Freitag, 25. März 2016

Weinzwonull - Ein spannendes Projekt mit traurigem Ende (Weinrallye #96 - Projektweine)



Das ist die Geschickte eines spannenden Projekts mit leider traurigem Ende. Aber der Reihe nach. Im Jahr 2010 wollte die Zeitschrift Vinum zusammen mit der Deutschen Weinentdeckungsgesellschaft einen "Wein 2.0" kreieren. Bei diesem "interaktiven" Wein sollten zentrale Entscheidungen während der Wachstums- und Ausbauphase per Abstimmung getroffen werden. Als Projektpartner wurde der Deutzerhof an der Ahr gewonnen, vertreten durch Johann und Wolfgang Hehle. Die Reben für den Wein 2.0 waren Spätburgunderreben im Mayschosser Mönchberg. Jeder, der mitmachen wollte, konnte sich registrieren und mußte sich verpflichten, später 3-12 Flaschen des so entstehenden Weins zu 20 Euro pro Flasche abzunehmen. Klar, daß ich dabei mitmachen mußte. Der ursprüngliche Teilnahmeaufruf findet sich immer noch hier:

http://www.vinum.info/probieren/wein2_0_einstieg.php?cois=ch

Bei jeder anstehenden Entscheidung wurden den Teilnehmern mehrere Alternativen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen beschrieben und zur Abstimmung gestellt. Die Entscheidungen reichten vom Rebschnitt über Begrünung und Spritzung bis zu Details der Vergärung und des Ausbaus und schließlich dem Verschluß und dem Namen für den Wein. Kurz zussammenfassen kann man die Entscheidungen so: die Teilnehmer haben sich regelmäßig für qualitätsfördernde, mengenreduzierende und aufwendigere Verfahren entschieden. Wer möchte, kann die ganze Entstehungsgeschichte im Weinzwonull-Blog nachlesen:

http://www.vinum.info/blog/category/weinzwonull/

Der oben erwähnte traurige Teil der Geschichte hat mit dem Wein selbst zunächst nichts zu tun. Johann Hehle, der 26-jährige Sohn von Wolfgang Hehle, kam im Dezember 2010 bei einem Autounfall ums Leben. Als dann im April 2011 in einer der letzten Abstimmungen der Name des Weins festgelegt werden sollte, entschied sich eine überwältigende Mehrheit der Teilnehmer für "Für de Scheng" (Scheng war der Spitzname von Johann Hehle). Leider nahm das Unglück weiter seinen Lauf, Wolfgang Hehle, der Vater Johanns, verstarb im März 2013 nach schwerer Krankheit.




Für diesen Beitrag habe ich die vorletzte Flasche des Weins 2.0 geöffnet. Und um das Geschmeckte einordnen zu können, habe ich ihm einen 2010er Spätburgunder Alte Reben von Huber an die Seite gestellt. Nicht wegen der traurigen Parallele (Bernhard Huber verstarb im Juni 2014), sondern weil das der einzige andere deutsche 2010er Spätburgunder im Keller war.

2010 Deutzerhof "Für de Scheng" - Wein 2.0
Helles bis mittleres Rot
In der Nase recht ausgeprägt, etwas Bitterschokolade, dunkle Früchte
Am Gaumen entwickelte Frucht, spürbare Säure. Hat am ersten Tag etwas Ruppiges, dass sich aber am zweiten Tag legt.
86-88 bis 2020

2010 Huber Spätburgunder Alte Reben
Mittleres Rot
In der Nase spürbares Holz, daneben Wacholder und dunkle Früchte, recht tief.
Gut integriertes Holz, entwickelte Frucht, auch hier mit spürbarer Säure, elegant. Der Wein hat noch Biss und dürfte noch einige Jahre vor sich haben.
89-91, bis 2020+ 


Sonntag, 20. März 2016

Pokalüberraschungen

Der Pokal hat seine eigenen Gesetze (ja, ich weiß, 5 Mark ins Phrasenschwein...). Es kommt zu ungleichen Paarungen zwischen Vereinen aus verschiedenen Ligen. Unterklassige Vereine können über sich hinauswachsen und den Favoriten besiegen. Oder der Favorit schwächelt einfach. Bei Weinproben gibt es ähnliche Phänomene. Man kann Weine aus verschiedenen Ligen gegeneinander antreten lassen. Am besten funktioniert das in Bordeaux, weil es da so schön hierarchisch zugeht. Zu einer sehr solchen Probe versammelten sich im März 14 Weinfreunde in Köln. Das Konzept der Probe sah vor, dass jeweils ein Cru Bourgeois und ein Cru Classé aus gleichem Jahrgang nacheinander verkostet wurden. Alle Weine stammten aus sehr guten bis großen Jahrgängen (2000, 1996, 1995, 1990, 1989, 1986, 1985, 1982). Verkostet wurde offen.



