vollfett eben. Aber es ist auch ein großer Wein. Ich hätte gerne ein großes Steak dazu gehabt.



2003 Kalleske Greenock Shiraz, Barossa Vale
Dunkles, undurchdringliches Rot, am Rand Andeutung orange-bräunlicher Reifenoten.
In der Nase sehr intensiv und ausladend, würzig, dunkle Früchte, aber auch etwas Pfeffer, ätherische Noten.
Am Gaumen enormes Volumen und viel Druck, viskose Textur, süß wirkende Frucht, noch genug Tannin um den nötigen Grip zu haben, sehr lang. Der hohe Alkohol ist sehr gut integriert.
Man will das nicht jeden Tag trinken und man will auch keine ganze Flasche davon trinken - aber großartig ist es doch.
95-97, bis 2020+

Samstag, 5. November 2016

Giro d'Italia

In den letzten Wochen haben wir eine kleine vinologische Italienreise unternommen. Und schuld daran ist Schnutentunker Felix Bodman. Felix hat nämlich vor einiger Zeit einen (absolut lesenswerten: guckstu hier) Artikel über eine Freisa-Probe geschrieben, an der er im Piemont teilgenommen hat. Freisa ist eine hauptsächlich im Piemont angebaute und anscheinend eher zickige Rebsorte. In Felix' Bericht geht es unter anderem um den Wein von Herrn Peyrani, der nicht nur sehr guten Freisa macht, sondern vor allem auch als Geheimtip für Barbera gilt. So geheim übrigens, dass ich vorher noch nie etwas von seinem Weingut gehört hatte. Meine Neugier war geweckt, und so habe ich im Internet recherchiert und einen Weinhändler gefunden, der nicht nur den Freisa von Peyrani im Sortiment hat, sondern ausserdem noch zwei 2007er Barbera. Beim Stöbern im Katalog entdeckte ich dann noch den ein oder anderen spannend klingenden Wein, und so kam dann einige Tage darauf ein Paket mit neun verschiedenen Italienern bei uns an, drei Weiße und sechs Rote. .

2015 A.A. Caravaglio Antonio Malfa Malvasia Bianco Secco Salina IGP
Mittleres Gelb
In der Nase duftig, Aprikose
Am Gaumen zurückhaltende Aromatik, frisch, leichtes Muskataroma
83-85, -2018

2010 San Paolo Castelli di Jesi Verdicchio Riserva Classico
Strohgelb
In der Nase eher zurückhaltend, nussige Aromen, vegetabil. 
Auch am Gaumen vegetabil, wenig Frucht, leichte Bitternote.
80-82, -2018

2014 A.A. Fiorano Offida DOCG Pecorino "Donna Orgilla"
Aus der Rebsorte Pecorino 
Zitronengelb
In der Nase nussig, mit etwas Luft dezenter Zitrusduft
Am Gaumen recht neutral, aber sauber und durch anregende Säure frisch wirkend.
83-85, -2019
















2012 A.A. Santa Lucia Castel del Monte "il Melograno" Nero di Troia
Mittleres Rot mit ersten Reifenoten am Rand
In der Nase recht ausgeprägte Frucht, Kirschen, Pflaumen, leicht portig
Am Gaumen würzig, rund, wirkt leicht süßlich, auch hier wieder eine portige Note, spürbarer Alkohol. Auf Dauer etwas anstrengend.
83-85, -2018

2013 San Marcello Lacrima di Morro d'Alba "Bastaro"
Mittleres bis dunkles, noch jugendliches Rot
In der Nase recht intensiv, würzig
Am Gaumen eher einfach gestrickt, aber angenehm würzig, leicht süßlich wirkend, trinkig.
Ordentlicher Pasta-Wein.
83-85, -2017 

2010 Casal Thaulero Montepulciano d'Abruzzo Riserva "Duca Thaulero"
Dunkelrot
Direkt nach dem Öffnen in der Nase uncharmant, Gummi. Mit Luft verfliegt dieser Ton; dann recht tiefer, tabakiger Duft
Auch am Gaumen tief, noch recht verschlossen, aber klares Potential. Wirklich guter Wein, deutlich besser als die beiden Vorgänger.
86-88+, 2018-2025



2007 Peyrani Barbera d'Alba Bric Ravizza
Tiefdunkles Rot, am Rand noch violett schimmernd
Sehr intensive Nase, Kirsche und Pflaume mit leichter Tendenz zur Überreife
Viel Druck am Gaumen, eher an Pflaume erinnernde Frucht, leicht marmeladig, lang und nachhaltig, ganz leichte Bitternote im Abgang.
86-88, bis 2020

2007 Peyrani Barbera d'Alba Bric Piovà
Ebenfalls sehr dunles Rot, aber im Kern nicht ganz so dunkel wie der Bric Ravizza
In der Nase sehr intensiv, viel Kirsche, etwas Kokos
Entwickelt am Gaumen viel Druck, voluminös, Herzkirschen, noch deutlich spürbares Tannin, lang.
Hervorragender Barbera, der locker noch Potential für mindestens fünf Jahre hat. Gefällt mir besser als der Bric Ravizza und dürfte auch etwas langlebiger sein.
89-91, bis 2021+

2010 Peyrani Freisa d'Asti
Recht dunkles Rot
Sehr schöne Nase, intensiv rotfruchtig, Johannisbeere, etwas Pfeffer
Auch am Gaumen schöne, saubere Frucht, etwas Gerbstoff-Grip.
Nicht sonderlich komplex und lang, aber mit gutem Trinkfluß. Macht Spaß.
86-88, bis 2018+


Mittwoch, 12. Oktober 2016

Zeitreise

Das ist auch wieder so eine letzte Flasche, um die ich ewig lang herumgeschlichen bin und mich nicht dazu durchringen konnte, sie zu öffnen. Gekauft bei meinem ersten Besuch auf dem Weingut 1994. Das war seinerzeit dort trotz des wunderbaren Ambientes immer eine etwas unentspannte und steife Angelegenheit - die Dame, die die Kunden bediente (ich bin mir nicht sicher, ob das Wort "dienen" hier paßt...), bewachte die Weine mehr, als dass sie sie anbot. Aber die Weine waren halt sehr, sehr gut, und so kam man dann doch immer wieder. Einiges an Süßweinen aus den Jahren 1992 bis 2001 befindet sich noch im Keller. Heute, viele Jahre nach der vorletzten Flasche, nun also die letzte Flasche der 92er Auslese aus der Mußbacher Eselshaut.







