Sonntag, 20. März 2016

Pokalüberraschungen

Der Pokal hat seine eigenen Gesetze (ja, ich weiß, 5 Mark ins Phrasenschwein...). Es kommt zu ungleichen Paarungen zwischen Vereinen aus verschiedenen Ligen. Unterklassige Vereine können über sich hinauswachsen und den Favoriten besiegen. Oder der Favorit schwächelt einfach. Bei Weinproben gibt es ähnliche Phänomene. Man kann Weine aus verschiedenen Ligen gegeneinander antreten lassen. Am besten funktioniert das in Bordeaux, weil es da so schön hierarchisch zugeht. Zu einer sehr solchen Probe versammelten sich im März 14 Weinfreunde in Köln. Das Konzept der Probe sah vor, dass jeweils ein Cru Bourgeois und ein Cru Classé aus gleichem Jahrgang nacheinander verkostet wurden. Alle Weine stammten aus sehr guten bis großen Jahrgängen (2000, 1996, 1995, 1990, 1989, 1986, 1985, 1982). Verkostet wurde offen.



2000 Chateau La Tour de By, Medoc
Schöne Nase, rotfruchtig, etwas Pflaume, leichte Minznote. 
Am Gaumen mittelgewichtig mit eher verhaltener Frucht und auch ein wenig uncharmant.
85

2000 Chateau Laroque, St. Emilion
Schöne, offene Kirschfrucht.
Auch am Gaumen Kirsche, wirkt aber etwas eindimensional, mittlere Länge.
87

Eine Partie auf durchschnittlichem Niveau. Der Favorit setzte sich durch ohne wirklich zu glänzen. 


1996 Chateau La Tour de By, Medoc
Klassische Nase, Leder, dunkle Früchte, etwas animalisch. 
Nachhaltig und klassisch, aber auch etwas uncharmant. 
87

1996 Chateau Dassault, St. Emilion
In der Nase kräftig, fleischig, Gewürze, mit Luft Kirsche.
Noch viel Tannin und dadurch etwas uncharmant wirkend. Kein schlechter Wein, aber nicht mein Stil. 
86

Eine enge Partie auf überschaubarem Niveau. In meiner Punktwertung lag der Underdog knapp vorne, aber andere Punktrichter am Tisch hatten da andere Wertungen auf dem Zettel.


1995 Chateau La Tour de By, Medoc
Wirkt in der Nase anfangs fast etwas korkig. Das legt sich mit Luft und es kommen dunkelfruchtige Noten zum Vorschein. 
Am Gaumen recht reif, Teer, dunkle Früchte. Wohl mittlerweile auf dem absteigenden Ast und auch etwas trocknend. 
85

1995 Chateau Leoville las Cases, St. Julien
Nach der Papierform der Favorit der Probe - und dieser Rolle wurde er vollauf gerecht. 
Tolle Nase, zwar noch verschlossen, abe mit wunderschöner Frucht und angedeuteter Intensität.
Am Gaumen herb, "männlich", viel feinkörniges, samtig wirkendes Tannin, noch sehr kompakt, dunkelfruchtig. Großes Bordeaux-Kino. 
94+


In dieser Partie spielte der Favorit groß auf und ließ dem klassenniedrigeren Gegner nicht den Hauch einer Chance.


1990 Chateau Prieure Lichine, Margaux
Sehr schöne Nase, in sich ruhend, reif, dunkle Früchte. 
Reif, etwas Teer, lang. 
90

1990 Chateau Sociando Mallet, Haut Medoc
Sehr schöne Nase, intensiv, dunkle Früchte, etwas Leder. 
Old School-Bordeaux, dunkelfruchtig, ein Hauch von Rustikalität. Sehr schön. 
92

Eine Partie auf hohem Niveau. Die etwas rustikalere Spielweise des Underdogs siegte letztlich über die Spielkultur des ranghöheren Weins. Zum Ausgang dieser Partie gab es allerdings auch andere Meinungen.


1989 Chateau Chasse Spleen, Moulis
Sehr schöne dunkelfruchtige Nase. 
Auch am Gaumen sehr schön, wieder dunkelfruchtig, zwar gereift, aber Tannin und Säure verleihen dem Wein Struktur. Für einen Cru Bourgeois wirklich sehr schön. 
91

1989 Chateau Rausan Segla, Margaux
Tolle Nase, intensiv, elegant, Heidelbeeren, typisch Margaux.
Auch am Gaumen dunkelfruchtig und sehr elegant, ein eher leiser, aber trotzdem sehr nachhaltiger Wein. Sehr schön. 
93

Eine ganz hochklassige Partie. Der Underdog lieferte eine grossartige Partie ab, aber der Platzhirsch hatte die passende Antwort und setzte sich verdient durch. Der Verlierer aber kann den Platz hoch erhobenen Hauptes verlassen.


1986 Chateau Sociando Mallet, Haut Medoc
In der Nase Milchschokolade, dunkler Früchte, etwas Kirsche. Verblaßt mit Luft allerdings zunehmend. 
Am Gaumen dann sehr gedeckte Frucht, Verdacht auf schleichenden Kork, daher ohne Bewertung.

1986 Chateau Leoville Barton, St. Julien
Schöne Nase, dunkle Früchte, etwas Minze, Cassis. 
Auch am Gaumen dunkelfruchtig, etwas Teer, lang. Sehr schöner Wein ohne die Ruppigkeit mancher 1986er. 
92

Der Herausforderer trat gehandicapt an. Hier sollte eine Wiederholungspartie angesetzt werden. Diese allerdings verspricht spannend zu werden.


1985 Chateau de Pez, St. Estephe
In der Nase eher rotfruchtig und etwas rustikal. 
Am Gaumen reif, etwas Leder, die Frucht verblaßt allerdings langsam. Sollte jetzt getrunken werden.
88

1985 Chateau Mouton Baronne Philippe, Pauillac
In der Nase dunkelfruchtig, Teer. 
Auch am Gaumen Teer, verhaltene aber präsente Frucht und noch in sehr guter Verfassung.
89

Eine enge Partie auf ansprechendem Niveau, die den Favoriten am Ende knapp vorne sah.


1982 Chateau La Tour de By, Medoc
In der Nase noch präsente Frucht, Heidelbeeren, eine leicht metallische Note, die ich aber weder als störend noch als fehlerhaft empfand. 
Am Gaumen reif und dunkelfruchtig. Geschmacklich noch "voll da" und nicht gezehrt wirkend. Nach über 30 Jahren noch in sehr gutem Zustand und vielleicht die Überraschung der Probe. 
90

1982 Chateau La Lagune, Haut Medoc
Hier gab es Diskussionen, ob der Wein "nur" schon auf dem absteigenden Ast ist oder ob er es komplett hinter sich hat. Für mich war letzteres der Fall - der Wein ist m.E. nicht mehr mit Genuß trinkbar. Daher: ohne Bewertung

Der Favorit war völlig von der Rolle. Der Underdog wuchs über sich hinaus, aber das wäre gar nicht nötig gewesen.


Fazit: Insgesamt eine sehr schöne Probe mit vielen sehr guten und einigen wirklich grossartigen Weinen (Leoville Las Cases 1995, Rausan-Segla 1989). Die Cru Classés haben die Gesamtwertung gewonnen, aber in eingen der Paarungen war der Cru Bourgeois vorne. Insbesondere Sociando Maller 1990 und Chasse-Spleen 1989 sind hervorragende Weine und der 1982er La Tour de By war eine sehr positive Überraschung.



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