2000 Chateau La Tour de By, Medoc
Schöne Nase, rotfruchtig, etwas Pflaume, leichte Minznote. 
Am Gaumen mittelgewichtig mit eher verhaltener Frucht und auch ein wenig uncharmant.
85

2000 Chateau Laroque, St. Emilion
Schöne, offene Kirschfrucht.
Auch am Gaumen Kirsche, wirkt aber etwas eindimensional, mittlere Länge.
87

Eine Partie auf durchschnittlichem Niveau. Der Favorit setzte sich durch ohne wirklich zu glänzen. 


1996 Chateau La Tour de By, Medoc
Klassische Nase, Leder, dunkle Früchte, etwas animalisch. 
Nachhaltig und klassisch, aber auch etwas uncharmant. 
87

1996 Chateau Dassault, St. Emilion
In der Nase kräftig, fleischig, Gewürze, mit Luft Kirsche.
Noch viel Tannin und dadurch etwas uncharmant wirkend. Kein schlechter Wein, aber nicht mein Stil. 
86

Eine enge Partie auf überschaubarem Niveau. In meiner Punktwertung lag der Underdog knapp vorne, aber andere Punktrichter am Tisch hatten da andere Wertungen auf dem Zettel.


1995 Chateau La Tour de By, Medoc
Wirkt in der Nase anfangs fast etwas korkig. Das legt sich mit Luft und es kommen dunkelfruchtige Noten zum Vorschein. 
Am Gaumen recht reif, Teer, dunkle Früchte. Wohl mittlerweile auf dem absteigenden Ast und auch etwas trocknend. 
85

1995 Chateau Leoville las Cases, St. Julien
Nach der Papierform der Favorit der Probe - und dieser Rolle wurde er vollauf gerecht. 
Tolle Nase, zwar noch verschlossen, abe mit wunderschöner Frucht und angedeuteter Intensität.
Am Gaumen herb, "männlich", viel feinkörniges, samtig wirkendes Tannin, noch sehr kompakt, dunkelfruchtig. Großes Bordeaux-Kino. 
94+


In dieser Partie spielte der Favorit groß auf und ließ dem klassenniedrigeren Gegner nicht den Hauch einer Chance.


1990 Chateau Prieure Lichine, Margaux
Sehr schöne Nase, in sich ruhend, reif, dunkle Früchte. 
Reif, etwas Teer, lang. 
90

1990 Chateau Sociando Mallet, Haut Medoc
Sehr schöne Nase, intensiv, dunkle Früchte, etwas Leder. 
Old School-Bordeaux, dunkelfruchtig, ein Hauch von Rustikalität. Sehr schön. 
92

Eine Partie auf hohem Niveau. Die etwas rustikalere Spielweise des Underdogs siegte letztlich über die Spielkultur des ranghöheren Weins. Zum Ausgang dieser Partie gab es allerdings auch andere Meinungen.


1989 Chateau Chasse Spleen, Moulis
Sehr schöne dunkelfruchtige Nase. 
Auch am Gaumen sehr schön, wieder dunkelfruchtig, zwar gereift, aber Tannin und Säure verleihen dem Wein Struktur. Für einen Cru Bourgeois wirklich sehr schön. 
91

1989 Chateau Rausan Segla, Margaux
Tolle Nase, intensiv, elegant, Heidelbeeren, typisch Margaux.
Auch am Gaumen dunkelfruchtig und sehr elegant, ein eher leiser, aber trotzdem sehr nachhaltiger Wein. Sehr schön. 
93

Eine ganz hochklassige Partie. Der Underdog lieferte eine grossartige Partie ab, aber der Platzhirsch hatte die passende Antwort und setzte sich verdient durch. Der Verlierer aber kann den Platz hoch erhobenen Hauptes verlassen.


1986 Chateau Sociando Mallet, Haut Medoc
In der Nase Milchschokolade, dunkler Früchte, etwas Kirsche. Verblaßt mit Luft allerdings zunehmend. 
Am Gaumen dann sehr gedeckte Frucht, Verdacht auf schleichenden Kork, daher ohne Bewertung.

1986 Chateau Leoville Barton, St. Julien
Schöne Nase, dunkle Früchte, etwas Minze, Cassis. 
Auch am Gaumen dunkelfruchtig, etwas Teer, lang. Sehr schöner Wein ohne die Ruppigkeit mancher 1986er. 
92

Der Herausforderer trat gehandicapt an. Hier sollte eine Wiederholungspartie angesetzt werden. Diese allerdings verspricht spannend zu werden.


1985 Chateau de Pez, St. Estephe
In der Nase eher rotfruchtig und etwas rustikal. 
Am Gaumen reif, etwas Leder, die Frucht verblaßt allerdings langsam. Sollte jetzt getrunken werden.
88

1985 Chateau Mouton Baronne Philippe, Pauillac
In der Nase dunkelfruchtig, Teer. 
Auch am Gaumen Teer, verhaltene aber präsente Frucht und noch in sehr guter Verfassung.
89

Eine enge Partie auf ansprechendem Niveau, die den Favoriten am Ende knapp vorne sah.