1992 Müller-Catoir Mußbacher Eselshaut Riesling Auslese
Rotgoldene bis bräunliche Farbe
In der Nase immer noch recht ausgeprägte Frucht, Aprikose, Trockenfrüchte, nussige Noten
Am Gaumen nach wie vor ausgeprägte Süße, wieder Aprikosen und Trockenfrüchte. Leider ist aber auch der recht hohe Alkohol (11,5%) jetzt spürbar und verleiht dem Wein eine nicht ganz harmonische Bitternote. Ich würde ihn daher auch nicht weiter lagern (wenn ich denn noch welchen hätte).
Fairerweise sollte ich erwähnen, dass das in seiner besten Trinkphase eine ganz großartige Auslese war, die ohne weiteres 92-94 Punkte "wert" war. In einer alten Notiz, die ich noch gefunden habe, notierte ich "bis 2010", und das wäre wohl auch besser gewesen.

86-88 austrinken

Sonntag, 25. September 2016

Two Shades of Grey

Heute ist Grauburgunder-Tag. Zuerst gab es den 2013er Grauburgunder SL*** von Alexander Laible. Seine Grauburgunder kenne ich seit seinem ersten Jahrgang, 2007. Damals gab es ein Probierpaket mit dreien seiner Weine von der Zeitschrift "Essen & Trinken", und die haben uns "angefixt". Die Weine sind sehr schön, mit gutem Trinkfluß und ein paar Gramm Restzucker. Man kann ihnen Gefälligkeit vorwerfen, aber ein Wein ist ja nicht deshalb schlecht, weil er vielen schmeckt.
Der zweite Wein ist von Dönnhoff. Dort gibt es jedes Jahr zwei reinsortige Grauburgunder (den "normalen" und den in neuem Holz ausgebauten "S") und eine Cuvée aus Grau- und Weißburgunder.


2013 Dönnhoff Grauburgunder
Mittleres Gelb mit Goldschimmer
In der Nase recht ausgeprägt, Melone, rauchig, Stachelbeere, nussige Noten
Am Gaumen eher schlank wirkend, schöner Schmelz, gute Länge
86-88, bis 2018

2013 Alexander Laible Grauburgunder SL***
Goldgelb
Auch hier recht ausgeprägte Nase, zunächst etwas Zitrus, dann reife Gelbfrüchte, etwas Banane
Recht voluminös, süßlicher Schmelz, reif wirkend.
Sollte m.E. im Laufe des nächsten Jahres getrunken werden. 
83-85, bis 2017

Fazit: Mir gefällt der Grauburgunder von Dönnhoff besser. Der Wein ist etwas schlanker (hat aber trotzdem schönen Schmelz) und differenzierter. Der Wein von Laible ist schon eher eine Wuchtbrumme, dürfte mit seiner schmelzigen Art aber auch viele Anhänger haben.

Sonntag, 18. September 2016

Ausflug in die Pfalz

Eine sehr angenehme Möglichkeit, sich einen Überblick über den Jahrgang 2015 in der Pfalz zu verschaffen, ist ein Ausflug nach Deidesheim. Also habe ich mich an einem schönen Septembertag in den Zug gesetzt.

Winzerverein Deiodesheim 

Meine erste Station war der Deidesheimer Winzerverein. Dafür gab es zwei Gründe. Erstens läuft man auf dem Weg vom Bahnhof zu von Winning ohnehin daran vorbei, und zweitens wurden in letzter Zeit die Editions-Rieslinge des Winzervereins mehrfach im Falstaff sehr gut bewertet (wobei gute Bewertungen im Falstaff allerdings nicht viel heißen müssen). Diese Editionsweine (alle 2015) habe ich dann auch probiert.

Grainhübel
Schöne Pfirsischfrucht und kräutrige Noten in der Nase
Am Gaumen zurückhaltende Säure, wenig spannend.
83-85

Kieselberg
In der Nase dezent, Zitrus, Stachelbeeren
Schöne Frucht, ausgeprägte aber reife Säure, eher kühle Stilistik
86-88

Paradiesgarten
In der Nase etwas opulenter und reifer wirkend, Pfirsisch
In der Säure zurückhaltender als der Kieselberg.
83-85+

Fazit: Der beste Wein war für mich der Kieselberg. Der kann mit den Weinen der beiden "Renommiergüter" mithalten. Mit € 9,50 hat er ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.


Von Winning 

Danach ging es zum ersten "eigentlichen" Ziel des Ausflugs. Leider habe ich den Zettel mit meinen Notizen verlegt. Ich habe drei der Erste-Lage-Rieslinge und zwei GGs probiert. Bei den Erste-Lage-Rieslingen hatte die Mäushöhle eine recht deutliche Holznote. Den Reiterpfad (€ 16,00) mit seiner präzisen Frucht und den Ölberg (€ 19,00) fand ich hervorragend (beide 89-91+ und jeweils 6 Flaschen eingekellert). Die beiden GGs (Grainhübel und Ungeheuer) fand ich gut, aber nicht dramatisch viel besser als die Erste-Lage-Rieslinge.

Nach dem Besuch im Weingut ging es dann zu einem späten und eher rustikalen Lunch ins "Leopold", ehe dann das Weingut Reichsrat von Buhl den Schlußpunkt bildete.





Reichsrat von Buhl

Deidesheimer (Ortswein)
In der Nase zurückhaltend, Pfirsisch
Sehr trocken, schöne Frucht
86-88

Forster (Ortswein)
In der Nase kräutrig-mineralisch
Auch am Gaumen kräutrig, kühl, schön
86-88+

Forster Musenhang
Mineralische Nase, Limette
Kompromißlos trocken, mineralisch, Säure
89-91

Deidesheimer Mäushöhle
In der Nase "kühl", Zitrus, Pfirsisch
Am Gaumen sehr trocken, schöne Frucht
89-91

Riesling "Suez"
Schöne gelbfruchtige Nase, Aprikose, Pfirsisch
Auch am Gaumen gelbfruchtig, etwas weniger kompromißlos als die anderen Weine - das ist hier so etwas wie der Crowd Pleaser
86-88+

Deidesheimer Leinhöhle
Die junge Dame, die (sehr freundlich und kompetent übrigens) durch die Probe geführt hat, merkte freimütig an, dieser Wein sei tendenziell zu spät und damit überreif gelesen worden und dann in neuem Holz ausgebaut worden. Er hat mit 13,5% auch deutlich mehr Alkohol als die anderen Weine
In der Nase expressiv, spürbares Holz
Am Gaumen cremig, auch hier spürbares Holz. Mir ist nicht ganz klar, wie sich das entwickeln wird.
86-88+

2014 Freundstück GG
Extrem verschlossen, aber sehr klar und präzise wirkend
89-91?

2015 Ungeheuer GG
In der Nase verschlossen, angedeutete Intensität
Am Gaumen intensiv, etwas Holz, Potential
89-91+

2015 Jesuitengarten GG
In der Nase "kühl" wirkend, Stachelbeeren, Limette
Sehr ausgewogen, in sich ruhend.
92-94

2015 Kieselberg GG
Sehr schöne Nase, reife Gelbfrüchte, sehr sauber, dezente Holznote
Transparent wirkend, schöne Frucht, wieder dezentes Holz.
92-94

Fazit: Hier werden keine Gefangenen gemacht. Die Weine sind kompromißlos trocken. Der Holzeinsatz ist (mit Ausnahme der Leinhöhle und des Ungeheuers) dezent. Aus der insgesamt sehr guten Kollektion herausheben möchte ich den Forster Ortsriesling (€ 11,90) und die Erste Lage Mäushöhle (€ 16,00). Beides sind tolle Weine mit einem hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis (und beide bereichern mittlerweile auch unseren Keller). Der von Stephan Reinhardt überschwenglich gelobte ("This is a monument of dry Pfalz Riesling", 96-98 Punkte) Pechstein ist leider ausverkauft und war auch nicht zu probieren.

Mittwoch, 14. September 2016

Alles Müller oder was?



Heute ist Müller-Thurgau-Tag. Von dem Rivaner pur von Stefan Steinmetz (Weingut Günther Steinmaetz) habe ich aus Neugier drei Flaschen gekauft, die vor ein paar Tagen kamen. Der Muschelkalk von Enderle & Moll ist mein Rekordeinkauf. Ich habe noch nie so viel von einem Wein gekauft. Ok, wenn man genau nachzählt, waren es nur sechs Flaschen. Aber es gab nur 200 Flaschen, also habe ich drei Prozent der Ernte gekauft :-)



2014 Günther Steinmetz Rivaner pur
Recht helles Gelb
In der Nase recht ausgeprägte Schiefermineralik, Sponti-Noten, gelbe Früchte
Am Gaumen sehr lebhaft, trotz des niedrigen Alkohols (11%) mit schönem Schmelz und erfrischender Säure, guter Trinkfluß. Macht bei dem heißen Wetter heute Spaß.
83-85, bis 2018

2013 Enderle & Moll Müller-Thurgau Muschelkalk
Goldgelb
Wirkt in der Nase "abgeklärt", Kräuter, Quitte, dezent zitrusfruchtig, vermutlich mit längerem Maischekontakt vergoren.
Am Gaumen recht voluminös, spürbares Tannin, schöner Schmelz.
83-85, bis 2020

Fazit: Zwei interessante und schöne "Müller", die beide weitab vom Mainstream dieser Rebsorte angesiedelt sind. Der "Rivaner pur" ist der unkompliziertere Wein, sehr trinkig und terrassengeeignet. Der Muschelkalk ist komplexer und komplizierter und kein Easy-Drinking-Wein, aber er macht auch nicht so unmittelbar Spaß wie der "pur".

Freitag, 9. September 2016

Steinrieg(e)l


Heute ging es zwei Neuankömmlingen an den Korken. Seit einer großartigen Probe mit 2010er Smaragden haben es mir die Weine von Prager angetan. Daher habe ich ein paar Flaschen 2015er von meinen Favoriten (Grüner Veltliner Stockkultur Achleiten und Riesling Wachstum Bodenstein) eingekellert. Und bei der Gelegenheit habe ich probehalber auch das Riesling Federspiel Steinriegl gekauft. Und "zufällig" kam kürzlich auch ein Riesling Steinriegel vom Weingut Potzinger aus der Steiermark hier an, den ich aus Neugier mitbestellt hatte. Riesling aus der Steiermark hatte ich nämlich noch nicht. Und was lag nun näher, als eine kleine Steinrieg(e)l-Probe zu machen? 


2015 Prager Riesling Steinriegl Federspiel
Mittleres Gelb
In der Nase ausgeprägt gelbfruchtig, Aprikose, Mirabellen, mit Luft nuancierter.
Auch am Gaumen gelbfruchtig, wieder Aprikose, passende Säure, noch verschlossen, Potential.
86-88+, 2017-2020

2015 Potzinger Riesling Steinriegel
Ebenfalls mittleres Gelb
In der Nase noch etwas ausgeprägter als der Prager; etwas Pfirsisch, Kräuter, aber auch eigentlich Sauvignon-typische Noten wie Johannisbeerblätter.
Am Gaumen exotische Frucht, wieder Johannisbeerblätter, leicht herbe Note, ordentliche Länge.
Das ist ein durchaus schöner Wein, aber ich hätte blind ziemlich sicher auf Sauvignon getippt. Ich habe extra nochmal auf die Flasche geschaut - es steht Riesling drauf.
86-88, -2020

Fazit: Der Steinriegl von Prager ist ein schöner, klassischer Riesling, der schon Spaß macht, aber von ein paar Monaten Flaschenreife profitieren dürfte. Den Fast-Namensvetter aus der Steiermark finde ich zwar durchaus gut, aber nicht rieslingtypisch. Mich würde wirklich interessieren, ob erfahrenere Verkoster als ich das blind als Riesling identifizieren würden.

Freitag, 19. August 2016

Kleine Reise durch den Rheingau

Das Weingut Balthasar Ress bot kürzlich zu einem sehr fairen Preis ein Set mit vier 2015er Ortsweinen des Gutes an. Vier Rieslinge aus Rüdesheim, Oestrich, Hallgarten und Hattenheim, also quasi einmal quer durch den Rheingau. Da in dem Weingut einiges in Bewegung gekommen ist, seitdem Dirk Würtz dort als Betriebsleiter tätig ist, war ich neugierig und habe mir ein solches Set bestellt.


2015 Rüdesheim Riesling trocken
In der Nase eher zurückhaltender, aber delikater Duft nach gelben Früchten
Am Gaumen dann eher Zitrusfrüchte, lebhafte Säure, mineralischer Touch.
83-85+

2015 Oestrich Riesling trocken
In der Nase etwas intensiver, Zitrus und auch eine nussige Komponente
Wirkt am Gaumen voluminöser, die Frucht tendiert etwas zum Exotischen und hat einen leicht medizinalen (was nicht negativ gemeint ist) Ton
83-85

2015 Hallgarten Riesling feinherb
In der Nase verhalten, deutlich mineralische Prägung, gelbfruchtig
Am Gaumen sehr nachhaltig mit nur sehr dezenter Restsüße; der Wein könnte fast als trocken durchgehen. Wirkt ernsthaft.
Trinkt sich zwar schon gut, dürfte aber in ein bis zwei Jahren mehr zeigen. 
86-88, ab 2017

2015 Hattenheim Riesling feinherb
Helles Gelb mit deutlichem Grünschimmer
In der Nase Zitrus, Steinobst
Am Gaumen eher "warm" wirkende Frucht, sehr saftig und trinkig. Die Restsüße ist hier wesentlich ausgeprägter als beim Hallgartener Riesling; der Wein wirkt eher fruchtsüß als feinherb und kommt auch mit nur 9% Alkohol daher (der Hallgartener hat 12%). Die Süße wird aber von einer kräftigen Säure gepuffert. Macht Spaß.
83-85+

Fazit: Die beiden trockenen Rieslinge sind ordentlich und ihr Geld wert, regen mich aber nicht zum Nachkauf an. Die beiden feinherben Weine gefallen mir besser. Der Hattenheimer macht mit seinem schönen Süße-Säure-Spiel jetzt viel Spaß. Der Hallgartener ist nach meiner Einschätzung aber der eindeutig bessere Wein (und für mich der beste der vier), dürfte aber von 1-2 Jahren Kellerreife profitieren.