1982 Chateau La Tour de By, Medoc
In der Nase noch präsente Frucht, Heidelbeeren, eine leicht metallische Note, die ich aber weder als störend noch als fehlerhaft empfand. 
Am Gaumen reif und dunkelfruchtig. Geschmacklich noch "voll da" und nicht gezehrt wirkend. Nach über 30 Jahren noch in sehr gutem Zustand und vielleicht die Überraschung der Probe. 
90

1982 Chateau La Lagune, Haut Medoc
Hier gab es Diskussionen, ob der Wein "nur" schon auf dem absteigenden Ast ist oder ob er es komplett hinter sich hat. Für mich war letzteres der Fall - der Wein ist m.E. nicht mehr mit Genuß trinkbar. Daher: ohne Bewertung

Der Favorit war völlig von der Rolle. Der Underdog wuchs über sich hinaus, aber das wäre gar nicht nötig gewesen.


Fazit: Insgesamt eine sehr schöne Probe mit vielen sehr guten und einigen wirklich grossartigen Weinen (Leoville Las Cases 1995, Rausan-Segla 1989). Die Cru Classés haben die Gesamtwertung gewonnen, aber in eingen der Paarungen war der Cru Bourgeois vorne. Insbesondere Sociando Maller 1990 und Chasse-Spleen 1989 sind hervorragende Weine und der 1982er La Tour de By war eine sehr positive Überraschung.



Donnerstag, 10. März 2016

"Kellertränen" oder "Die Mutter aller Spätlesen"

Als Weintrinker und Sammler hat man ja so einiges im Keller. Man kann die Vorräte in drei Kategorien einteilen. Erstens sind da die Weine, bei denen man sich wünscht, die letzte Flasche sei schon getrunken. Davon haben wir einige, aber ich verkneife es mir, Beispiele zu nennen. Dann gibt es die Kategorie "neutral". Das sind oft (Alltags)Weine, die gut, aber eben nicht denkwürdig sind. Wenn die letzte Flasche weg ist, ist sie eben weg. Oder es sind Weine, bei denen der Nachfolgejahrgang schon bereitliegt oder die Bestellung jedenfalls beschlossene Sache ist. Dann gibt es aber die Weine, die nicht ersetzbar sind. Nicht, weil sie so teuer wären (das gibt es auch, aber darum geht es heute nicht), sondern weil sie eben denkwürdig sind. Weine, bei denen man um die letzten Flaschen herumschleicht, und sich nicht recht traut, sie zu entkorken. Es wäre ja dann fast nichts mehr übrig. Und wenn dann doch die letzte Flasche dran glauben muß, fließen eben ein paar Kellertränen.



Um so einen Wein geht es heute. Eine traumhafte Spätlese. Die Mutter aller Spätlesen, sozusagen. Sie stammt vom Weingut Crusius an der Nahe. 2002 Norheimer Kirschheck. Zuerst gekauft 2005 und dann nochmal in 2006. Der zweite Karton hat gerade mal knapp über 6 Euro pro Flasche gekostet, weil es zu der Zeit im Weingut gerade 30% Rabatt auf alle älteren Weine gab. Einen Wein mit einem besseren Preis-Leistungsverhältnis habe ich nie gehabt und werde ich wohl auch nie wieder bekommen.

Wir hatten zwischenzeitlich auch 2002er Norheimer Kirschheck Spätlese von Dönnhoff, und ich habe mir mehr als einmal den Spaß einer Blindprobe mit den beiden Weinen erlaubt. Das war aber immer eine sehr einseitige Angelegenheit (und das, wo ich bekennender Dönnhoff-Fan bin).

In den Untiefen des Internets habe ich noch eine alte Verkostungsnotiz von mir gefunden (aus dem April 2006):

"Mittleres Goldgelb. In der Nase sehr fein und delikat, gelbe Früchte. Auch am Gaumen mit sehr feiner, mineralisch unterlegter Frucht und grossartigem Süße-Säure-Spiel. Hat sich seit letztem Jahr geöffnet und dabei deutlich zugelegt. Grossartige Spätlese, jetzt (und bis 2010) auf dem Höhepunkt. 92 Punkte"

Falsch daran war nur die Prognose "bis 2010". Heute wurde die letzte Flasche entkorkt und dabei zeigte sich, dass der Wein nach wie vor grossartig ist und noch einige Jahre vor sich hat. Diese Prognose werde ich aber leider nicht mehr überprüfen können.


2002 Crusius Norheimer Kirschheck Riesling Spätlese
Helles Goldgelb.
In der Nase ganz sauber, Teeblätter, Aprikose, recht tief.
Am Gaumen frisch wirkend, schöne Fruchtnoten werden von einer immer noch lebhaften Säure bestens balanciert. Die Süße ist spürbar, aber doch etwas in den Hintergrund getreten. Langer Nachhall. Es ist faszinierend, wieviel Intensität es hier bei nur 7% Alkohol gibt und wie frisch der Wein noch wirkt. Das ist (nach wie vor) eine große Spätlese, die ich blind deutlich jünger geschätzt hätte und die Potential für einige weitere Jahre hat. Chapeau.
92-94, bis 2020