Freitag, 5. August 2016

Die sehr erträgliche Leichtigkeit des Weins

Mit dem 2015er Kabinett aus der Wehlener Sonnenuhr hat das Weingut Max Ferd. Richter einen Volltreffer gelandet - der Wein gewann den Berliner Kabinett-Cup. Unsere sechs Flaschen liegen noch unberührt im Keller. Ich habe mich erstmal über den Kabinett "Fass 4" aus der Brauneberger Juffer hergemacht. Mit 76° Oechsle hat der Wein gerade mal die Kabinett-Hürde (die liegt bei 73°) genommen. Ist das also dünne Brühe? Nichts da! Das ist ein Klassiker.



2015 Max Ferd. Richter Brauneberger Juffer Riesling Kabinett "Fass 4" 
Duftet nach Kräutern, Limette und Stachelbeeren.
Am Gaumen dann auch gelbe Früchte. Die 45g Zucker werden von fast 10 g Säure so gut in Schach gehalten, dass ein eher feinherber Geschmackseindruck entsteht. Enormer Trinkfluß.
Das macht richtig viel Spaß und hat nur 7% Alkohol. Der Wein kann bestimmt mindestens 10 Jahre lagern, aber er wird es schwer haben, im Keller so alt zu werden...
89-91 bis 2025+


Sonntag, 24. Juli 2016

Silvanerprobe

Am vergangenen Wochenende stand eine Silvanerprobe auf dem Programm. Zum ersten Mal in zwanzig Jahren haben wir einen ganzen Abend ausschließlich dieser Sorte gewidmet (und es nicht bereut). Schwerpunkt war der Jahrgang 2014 und mit einer Ausnahme stammten alle Weine aus Franken. Am Probenabend selbst habe ich mir nicht zu allen Weinen Notizen gemacht, aber am nächsten Tag habe ich alle Weine (bis auf einen) in Ruhe nachverkosten können.




2013 Horst Sauer Silvaner Sekt brut
Kräftige, zitronengelbe Farbe
In der Nase ausgeprägter Sortentyp, Birne
Das setzt sich am Gaumen fort: typisch erdige Noten, feine Perlage, schön.
87

2014 Gunderloch Silvaner x.t.
In der Nase deutlich mineralisch geprägt - das hätte ich nicht unbedingt als Silvaner identifiziert.
Am Gaumen recht voluminös, etwas Schmelz, erdig-mineralisch, aber wenig Frucht, recht lang.
Das ist schon ein erkennbar guter Werin, aber so richtig viel Spaß macht er mir nicht. 
85

2014 May Retzstadter Langenberg
In der Nase ausgeprägter Sortentyp, vor allem Birne, etwas Melone
Am Gaumen recht kraftvoll, herb-erdig, mittlere Länge.
86

2014 Wirsching Iphöfer Kalb
In der Nase vergleichsweise zurückhaltender Duft. 
Auch am Gaumen eher zurückhaltend, aber mit feiner Frucht. Hat etwas fast florales, leicht cremige Textur, schöne Nachhaltigkeit. Wirkt im Verglcih zu dem Retzstadter fast zart, gefällt mir aber in seiner zurückhaltend-delikaten Art besser.
88

2014 Juliusspital Iphöfer Kronsberg
Schöne Nase mit Noten von Birne und Melone
Am Gaumen recht kraftvoll, cremige Textur und durchaus spürbarer Alkohol (13,5%). Mir gefällt die etwas leichtere Art des Wirsching-Weins aber besser.
87

2014 Bürgerspital Würzburger Stein
In der Nase herb-erdig, Birne,
Am Gaumen recht kräftig, auch hier wieder Noten von Birnen, recht lebhaft.
87

2014 Juliusspital Würzburger Stein
In der Nase Birne, wirkt aber etwas weniger ausdifferenziert als der Wein vom Bürgerspital
Kraftvoll, erdig, aber auch hier wieder ein klein wenig undifferenziert.
86

2014 May Thüngersheimer Johannisberg Rothlauf GG
Die Nase wirkt noch recht verschlossen, aber es deutet sich bereits eine schöne, tiefe Frucht an. Das braucht aber noch Zeit. 
Auch am Gaumen noch verschlossen, etwas Gerbstoff,
Viel Potential, aber der Wein braucht definitiv noch Zeit.
90+, ab 2018

2014 Horst Sauer Escherndorfer am Lumpen GG
In der Nase weiter geöffnet als der Rothlauf. Sehr schöne, mineralisch unterlegte Frucht, Birne, tabakige Noten, Maracuja.
Am Gaumen schöne, schon recht offen wirkende Fraucht; neben Birne auch hier wieder exotische Noten (Maracuja). Machr viel Spaß, aber ich bin mir nicht sicher, ob das ein Langstreckenläufer wird.
91-92

2009 Wirsching Iphöfer Julius-Echter-Berg GG
Reifes Goldgelb
Entwickelte Frucht, reife Birne, Banane, etwas Honig.
Voluminös, extraktsüß, lang und mit durchaus spürbarem Alkohol im Abgang.
Eher (und wohl auch jahrgangsbedingt) auf der opulenteren Seite. Sollte bald getrunken werden. 
90

2014 Juliusspital Würzburger Stein Auslese
In der Nase jung wirkend, feine Beerennote, exotische Frucht.
Am Gaumen süße Attacke, kandierte Früchte, exotisch, passende Säure.
Schöner Süßwein mit Lagerpotential.
91

2006 Horst Sauer Eschernodorfer Lump Auslese
Die Flasche wurde als einzige am ersten Tag leer, so daß für die Nachprobe am zweiten Tag nichts mehr zur Verfügung stand. Aber das ist natürlich auch eine Botschaft.

Fazit: Eine schöne Probe, die Spaß gemacht hat. Von den Weinen der Erste-Lage-Kategorie hat mir der Iphöfer von Wirsching am besten gefallen. Das GG von Horst Sauer macht jetzt schon viel Spaß - damit kann man sehr gut die Wartezeit auf den Rothlauf überbrücken. Und: Silvaner kann auch Sekt und edelsüß.

Freitag, 1. Juli 2016

Wieder ein Weißer Fleck weniger...

 ... auf der Landkarte.
Heute haben ich meinen ersten Wein aus Bosnien-Herzegowina getrunken. Die Rebsorte, Vranac, ist im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens offenbar recht verbreitet. Ich habe allerdings noch nie bewußt einen Wein aus dieser Sorte getrunken. Mangels Sprachkenntnissen kann ich dem Etikett keine weiteren Details entnehmen.


 



Mittleres, noch jugendlich wirkendes Rot mit rosa Reflexen am Rand.
Nase von mittlerer Intensität mit kräutrigen, aber auch grün-vegetabilen und säuerlichen Noten. Das wird auch mit mehr Luft nicht besser, eher im Gegenteil.
Am Gaumen mittelgewichtig, hat auch hier neben einer dezenten Frucht wieder etwas grün-vegetabiles. Mittlere Länge.
80-82, bis 2018


Sonntag, 29. Mai 2016

Dönnhoff & Friends


Am vergangenen Freitag war es wieder so weit - Jahrgangspräsentation beim Weingut Dönnhoff. Und wie immer mit dabei die befreundeten Weingüter Dr. Heger und Künstler. Zu verkosten gab es den mit viel Vorschußlorbeeren versehenen Jahrgang 2015. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Begonnen habe ich mit den Burgundersorten. Der Weißburgunder mit klarer und präziser Frucht, Orangennoten (86-88). Auf gleichem Niveau der vergleichsweise kraftvolle und ebenfalls präzise Grauburgunder (86-88). Noch ein Stückchen besser dann der Weißburgunder/Chardonnay "Stückfaß" mit sehr schöner, an eine Frühlingswiese erinnernder Nase, wieder Orangennoten und schönem Schmelz. Der macht wirklich Spaß (89-91). Fast ebenbürtig der Weiß/Grauburgunder "Doppelstück" mit recht ausgeprägter Nase, schöner Frucht und feinem Säurespiel (86-88+). Den Abschluß machte dann die S-Klasse. Mit ausgeprägter Nase, wieder an Orangen erinnernder Aromatik, schöner Frucht und guter Länge der Weißburgunder S (89-91). Den Grauburgunder S mit dezenter Holznote und balancierender Säure sah ich einen Wimpernschlag dahinter (86-88+). 

Als nächstes ging es mit den trockenen Rieslingen weiter. Schon der Gutsriesling ist sehr schön, mit Pfirsischnoten in der recht ausgeprägten Nase, schöner Frucht und lebhafter Säure (86-88). Der "Tonschiefer" wirkt etwas "ernsthafter" mit Pfirsisch und Kräutern in der Nase und schöner Frucht und feingliedriger Art am Gaumen (86-88+). Der Kahlenberg setzte da dann nochmal eins drauf. Schöne Nase, Kirschblüten (?, vielleicht bilde ich mir das nur ein) und Pfirsisch. Am Gaumen dann üppige Pfirsischfrucht, reife Säure, schön (89-91). So gut wie dieses Jahr hat mir der Kahlenberg bei der Jahrgangspräsentation noch nie gefallen. Das gleiche gilt für den Höllenpfad. Das ist klar GG-Qualität. In der Nase vergleichsweise zurückhaltend mit Zitrus-Pfirsischduft. Am Gaumen dann würzige, fast pfeffrige Frucht, wieder Pfirsisch (92-94). 

Mit der Bewertung der großen Gewächse tue ich mich etwas schwer, da sie noch deutlich zurückhaltender sind und in diesem Stadium verschlossener wirken als in den Vorjahren. Der Felsenberg rauchig-mineralisch, das Dellchen etwas üppiger (beide 92-94) und die Hermannshöhle sehr mineralisch, tief und mit gelbfruchtiger Aromatik (92-94+). Zum ersten Mal gab es ein Großes Gewächs aus der Brücke, das allerdings nur in der Versteigerung angeboten werden wird. In der Nase leise, eher auf der kräutrigen Seite (92-94).  
Vorne die Oberhäuser Brücke, dahinter die Oberhäuser Brücke :-)
Weiter ging es mit den fruchtsüßen Weinen. Gelbfruchtig mit dezenter Süße der leichtverständliche Riesling feinherb (83-85). Den Krötenpfuhl Kabinett zeichnet eine pikante Pfirsischfrucht aus (86-88). Im Vorjahr hatte mir der Krötenpfuhl sogar besser gefallen als der Leistenberg. Das war dieses Jahr wieder anders. Der Leistenberg ist durch eine schöne Pfirsischfrucht und reife Säure gekennzeichnet (86-88+). Das dürfte ein Klassiker werden. 

Die Spätlesen waren teilweise noch etwas von der Süße dominiert. Die Säure ist vorhanden, die Komponenten müssen aber noch zueinander finden. Das Potential ist aber eindeutig vorhanden. Die Kirschheck Spätlese zeichnet sich durch eine feine, fast floral anmutende Nase aus (89-91). Die Spätlese aus der Brücke ist aromatisch recht ähnlich, ist aber etwas nachhaltiger. Die Felsenberg Spätlese hat eine rauchig-mineralische Aromatik und eine schöne, pikante Note (89-91). Nachdem ich beide zweimal verkostet habe, habe ich dem Felsenberg den Vorzug gegeben - man kann ja schließlich nicht alle Weine kaufen. Primus inter pares bei den Spätlesen die Hermannshöhle. Vielschichtige, ausgeprägte und tiefe Nase mit floralen und gelbfruchtigen Aromen. Am Gaumen sehr saftig wirkend mit gut gepufferter Süße und sehr lang (92-94). Die gehört in jeden Keller. 

Den Abschluß bildeten zwei Auslesen mit durchaus unterschiedlichem Charakter. Pikant, intrensiv und mit tollem Säurespiel die Brücke Auslese (92-94). Auf gleichem Niveau, aber von zurückhaltenderer, eleganterer und filigranerer Art die Hermannshöhle (92-94).




Bei Dr. Heger habe ich dann noch zwei Weine probiert, den 2014er Chardonnay vom Winklerberg (schöne Frucht, dezente Holzwürze, 86-88) und einen trockenen Muskateller, ebenfalls vom Winklerberg (intensiver Muskatduft, am Gaumen mit schöner Frucht, die mich in ihrer etwas parfumierten Art durchaus etwas an Gewürztraminer erinnert, 86-88+). Den Abschluß bildeten zwei 2015er Rieslinge von Künstler. Der trockene Kabinett aus der Hölle hatte eine schöne, würzige Frucht in der Nase. Am Gaumen pikant, etwas in die Breite gehend (83-85+). Der Stielweg Alte Reben mit ausdrucksvoller Nase, etwas (nicht unangenehm) medizinal wirkend und am Gaumen ebenfalls pikant mit einer Tendenz zur Breite (86-88). 

Insgesamt wie immer eine gelungene Veranstaltung mit tollen Weinen und einer angenehmen, entspannten Atmosphäre.


Dienstag, 24. Mai 2016

InterNett

Geschichten, die das Internet schreibt. Kürzlich beschrieb jemand (und lobte) bei Facebook einen bestimmten Wein (den Herzschlag, s.u.). Er wusste aber nicht, was für eine Rebsorte das ist und fragte deshalb die Community. Auftritt der Winzer. Er stellt das klar (Cabernet Sauvignon). Es schloß sich eine Unterhaltung darüber an, wo der Wein erhältlich ist (eigentlich gar nicht, aber ein paar Flaschen gebe es noch im Weingut). Na gut, dachte ich mir, bestell mal drei Flaschen. Und da in einen Karton nun mal sechs Flaschen passen, habe ich dem Weingut freie Hand gelassen, drei weitere Flaschen hineinzupacken.


2014 Herzschlag (Cabernet Sauvignon)
Sehr dunkles Rot mit leichtem Violettschimmer am Rand.
In der Nase recht ausgeprägt, geröstete Paprika, etwas Cassis.
Am Gaumen recht voluminös, weich wirkend, dunkle Früchte, wieder etwas Cassis. Trinkt sich sehr gut und unkompliziert - ein bischen Everybody's Darling.
Wirkt jetzt schon sehr rund. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Langstreckenläufer ist und würde den Wein daher eher jung trinken.
86-88, bis 2018

2015 Sauvignon blanc
Recht helles Gelb
In der Nase ausgeprägter Sortentyp, frisch, Johannisbeere, Holunderblätter, leicht grasig
Das setzt sich am Gaumen fort: Intensive Sauvignon-Frucht, frisch, macht Lust auf den nächsten Schluck.
83-85

2015 Nettswerk Chardonnay
Recht kräftiges Gelb
In der Nase recht ausgeprägt, würzig, Birne, spürbare Holznote.
Auch am Gaumen würzig, Schmelz, spürbare, aber gut eingebundene und unaufdringliche Holznote, gute Länge. Dürfte ein sehr guter Essensbegleiter sein.
86-88, bis 2018+

2015 Avantgarde Grauburgunder "Hansen"
Goldgelb.
In der Nase deutliche Holzprägung, etwas Vanille, nussig, Melone
Auch am Gaumen noch vom Holz dominiert, süßlich wirkender Schmelz, sehr nachhhaltig, generös, wirkt aber (trotz seiner 14%) nicht alkoholisch.
Dem Wein sollte man noch etwas Zeit geben um sein Potential zu zeigen.
86-88+, 2017-2020+

Freitag, 6. Mai 2016

Hinterm Horizont geht's weiter

Alvarinho (oder Spanisch Albarino) ist eine Rebsorte, die sich eher am Rand meines Horizonts bewegt. Ab und an kommt mir einer ins Glas. Im großen und ganzen habe ich die Weine als frisch, gut trinkbar, aber nicht denkwürdig in Erinnerung (wobei ich fairerweise eine Ausnahme erwähnen sollte - der 2013er Palacio de Brejoeira war im Mai 2015 richtig gut, ich gab ihm 89-91 Punkte und hätte wohl 6 Flaschen bestellt, wenn ich gewußt hätte, wo man den Wein in Deutschland bekommt).

Verleitet (verführt?) durch eine Anzeige und den Hinweis auf 94 Punkte im Wine Advovat habe ich mir nun kürzlich drei Flaschen 2015er Soalheiro bestellt. Damit bewege ich mich aber, wie eingangs erwähnt, noch innerhalb meines Horizonts. Da sich aber erstens drei Flaschen in einem Karton einsam fühlen und zweitens 75 Euro für eine kostenfreie Lieferung erforderlich waren, habe ich ein wenig im Shop gestöbert. Und fand einen restsüßen Alvarinho, mit 9% Alkohol wohl so ähnlich ausgebaut wie ein deutscher restsüßer Kabinett. Das hatte ich noch nicht (und wußte auch nicht, dass es das gibt). Also mußten auch davon drei Flaschen in die Kiste. Und heute war dann die Stunde der Wahrheit:



2015 Soalheiro Alvarinho Vinho Verde - Moncao e Melgaco
Helles bis mitteleres Gelb mit leichtem Grünschimmer
In der Nase von mittlerer Intensität, vegetabile Noten, Melone, gewisse Komplexität
Am Gaumen recht kraftvoll, leicht nussig, frisch und mit gewisser Länge. Dürfte noch einiges Entwicklungspotential haben.
Das ist - vor allem auch angesichts des Preises (10,80€) ein sehr schöner Wein. 94 Punkte kann ich aber weit und breit nicht sehen.
86-88+

2014 Soalheiro "alc. 9%" Alvarinho Docil Vinho Regional Minho
Mittleres Gelb.
In der Nase springt einen zunächst etwas Grasig-Grünes an, dass an so manchen Sauvignon erinnert. Später setzen sich dann fruchtige Noten (Stachelbeeren?) durch, die aber auch eher "grün" wirken.
Wirkt am Gaumen dann etwas eindimensional. Der Restzucker erinnert an deutschen Kabinett. Zwar wirkt die Süße, da von genügend Säure gepuffert, nicht aufdringlich, doch fehlt die für einen guten Kabinett charakteristische Intensität.
83-85

Donnerstag, 28. April 2016

Ten Years Make A Difference

"Eigentlich" wollten wir nur einen guten Rotwein zum Essen trinken. Unsere Wahl fiel auf Alejandro Fernandez 2004er Tinto Pesquera. Der gefiel dann aber so gut (und die Flasche war so schnell leer), dass noch eine weitere Flasche ihren Korken lassen mußte. Diesmal fiel die Wahl auf den 10 Jahre älteren 1994er. Das ist der Jahrgang, mit dem ich Pesquera zum ersten Mal richtig wahrgenommen hatte.




2004 Pesquera
Sehr dunkles, fast schwarzes Rot, am Rand schon ganz leicht bräunlich.
In der Nase intensiv, dunkelfruchtig, Gewürzbasar.
Kraftvoll mit viel dunklen Früchten, wärmender Alkohol, ohne erkennbare Reifenoten. Jetzt in bester Trinkreife.
89-91, bis 2020+

1994 Pesquera
Reife, am Rand orange-bräunliche Farbe.
Tolle, vielschichtige Nase, Fleisch, balsamische Noten, Sandelholz, Kirsche.
In sich ruhend, das Tannin abgeschmolzen, präsente Kirschfrucht, nachhaltig. Der macht anfangs noch richtig Spaß. Mit mehr Luft wirkt er aber dann dooch etwas gezehrt und am Gaumen macht sich ein ganz leicht moussierender Eindruck breit. Sollte wohl daher jetzt bald getrunken werden.
89-91, austrinken. 

Fazit: Zwei tolle Rotweine mit hervorragendem Preis-Leistungsverhältnis. Ich würde gerne den 2004er jetzt mit dem 1994er vor 10 Jahren vergleichen, aber dazu bräuchte ich wohl einen Fluxkompensator.

Samstag, 2. April 2016

Wie die Jungfrau zum Kinde...

... bin ich zu diesem Wein gekommen.

Bei Facebook war (in der Gruppe "Hauptsache Wein") jemand auf der Suche nach einer ganz bestimmten Flasche für eine Probe (2010 Kallstadter Saumagen Riesling Kabinett trocken von Köhler-Ruprecht, um genau zu sein). Da wir davon zufällig drei Flaschen hatten, habe ich angeboten, eine zur Verfügung zu stellen. Wir haben uns (weil es bis zum nächsten Weinwichteln noch so lange dauert...)  darauf verständigt, dass ich im Gegenzug eine Überraschungsflasche bekomme. And here we go.



Die Überraschung ist mal gelungen. Ich kannte noch nicht einmal das Anbaugebiert (Conca de Barberà, westlich von Barcelona wie ich mir dann später ergugelt habe), geschweige denn den Wein. Und schon durch die grüne Flasche hindurch war zu erkennen, dass der Wein nicht weiß war, sondern eher rosé. Oder orange. Es versprach also, spannend zu werden. Um meine Ahnungslosigkeit nicht trüben zu lassen habe ich beschlossen, den Wein zu probieren, ohne vorher irgend etwas darüber in Erfahrung zu bringen.



2011 Joan Ramon Escoda "Els Bassots", Conca de Barberà DO
Kräftiges, nicht ganz klares Orange
In der Nase recht ausgeprägt, schwer zu dechiffrieren: hefe-geprägt, Banane?, mit mehr Luft auch Apfel
Am Gaumen viel Tannin, sehr herb wirkend, mit kräutriger Würze, nachhaltig und lang. 
Hinterläßt mich etwas ratlos. Auf der einen Seite ist das ein erkennbar guter Wein, aber auf der anderen Seite macht er mir erkennbar keinen Spaß. Es ist interessant, derlei ab und an zu trinken, aber kaufen würde ich mir das sicher nicht. 
Wie sich das weiter entwickelt, kann ich nicht einschätzen. Daher ist meine Bewertung mit noch mehr Vorsicht zu geniessen als sonst. 
83-85?, bis 2018+ 

Anschließend habe ich dann natürlich doch gegugelt. Der Wein ist in der Tat auf der Maische vergoren und dadurch orange. Die Rebsorte (Chenin Blanc) hätte ich im Leben nicht erraten. Der Wein wurde vier Monate in französischer Eiche ausgebaut. Der Wine Advocat (Luis Guitierrez) ist wohl weniger konservativ als ich und vergab 2014 91 Punkte.

Freitag, 25. März 2016

Weinzwonull - Ein spannendes Projekt mit traurigem Ende (Weinrallye #96 - Projektweine)



Das ist die Geschickte eines spannenden Projekts mit leider traurigem Ende. Aber der Reihe nach. Im Jahr 2010 wollte die Zeitschrift Vinum zusammen mit der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft einen "Wein 2.0" kreieren. Bei diesem "interaktiven" Wein sollten zentrale Entscheidungen während der Wachstums- und Ausbauphase per Abstimmung getroffen werden. Als Projektpartner wurde der Deutzerhof an der Ahr gewonnen, vertreten durch Johann und Wolfgang Hehle. Die Reben für den Wein 2.0 waren Spätburgunderreben im Mayschosser Mönchberg. Jeder, der mitmachen wollte, konnte sich registrieren und mußte sich verpflichten, später 3-12 Flaschen des so entstehenden Weins zu 20 Euro pro Flasche abzunehmen. Klar, daß ich dabei mitmachen mußte. Der ursprüngliche Teilnahmeaufruf findet sich immer noch hier:

http://www.vinum.info/probieren/wein2_0_einstieg.php?cois=ch

Bei jeder anstehenden Entscheidung wurden den Teilnehmern mehrere Alternativen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen beschrieben und zur Abstimmung gestellt. Die Entscheidungen reichten vom Rebschnitt über Begrünung und Spritzung bis zu Details der Vergärung und des Ausbaus und schließlich dem Verschluß und dem Namen für den Wein. Kurz zussammenfassen kann man die Entscheidungen so: die Teilnehmer haben sich regelmäßig für qualitätsfördernde, mengenreduzierende und aufwendigere Verfahren entschieden. Wer möchte, kann die ganze Entstehungsgeschichte im Weinzwonull-Blog nachlesen:

http://www.vinum.info/blog/category/weinzwonull/

Der oben erwähnte traurige Teil der Geschichte hat mit dem Wein selbst zunächst nichts zu tun. Johann Hehle, der 26-jährige Sohn von Wolfgang Hehle, kam im Dezember 2010 bei einem Autounfall ums Leben. Als dann im April 2011 in einer der letzten Abstimmungen der Name des Weins festgelegt werden sollte, entschied sich eine überwältigende Mehrheit der Teilnehmer für "Für de Scheng" (Scheng war der Spitzname von Johann Hehle). Leider nahm das Unglück weiter seinen Lauf, Wolfgang Hehle, der Vater Johanns, verstarb im März 2013 nach schwerer Krankheit.




Für diesen Beitrag habe ich die vorletzte Flasche des Weins 2.0 geöffnet. Und um das Geschmeckte einordnen zu können, habe ich ihm einen 2010er Spätburgunder Alte Reben von Huber an die Seite gestellt. Nicht wegen der traurigen Parallele (Bernhard Huber verstarb im Juni 2014), sondern weil das der einzige andere deutsche 2010er Spätburgunder im Keller war.

2010 Deutzerhof "Für de Scheng" - Wein 2.0
Helles bis mittleres Rot
In der Nase recht ausgeprägt, etwas Bitterschokolade, dunkle Früchte
Am Gaumen entwickelte Frucht, spürbare Säure. Hat am ersten Tag etwas Ruppiges, dass sich aber am zweiten Tag legt.
86-88 bis 2020

2010 Huber Spätburgunder Alte Reben
Mittleres Rot
In der Nase spürbares Holz, daneben Wacholder und dunkle Früchte, recht tief.
Gut integriertes Holz, entwickelte Frucht, auch hier mit spürbarer Säure, elegant. Der Wein hat noch Biss und dürfte noch einige Jahre vor sich haben.
89-91, bis 2020+ 


Sonntag, 20. März 2016

Pokalüberraschungen

Der Pokal hat seine eigenen Gesetze (ja, ich weiß, 5 Mark ins Phrasenschwein...). Es kommt zu ungleichen Paarungen zwischen Vereinen aus verschiedenen Ligen. Unterklassige Vereine können über sich hinauswachsen und den Favoriten besiegen. Oder der Favorit schwächelt einfach. Bei Weinproben gibt es ähnliche Phänomene. Man kann Weine aus verschiedenen Ligen gegeneinander antreten lassen. Am besten funktioniert das in Bordeaux, weil es da so schön hierarchisch zugeht. Zu einer sehr solchen Probe versammelten sich im März 14 Weinfreunde in Köln. Das Konzept der Probe sah vor, dass jeweils ein Cru Bourgeois und ein Cru Classé aus gleichem Jahrgang nacheinander verkostet wurden. Alle Weine stammten aus sehr guten bis großen Jahrgängen (2000, 1996, 1995, 1990, 1989, 1986, 1985, 1982). Verkostet wurde offen.



2000 Chateau La Tour de By, Medoc
Schöne Nase, rotfruchtig, etwas Pflaume, leichte Minznote. 
Am Gaumen mittelgewichtig mit eher verhaltener Frucht und auch ein wenig uncharmant.
85

2000 Chateau Laroque, St. Emilion
Schöne, offene Kirschfrucht.
Auch am Gaumen Kirsche, wirkt aber etwas eindimensional, mittlere Länge.
87

Eine Partie auf durchschnittlichem Niveau. Der Favorit setzte sich durch ohne wirklich zu glänzen. 


1996 Chateau La Tour de By, Medoc
Klassische Nase, Leder, dunkle Früchte, etwas animalisch. 
Nachhaltig und klassisch, aber auch etwas uncharmant. 
87

1996 Chateau Dassault, St. Emilion
In der Nase kräftig, fleischig, Gewürze, mit Luft Kirsche.
Noch viel Tannin und dadurch etwas uncharmant wirkend. Kein schlechter Wein, aber nicht mein Stil. 
86

Eine enge Partie auf überschaubarem Niveau. In meiner Punktwertung lag der Underdog knapp vorne, aber andere Punktrichter am Tisch hatten da andere Wertungen auf dem Zettel.


1995 Chateau La Tour de By, Medoc
Wirkt in der Nase anfangs fast etwas korkig. Das legt sich mit Luft und es kommen dunkelfruchtige Noten zum Vorschein. 
Am Gaumen recht reif, Teer, dunkle Früchte. Wohl mittlerweile auf dem absteigenden Ast und auch etwas trocknend. 
85

1995 Chateau Leoville las Cases, St. Julien
Nach der Papierform der Favorit der Probe - und dieser Rolle wurde er vollauf gerecht. 
Tolle Nase, zwar noch verschlossen, abe mit wunderschöner Frucht und angedeuteter Intensität.
Am Gaumen herb, "männlich", viel feinkörniges, samtig wirkendes Tannin, noch sehr kompakt, dunkelfruchtig. Großes Bordeaux-Kino. 
94+


In dieser Partie spielte der Favorit groß auf und ließ dem klassenniedrigeren Gegner nicht den Hauch einer Chance.


1990 Chateau Prieure Lichine, Margaux
Sehr schöne Nase, in sich ruhend, reif, dunkle Früchte. 
Reif, etwas Teer, lang. 
90

1990 Chateau Sociando Mallet, Haut Medoc
Sehr schöne Nase, intensiv, dunkle Früchte, etwas Leder. 
Old School-Bordeaux, dunkelfruchtig, ein Hauch von Rustikalität. Sehr schön. 
92

Eine Partie auf hohem Niveau. Die etwas rustikalere Spielweise des Underdogs siegte letztlich über die Spielkultur des ranghöheren Weins. Zum Ausgang dieser Partie gab es allerdings auch andere Meinungen.


1989 Chateau Chasse Spleen, Moulis
Sehr schöne dunkelfruchtige Nase. 
Auch am Gaumen sehr schön, wieder dunkelfruchtig, zwar gereift, aber Tannin und Säure verleihen dem Wein Struktur. Für einen Cru Bourgeois wirklich sehr schön. 
91

1989 Chateau Rausan Segla, Margaux
Tolle Nase, intensiv, elegant, Heidelbeeren, typisch Margaux.
Auch am Gaumen dunkelfruchtig und sehr elegant, ein eher leiser, aber trotzdem sehr nachhaltiger Wein. Sehr schön. 
93

Eine ganz hochklassige Partie. Der Underdog lieferte eine grossartige Partie ab, aber der Platzhirsch hatte die passende Antwort und setzte sich verdient durch. Der Verlierer aber kann den Platz hoch erhobenen Hauptes verlassen.


1986 Chateau Sociando Mallet, Haut Medoc
In der Nase Milchschokolade, dunkler Früchte, etwas Kirsche. Verblaßt mit Luft allerdings zunehmend. 
Am Gaumen dann sehr gedeckte Frucht, Verdacht auf schleichenden Kork, daher ohne Bewertung.

1986 Chateau Leoville Barton, St. Julien
Schöne Nase, dunkle Früchte, etwas Minze, Cassis. 
Auch am Gaumen dunkelfruchtig, etwas Teer, lang. Sehr schöner Wein ohne die Ruppigkeit mancher 1986er. 
92

Der Herausforderer trat gehandicapt an. Hier sollte eine Wiederholungspartie angesetzt werden. Diese allerdings verspricht spannend zu werden.


1985 Chateau de Pez, St. Estephe
In der Nase eher rotfruchtig und etwas rustikal. 
Am Gaumen reif, etwas Leder, die Frucht verblaßt allerdings langsam. Sollte jetzt getrunken werden.
88

1985 Chateau Mouton Baronne Philippe, Pauillac
In der Nase dunkelfruchtig, Teer. 
Auch am Gaumen Teer, verhaltene aber präsente Frucht und noch in sehr guter Verfassung.
89

Eine enge Partie auf ansprechendem Niveau, die den Favoriten am Ende knapp vorne sah.


1982 Chateau La Tour de By, Medoc
In der Nase noch präsente Frucht, Heidelbeeren, eine leicht metallische Note, die ich aber weder als störend noch als fehlerhaft empfand. 
Am Gaumen reif und dunkelfruchtig. Geschmacklich noch "voll da" und nicht gezehrt wirkend. Nach über 30 Jahren noch in sehr gutem Zustand und vielleicht die Überraschung der Probe. 
90

1982 Chateau La Lagune, Haut Medoc
Hier gab es Diskussionen, ob der Wein "nur" schon auf dem absteigenden Ast ist oder ob er es komplett hinter sich hat. Für mich war letzteres der Fall - der Wein ist m.E. nicht mehr mit Genuß trinkbar. Daher: ohne Bewertung

Der Favorit war völlig von der Rolle. Der Underdog wuchs über sich hinaus, aber das wäre gar nicht nötig gewesen.


Fazit: Insgesamt eine sehr schöne Probe mit vielen sehr guten und einigen wirklich grossartigen Weinen (Leoville Las Cases 1995, Rausan-Segla 1989). Die Cru Classés haben die Gesamtwertung gewonnen, aber in eingen der Paarungen war der Cru Bourgeois vorne. Insbesondere Sociando Maller 1990 und Chasse-Spleen 1989 sind hervorragende Weine und der 1982er La Tour de By war eine sehr positive Überraschung.